Sparen mit Spitalliste
28.05.2021 Basel, Gesundheit, Politik, BaselbietKantone nehmen die Spitäler stärker in die Pflicht
Mit der ersten gleichlautenden Spitalliste wollen Baselland und Basel-Stadt die Tendenzen zur medizinischen Überversorgung reduzieren. Die Spitäler müssen ihre stationären Eingriffe zurückfahren. 34 Millionen Franken sollen so ...
Kantone nehmen die Spitäler stärker in die Pflicht
Mit der ersten gleichlautenden Spitalliste wollen Baselland und Basel-Stadt die Tendenzen zur medizinischen Überversorgung reduzieren. Die Spitäler müssen ihre stationären Eingriffe zurückfahren. 34 Millionen Franken sollen so jährlich gespart werden.
Tobias Gfeller
Die Ansage der beiden Gesundheitsdirektionen ist klar: Die Spitäler sollen weniger Eingriffe in der Akutsomatik vornehmen. Vor allem in den Bereichen Neurologie (minus 38 Prozent), Bewegungsapparat (minus 22 Prozent), Hals-Nasen-Ohren (minus 37 Prozent) und Kardiologie (minus 43 Prozent) soll es zu einem markanten Rückgang an Eingriffen kommen. Damit wollen der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) und sein Basler Amtskollege Lukas Engelberger (Die Mitte) der Überversorgung einen Riegel schieben.
Von den aktuellen 466 Leistungsaufträgen in der Akutsomatik werden 157 nicht mehr verlängert. Die Patientinnen und Patienten sollen aber weiterhin die Wahlfreiheit haben, wo sie sich in den beiden Kantonen behandeln lassen wollen. «95 Prozent der Leistungen können auch in Zukunft in vier oder mehr Spitälern in beiden Kantonen nachgefragt werden», stellte Engelberger klar. Es gelte nach wie vor eine «volle Patientenfreizügigkeit» in Baselland und Basel-Stadt. Trotz der Einschränkungen soll die Grundversorgung auch im ländlichen Raum sichergestellt bleiben, erklärte Thomas Weber.
Die gleichlautenden Spitallisten in den beiden Basel basieren auf dem Staatsvertrag betreffend Planung, Regulation und Aufsicht in der Gesundheitsversorgung, den die Bevölkerung in beiden Kantonen am 10. Februar 2019 mit grossem Mehr angenommen hat. Mit der gleichlautenden Spitalplanung und der gleichlautenden Spitalliste soll die Gesundheitsversorgung in der Region optimiert werden, sagte Thomas Weber.
Das Kostenwachstum im Gesundheitsbereich soll «deutlich» bekämpft werden und für die Steuerund die Prämienzahler tragbar sein. Die Leistungserbringung durch die Spitäler soll konzentriert und besser koordiniert werden. Eine Überversorgung, aber auch eine Unter- und Fehlversorgung sollen vermieden werden.
Es gebe Anzeichen für eine angebotsgetriebene Nachfrage, bekräftigte der Baselbieter Gesundheitsdirektor. Die Überversorgung konnte erstmals quantifiziert werden. Das heisst, es gibt in den Spitälern Eingriffe, die von Patientinnen und Patienten nur nachgefragt werden, weil es sie auch gibt, und nicht, weil sie dringend nötig sind. Künftig sollen rund 3300 Fälle pro Jahr wegfallen, was ein Sparpotenzial von rund 34 Millionen Franken ergeben würde. Die Fallzahlen würden mit der neuen Regelung zwar weiterhin steigen – unter anderem aufgrund der Alterung der Gesellschaft – aber weitaus moderater als mit dem bisherigen Vorgehen.
«Nicht alle voll glücklich»
Die gemeinsame Spitalplanung und die Spitallisten gelten ab dem 1. Juli dieses Jahres. Alleine durch das halbe Jahr mit der neuen Regelung ist die Reduktion an Eingriffen so hoch, dass die Fallzahlen im ganzen 2021 gleich hoch sein würden wie 2018. 2024 sollen dank der neuen Spitallisten rund 5700 stationäre Fälle weniger erfolgen. 35 Spitäler und Kliniken in der Region haben sich für einen Leistungsauftrag bei den beiden Basel beworben. 31 davon wurden berücksichtigt. «Wir sind uns bewusst, dass nicht alle Spitäler mit ihrem Leistungsauftrag voll glücklich sind», sagte Lukas Engelberger. Die Spitäler, die einen oder mehrere Leistungsaufträge erhalten haben, werden auch kontrolliert, falls sie die vorgegebenen Zahlen an Eingriffen überschreiten. Nach einer eingeforderten Erklärung kann es dazu kommen, dass fachlich überprüft wird, ob die Eingriffe wirklich medizinisch nötig waren.
In der neuen Spitalliste ist vorerst nur die Akutsomatik geregelt. Reha und Psychiatrie werden ab 2024 neu aufgegleist, die ambulante Versorgung sukzessive in den kommenden Jahren. Von der externen siebenköpfigen Fachkommission, welche die Erarbeitung der Spitalliste begleitet hat, gab es viel Lob. Die von Weber und Engelberger formulierten Ziele könnten damit erreicht werden, betonte Kommissionspräsident Peter Berchtold. Der Anteil der privaten Spitäler werde dadurch wohl moderat abnehmen.