«Das zielt am eigentlichen Sinn vorbei»
01.07.2021 Basel, Verkehr, Politik, BaselbietLandräte üben Kritik an Basler Konzept für Mobility-Pricing-Projekt
Basel-Stadt will versuchsweise Gebühren für die Nutzung seiner Strassen einziehen. Dies, um das Netz vor der Überlastung in Stosszeiten zu bewahren. Dass im entsprechenden Konzeptentwurf der öV nicht berücksichtigt ...
Landräte üben Kritik an Basler Konzept für Mobility-Pricing-Projekt
Basel-Stadt will versuchsweise Gebühren für die Nutzung seiner Strassen einziehen. Dies, um das Netz vor der Überlastung in Stosszeiten zu bewahren. Dass im entsprechenden Konzeptentwurf der öV nicht berücksichtigt wird, stösst im Baselbiet auf Kritik.
Sebastian Schanzer
Der Kanton Basel-Stadt will versuchsweise eine Gebühr für die Nutzung seines Strassennetzes einführen. Er hat sich für ein entsprechendes Pilotprojekt beim Bund beworben, wie die Basler Regierung Anfang Woche mitteilte. Das Bundesamt für Strassen (Astra) möchte praktische Erfahrungen im sogenannten Mobility Pricing sammeln und hatte die Kantone aufgerufen, sich mit entsprechenden Konzepten für die Durchführung eines Pilotprojekts zu bewerben. «Mobility Pricing» soll grundsätzlich das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung über den Preis beeinflussen, sodass Verkehrsinfrastrukturen besser, das heisst ausgewogener, genutzt und Ziele des Klimaschutzes erreicht werden können.
Das Basler Konzept sieht konkret eine emissionsabhängige Strassennutzungsgebühr für den motorisierten Individualverkehr vor. Einfahrten auf das städtische Strassennetz würden gebührenpflichtig, die Gebühren würden nach Tageszeit und Schadstoffklasse des Fahrzeugs variieren. Die Basler Regierung will damit das Strassennetz in Stosszeiten entlasten und umweltfreundliche Fahrzeuge fördern, heisst es in der Mitteilung. Offen ist noch, wie hoch die Gebühren ausfallen und wie diese erhoben würden. Möglich wäre beispielsweise die Erfassung über eine App. Der Binnenverkehr innerhalb der Stadtgrenze soll nicht betroffen sein, wie aus der Projektskizze hervorgeht. Wird das Basler Modell vom Bund als Pilot auserwählt, soll es durch eine Machbarkeitsstudie konkretisiert werden. Dazu müsste der Bund allerdings noch ein Gesetz für die Durchführung von Pilotversuchen verabschieden. Dieses könnte laut Mitteilung frühestens 2024 in Kraft treten.
«Verkehr kommt von ausserhalb»
Derweil äussern sich bereits kritische Stimmen aus dem Baselbiet, das von den Gebühren natürlich stark betroffen wäre: «Das skizzierte Projekt der Basler Regierung ist nichts anderes als eine Strassensteuer», kritisiert etwa FDP-Landrat Thomas Eugster auf Anfrage. Der Liestaler ist Mitglied der Bau- und Planungskommission und befasst sich mit Vorliebe mit Verkehrspolitik. Für ihn ist klar: «Ein Pilotprojekt zum Mobility Pricing kann nur funktionieren, wenn alle Verkehrsträger involviert sind. Der öffentliche Verkehr darf dabei nicht ausgenommen werden.» Es sei indes klar, dass die Städter lediglich auf den motorisierten Individualverkehr zielen. Damit werde der eigentliche Sinn und Zweck von Mobility Pricing aber verfehlt. «Es soll ja darum gehen, die ganze Verkehrsinfrastruktur ausgewogener zu nutzen und nicht darum, die Autofahrer zur Kasse zu bitten.»
Der SP-Landrat Thomas Noack begrüsst grundsätzlich den Pilotversuch mit dem schadstoff- und zeitabhängigen Road Pricing in Basel-Stadt. Allerdings bedauert auch er, dass die Basler Regierung vielmehr ein Road als ein Mobility Pricing einführen will. «Es geht darum, die bestehenden Kapazitäten auf den Verkehrsnetzen möglichst gut auszunutzen. Dazu braucht es eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf den öV, und die Möglichkeiten des Langsamverkehrs müssen stärker genutzt werden», sagt der Bubendörfer. Gerade in der Nutzung von E-Bikes sieht Noack für die Basler Agglomeration eine «Riesenchance».
Das führt Noack zum zweiten Kritikpunkt: «Der Verkehr, unter dem die Stadt leidet, kommt eigentlich von ausserhalb der Stadt. Ich sehe darum nicht ein, warum die beiden Basel hier nicht eng zusammenarbeiten.» Noack hatte bereits im Februar die Baselbieter Regierung in einem Postulat aufgefordert, eine Beteiligung des Landkantons am Pilotprojekt zu prüfen. Die Antwort der Regierung steht noch aus. Auf Anfrage schreibt die Bau- und Umweltschutzdirektion: «Der Kanton Basel-Stadt hat zugesichert, dass die wesentlichen Eckpunkte des Pilotprojekts wie Gebührenhöhe, Perimeter und das Erfassungskonzept erst im Rahmen der noch bevorstehenden Machbarkeitsstudie festgelegt werden und dass dabei der Kanton Baselland vorgängig angehört wird. In diesem Kontext könnte auch geprüft werden, ob sich der Landkanton umfassender einbringen sollte.» Der Abteilungsleiter Mobilitätsstrategie Basel-Stadt, Simon Kettner, bestätigt: «Bei einer allfälligen Machbarkeitsstudie würden wir das Baselbiet auf jeden Fall einbeziehen. Wenn der Landkanton zudem ein deutliches Interesse signalisiert, am Pilot teilzunehmen, sind wir auch dafür offen.»
«Zu komplex» für Pilotversuch
Die Baselbieter Regierung sieht denn auch Potenzial im Ansatz Mobility Pricing und begrüsst die Absicht des Bundes, Pilotprojekte zu ermöglichen, wie es auf Anfrage heisst. Das konkrete Vorhaben des Kantons Basel-Stadt könne allerdings erst mit Vorliegen von Konzept und Machbarkeitsprüfung beurteilt werden. Klar sei aber, dass dabei «alle Formen der Mobilität» beachtet werden müssten. Dass Basel-Stadt den öV aus seinem Konzept ausschliesst, habe praktische Gründe, sagt Kettner demgegenüber. «Für einen Pilotversuch wäre es zu komplex, alle Transportunternehmen, den Tarifverbund sowie zwangsläufig auch die Nachbarkantone und das angrenzende Ausland in das Konzept miteinzubeziehen.» Längerfristig sei dies aber sicherlich anzustreben.