Spätfrost ist Dauerthema geworden
07.04.2021 Baselbiet, Energie/Umwelt, NaturChristian Horisberger
Die Wetterprognosen werden in diesen Tagen von den Obstbauern mit Spannung und Besorgnis konsultiert. Die Kirschen-, Zwetschgen- und Aprikosenbäume stehen in Blüte und die Temperaturen sinken bedrohlich tief. Je nach Lage und Blütenstand ...
Christian Horisberger
Die Wetterprognosen werden in diesen Tagen von den Obstbauern mit Spannung und Besorgnis konsultiert. Die Kirschen-, Zwetschgen- und Aprikosenbäume stehen in Blüte und die Temperaturen sinken bedrohlich tief. Je nach Lage und Blütenstand reichen 3 bis 4 Minusgrade, um den grössten Teil der Blüten zu zerstören.
Der Ramlinsburger Obstbauer Ernst Lüthi hat die Nacht vom Ostermontag auf Dienstag zum grossen Teil zwischen seinen Kirschbäumen zugebracht. Nach dem Abflauen des Windes entzündete er um 2 Uhr zwischen den Bäumen 180 Paraffinkerzen und 50 Pelletöfen und deckte Kirschbäume auf einer Fläche von einer Hektare mit Regendächern zu. Es galt, die Lufttemperatur von minus 3,5 bis 4 Grad um wenige Grade anzuheben, um das Erfrieren der Blüten zu verhindern.
Für Lüthi und viele andere Obstbauern ist das Prozedere in den vergangenen Jahren zur Routine geworden. 2017 bedeutete der Frost nahezu den Totalausfall der Ernte, 2018 wurden die Kulturen vom Spätfrost verschont und in den Folgejahren brannten die Frostkerzen wieder. Neu sind Spätfröste nicht, sagt Lüthi, «doch sie wiederholen sich rascher». Daher habe er stets reichlich Frostkerzen an Lager. «Wir sind ausgerüstet und haben ein Konzept, wo wir die Mittel schwerpunktmässig einsetzen.» Alles lasse sich nicht schützen, man müsse Prioritäten setzen. Lüthis Stein- und Kernobstbäume wachsen auf insgesamt 12 Hektaren. Immerhin: Die Apfelblüte ist noch nicht so weit, um durch den jetzigen Frost Schaden zu nehmen.
Nässe ist weiterer Risikofaktor
Regen am Montagabend hatte das Erfrierungsrisiko der Blüten verschärft: «Der Wasserfilm gefriert, die Verdunstungskälte und die Eiskristalle beschädigen das Pflanzengewebe», erklärt Franco Weibel vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. So hoffen die Obstbauern, dass die Blüten tagsüber wieder abtrocknen und weitere Niederschläge ausbleiben.
Der Frostschutz ist für die Produzenten von Stein- und Kernobst nicht nur nervenaufreibend und schlafraubend, sondern auch ein erheblicher Kostenfaktor: Für eine Frostnacht wird mit Kosten von mehr als 3000 Franken pro Hektare gerechnet. Auf den Verkaufspreis liessen sich die zusätzlichen Ausgaben nicht überwälzen, so Lüthi, ausser die Erntemenge ist derart gering, dass das knappe Angebot den Preis in die Höhe treibt.
Die durchwachten Nächte werden für Obstbauern wie Ernst Lüthi weitergehen. Für die Nacht auf heute und die auf morgen waren wiederum Temperaturen von bis zu minus 5 Grad vorhergesagt. Erst dann soll es wieder etwas wärmer werden. Welche Auswirkungen die eiskalten Nächte dieser Woche auf die Blüte haben, könne erst danach abgeschätzt werden, so der Obstbauer und Präsident des Baselbieter Obstverbands. Aufatmen können die Landwirte erst nach den Eisheiligen von Mitte Mai.
Franco Weibel vom Ebenrain spricht von einer «kritischen Situation». Eine «Alarmstufe» ausrufen brauche der Ebenrain nicht, aber man informiere natürlich über alle Möglichkeiten. Frostschutzmassnahmen seien individuelle und unternehmerische Entscheide der Landwirte. Diese wüssten, was zu tun und zu lassen sei. Manche Bauern würden alle Register ziehen, um ihre Obstbäume zu schützen, andere liessen es darauf ankommen, wenn der Aufwand/Nutzen für sie nicht stimme. Andere hätten eine Frostschutzversicherung abgeschlossen, was seit 2018 möglich ist.
Die Fröste sind das eine. Ebenfalls für die Ernteaussichten massgebend ist die Bestäubung der nur während zwei bis vier Tage offenen Blüten. Auch dafür ist das Klima dieser Woche nicht optimal. Bei Tagestemperaturen von lediglich 6 bis 7 Grad wie gestern und heute bleiben die Bienen in ihren Stöcken, sagt Weibel: «Der Prozess Blüte, Bestäubung und Befruchtung ist komplex. Wird er gestört, funktioniert es nicht.»