Kleine Mieten, grosse Solidarität
15.05.2021 Bezirk Sissach, Energie/Umwelt, Gemeinden, Gesellschaft, SissachWohnbaugenossenschaft Kordia braucht Mitglieder und Geld
Ohne gross Werbung zu machen hat die Genossenschaft Kordia, die eine Überbauung mit 70 Wohnungen plant, bereits 60 Mitglieder und 400 000 Franken beisammen. Insgesamt muss sie 6 Millionen Franken Eigenmittel und Darlehen ...
Wohnbaugenossenschaft Kordia braucht Mitglieder und Geld
Ohne gross Werbung zu machen hat die Genossenschaft Kordia, die eine Überbauung mit 70 Wohnungen plant, bereits 60 Mitglieder und 400 000 Franken beisammen. Insgesamt muss sie 6 Millionen Franken Eigenmittel und Darlehen beschaffen.
Christian Horisberger
11 000 Quadratmeter Fläche, Raum für 200 Bewohnerinnen und Bewohner, viel Gemeinschaft und Öko und ein Investitionsvolumen von rund 30 Millionen Franken. Das ist die Wohnbaugenossenschaft Kordia, benannt nach der Kirschensorte mit der an ein Herz erinnernden Form. Viel Herz und Miteinander – diese Werte geniessen bei der Entwicklung des genossenschaftlichen Wohnbaus bei der Allmend in Sissach hohe, wenn nicht höchste Priorität, sagt Nicole Korell von der Kommunikationsgruppe der Genossenschaft. Die gemeinsame Entwicklung des Projekts, die Realisierung und ganz besonders das Miteinander der Mieterinnen und Mieter innerhalb der Siedlung machen das fürs ländliche Sissach einzigartige Projekt aus.
Im Oktober hat die Genossenschaft den Baurechtsvertrag für das Areal mit dem Kanton als Eigentümer abgeschlossen (die «Volksstimme» berichtete). In der Zwischenzeit hat die Genossenschaft eine Geschäftsstelle eingerichtet, die von Pascal Benninger geführt wird. Zudem haben die Vorstandsmitglieder spezifische Kurse für den Aufbau solcher Projekte absolviert und etliche bereits bestehende Wohnbaugenossenschaften in anderen Kantonen unter die Lupe genommen: «Wir sind eine lernende Organisation», sagt Präsident Peter Erbacher (69). Zudem wurden Arbeitsgruppen zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben gebildet: Finanzen, Leitbild, Personal, Kommunikation, Bau. Auf eine professionelle Struktur lege er grossen Wert. Denn die Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die sich jetzt in der Planung der Siedlung in mehreren Arbeitsgruppen engagierten, seien zwar mit viel Herzblut und grossem Engagement bei der Sache, doch handle es sich um Amateure.
Mit weniger Platz auskommen
Für die Organisation und Begleitung eines Planungswettbewerbs holten die Genossenschafter professionelle Unterstützung an Bord; fünf Architekturbüros wurden eingeladen. Folgende Eckwerte hat der Vorstand definiert: Rund 70 Wohneinheiten mit 1½ bis 4 oder 4½ Zimmern sowie sogenannte Clusterwohnungen, die für WGs prädestiniert sind. Dazu gemeinschaftlich zu nutzende Waschküche und Lagerraum, Gemeinschaftsräume wie Veranstaltungssaal/Café, Werkstatt und Bewegungsraum. Auch Gästezimmer sollen eingeplant werden. 15 Prozent des Bauvolumens sind als Fläche für stilles Gewerbe einzuplanen. Die Wohnfläche pro Person soll rund 20 Prozent geringer sein als im Landesdurchschnitt (ausschliesslich von Schweizerinnen und Schweizern bewohnte Haushalte). Parkplätze sind gemäss regionalem Entwicklungskonzept der Gemeinde möglichst wenige zu planen, der ideale «Kordia»-Bewohner verzichtet aus ökologischen Gründen eher aufs eigene Auto, Gewerbler in der Siedlung will man aber nicht mit einem Autoverbot abschrecken.
Als Baustoff ist im Wesentlichen Holz erwünscht – idealerweise aus der Region, sagt Erbacher, der bis zu seiner Pensionierung an der Sek Sissach unterrichtete. Den Ausbaustandard ihrer Wohnungen stellen sich die Genossenschafter «gut und ökologisch sinnvoll» vor. Von Luxus, wie edlen Badezimmer-Ausstattungen oder Küchen mit allem Schnickschnack wollen sie nichts wissen. Im Gegenteil. Gemäss Erbacher beinhaltet der Studienauftrag auch Wohnungen mit einer Minimal-Ausstattung. «Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.»
Ende März präsentierten die Planer den Genossenschaftern ihre ersten Würfe. «Wir haben sehr schöne Sachen gesehen, das meiste hat unserer Idee entsprochen», freut sich Erbacher. Im August werde die Jury das Siegerprojekt küren, im September soll es öffentlich vorgestellt werden. Dann ist der Quartierplan an der Reihe, zu dem die Gemeindeversammlung ihr Okay geben muss. Nach der anschliessenden Detailplanung und dem Baubewilligungsverfahren sind der Spatenstich im Jahr 2024 und der Bezug 2026 vorgesehen. Ab Eingabe des Baugesuchs muss die Genossenschaft dem Kanton Baurechtszinsen abliefern.
Bisher nur Mundpropaganda
Eine Überbauung von dieser Grösse hat ihren Preis. «Kordia» dürfte gemäss Erbacher rund 30 Millionen Franken kosten. 2 bis 3 Millionen bringen die Genossenschafter mit dem Kauf von Anteilscheinen auf. Bis heute haben laut Erbacher mehr als 60 Genossenschafter mindestens einen Anteilschein im Wert von 1000 Franken erworben und damit insgesamt 400 000 Franken eingeschossen. Die Interessentenliste umfasse 130 Namen. «Dafür, dass wir bisher ausschliesslich Mundpropaganda gemacht haben, ist das ein sehr gutes Zwischenergebnis», sagt der Präsident. Bis Ende Jahr sollen bereits 500 000 Franken einbezahlt und private Darlehen von 200 000 Franken zugesichert sein. Um auf die bei der kreditgebenden Bank erforderlichen 20 Prozent oder 6 Millionen Franken Eigenkapital zu kommen, setzt die Genossenschaft zudem auf günstige Darlehen vom Bund zur Förderung nicht gewinnorientierter Wohnungsbaugenossenschaften.
Vermieten will «Kordia» ihre Wohnungen 20 Prozent unter den marktüblichen Preisen. Eine 3½-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern soll rund 1350 Franken pro Monat kosten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Mieterinnen und Mieter Kapital in die Genossenschaft einschiessen. Die Höhe des Betrags hängt von der Wohnungsgrösse ab. Wer nicht über das nötige Kleingeld verfügt, soll von einem Solidaritätsfonds profitieren, der von besser situierten Genossenschaftern alimentiert wird. Peter Erbacher ist davon überzeugt, dass die Solidarität zwischen den Mitgliedern der Genossenschaft spielen wird. Schliesslich ist «Kordia» die Genossenschaft mit Herz.