Um jungen Frauen unter die Arme zu greifen
10.06.2021 Baselbiet, Gesundheit, GesellschaftAline Schneider
Besonders in der Westschweiz hat sich die Idee verbreitet: In Damentoiletten in den Kantonen Genf und Waadt findet man kleine, bunte Kästchen oder industriell angefertigte Dispenser für Damenhygieneartikel. Binden und Tampons sind ein Kostenpunkt ...
Aline Schneider
Besonders in der Westschweiz hat sich die Idee verbreitet: In Damentoiletten in den Kantonen Genf und Waadt findet man kleine, bunte Kästchen oder industriell angefertigte Dispenser für Damenhygieneartikel. Binden und Tampons sind ein Kostenpunkt im Leben jeder Frau, dieser wird durch die Gratisartikel in der Westschweiz verringert.
Im Baselbiet hat das Thema vergangenes Jahr Einzug in die Politik gehalten. SP-Landrätin Miriam Locher forderte in ihrem parlamentarischen Vorstoss kostenlose Hygieneartikel an den kantonalen Schulen. «Das Thema Periodenarmut ist keine Erscheinung, die es nur in Entwicklungsländern gibt», lautet der erste Satz des Vorstosses. Schülerinnen sollen nicht mehr durch den kostspieligen Kauf der Artikel belastet werden. Somit würde eine bestehende Ungerechtigkeit korrigiert. Landrätin Locher schreibt, dass es Aufgabe der Schule sei, ein möglichst gutes Arbeits- und Lernklima zu ermöglichen. Neben der Westschweiz gebe es auch im Kanton Bern eine Schule, die den kostenlosen Zugang zu Binden und Tampons bereits erfolgreich ermögliche. Dies sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Umsetzung für die Schulen organisatorisch möglich sei.
Regierungsrat ist dagegen
Der Vorstoss von Miriam Locher ist für die heutige Sitzung des Landrats traktandiert. Der Regierungsrat beantragt, ihn abzulehnen. Der Lehrplan habe das Thema Menstruation in einem vielfältigen und altersgerechten Rahmen eingebaut. So würden alle Schülerinnen in ihrer Laufbahn umfassend über die Pubertät informiert. Sei dies nicht genug, könnten sich Schülerinnen auch beim von der Schule organisierten Besuch des Privatarztes oder der Privatärztin erkundigen.
Zudem stünden allen Schülerinnen in einem «Notfall» auf dem Sekretariat oder bei einer Lehrerin des Vertrauens ein paar Hygieneartikel zur Verfügung. Im Allgemeinen wäre die Umsetzung der Forderung sehr aufwendig, da man die Abläufe der Logistik zu Bestellwesen, Auslieferung und Bewirtschaftung des Angebotes an Hygieneartikeln sicherstellen müsse.
Auf Bundesebene hat der Neuenburger Nationalrat Jacques-André Maire im Jahr 2018 eine Motion eingereicht, die einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneartikel vorschlägt. Damit könnte die Politik den Mehrwertsteuersatz von 7,7 auf 2,5 Prozent senken. Dies würde Frauen und Mädchen aller Altersgruppen zugutekommen und nicht nur Schülerinnen. Der Nationalrat hat die Motion wie vom Bundesrat beauftragt 2019 angenommen. Sie liegt nun beim Ständerat.
Vorbilder im Ausland
Die Idee, dass Damenhygieneartikel in öffentlichen Schulen gratis sein sollten, verbreitet sich besonders auf Social Media schnell. Die beiden grossen internationalen Vorbilder sind Neuseeland und Schottland. Wobei Schottland Damenhygieneartikel für alle Frauen im ganzen Land künftig gratis anbieten wird.
Die «Volksstimme» hat Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Liestal sowie Passanten in der Begegnungszone Sissach nach ihrer Meinung gefragt.
UMFRAGE | SOLLEN SCHÜLERINNEN KOSTENLOS HYGIENEARTIKEL ERHALTEN?
«Eine gute Idee, aber wer bezahlt das?»
Melina Dill, 17, Diegten
Man sollte die Hygieneartikel den Schülerinnen besonders für Notfälle zur Verfügung stellen, so wie Pflaster ja auch zur Verfügung gestellt werden. Ich finde, dass die Regelblutung allgemein heutzutage kein Tabuthema sein sollte und es gut ist, darüber zu reden. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Hygieneartikel teuer sind und dass es Leute gibt, die sie sich nicht leisten können.
Willow Hug, 17, Zeglingen
Ich bin eher dagegen. Es ist unnötig und ungerecht. Männer brauchen auch Dinge für ihre Hygiene und müssen für diese bezahlen. Frauen haben unterschiedliche Wünsche, wenn es um Hygieneartikel geht, und diese kann die Schule nicht alle erfüllen. Zudem fördert die Massnahme den Verbrauch von Tampons und Binden, die nicht nachhaltig sind. Die Kosten würden zudem auf die Steuerzahlenden zurückfallen.
Lisa Krattiger, 42, Basel
Ich finde diese Idee sehr gut. Obwohl eine Frau die Produkte für eine lange Zeit kaufen muss, sind sie sehr teuer und hoch besteuert. Mit kostenlosen Produkten könnte man vielen Menschen helfen. Zudem ist das Lohnverhältnis zwischen Mann und Frau immer noch nicht ausgeglichen, deshalb würde die Massnahme auch in Sachen Gleichstellung ein gutes Zeichen setzen.
Irmgard Vogt, 79, Sissach
Ich frage mich, wer für diese Massnahme bezahlen würde. Die Toilettenartikel sind schliesslich teuer. Die Kosten würden wahrscheinlich durch die Steuern getragen werden, was ich nicht gut finde. Ich denke, es könnte für die Baselbieter Schulen zu teuer werden, aber ich finde die Idee allgemein nicht schlecht.
Rolf Widmer, 71, Sissach
Kostenlose Hygieneartikel für Schülerinnen fände ich gut, besonders für Notfälle, wenn mal eine Schülerin nichts dabei hat. Die Schule kann das übernehmen, es handelt sich nicht um eine riesige Menge an Produkten. Ich glaube, es würde nicht gehamstert. Die Kinder sind alt genug, um zu wissen, dass man das Angebot nur nutzt, wenn man es braucht.
Ramona Sigg, 17, Diegten
Ich fände es sehr von Vorteil, wenn Mädchen gratis Hygieneartikel von den Schulen bekommen würden. Es könnte unangenehme Situationen vermeiden. Da man die Artikel jeden Monat braucht, summiert sich das Geld schnell. Besonders für junge Frauen, die vielleicht nicht so viel Geld haben, ist das ein Trost.