Erschliessung auf Vorrat
20.04.2021 Abstimmungen, Politik, BaselbietTobias Gfeller
Salina Raurica zwischen den Siedlungsgebieten von Pratteln und Augst ist heute vor allem Landwirtschaftsland, Grünfläche und Brachland. Zukünftig sollen dort Gewerbe und Wohnbauten entstehen. Vom erhofften Entwicklungsboom ist bisher aber wenig zu sehen. ...
Tobias Gfeller
Salina Raurica zwischen den Siedlungsgebieten von Pratteln und Augst ist heute vor allem Landwirtschaftsland, Grünfläche und Brachland. Zukünftig sollen dort Gewerbe und Wohnbauten entstehen. Vom erhofften Entwicklungsboom ist bisher aber wenig zu sehen. Dafür sorgen soll ab 2031 ein Tramanschluss an die Linie 14, die heute von Basel über Muttenz bis zum Bahnhof Pratteln verkehrt. Die verlängerte 14er-Strecke soll nicht nur das zukünftige Salina Raurica bedienen, sondern auch das Gewerbe- und Einkaufsgebiet Grüssen, wo sich unter anderem die Ikea befindet. Derzeit wird bereits die Kantonsstrasse verlegt, um das künftig neue Quartier Salina Raurica besser zu erschliessen. Mit einer optimierten Verkehrsanbindung sollen Investoren angelockt werden.
Anders als im Gebiet Bachgraben in Allschwil, das sich zurzeit rasant entwickelt, soll die entsprechende Verkehrsanbindung frühzeitig erfolgen. In Allschwil hinken Baselland und Basel-Stadt betreffend Strasseninfrastruktur und öffentlicher Verkehr der Arbeitsplatzentwicklung um Jahre hinterher.
Das soll sich in Salina Raurica keinesfalls wiederholen. Dieser Meinung ist auch der Baselbieter Landrat, der im vergangenen Dezember mit 63 zu 13 Stimmen gut 18 Millionen Franken zur Projektierung der Tramverlängerung und für Landerwerbe gutgeheissen hat. Neben dem Grossteil der SVP-Fraktion stimmten je ein Mitglied der Grünen, der SP und der FDP dagegen.
Trambrücke über Autobahn
Die Tramverlängerung habe «Leuchtturmcharakter», schrieb die Regierung in der Landratsvorlage. Für die Prattler Aktionsgruppe «aapacke» ist dem gar nicht so. Sie ergriff mit 3131 Unterschriften erfolgreich das Referendum.
Für Sprecherin Denise Stöckli, die während elf Jahren für die Grünen im Prattler Gemeinderat sass, ist die Tramverlängerung schlichtweg «ein Irrsinn». Die 200 Millionen Franken würden dafür nie reichen, weil das Trassee unter dem Bahnhof, über die Kantonsstrasse und mit einer 300 Meter langen Brücke auch über die Autobahn führen würde. «Es entstünden mehrere Kunstbauten, welche die Landschaft verschandeln würden», kritisiert Stöckli.
Das Grüssengebiet sei mit Bussen schon gut genug erschlossen. Wenn man Salina Raurica mit dem öffentlichen Verkehr wirklich erschliessen will, könne man dies geradesogut auch mit Bussen auf bestehenden Strassen und Brücken tun. Die Kollateralschäden eines Tramtrassees mit drohenden Enteignungen wiegen der Alt-Gemeinderätin zu schwer.
Ins Oberbaselbiet investieren?
Für Denise Stöckli ist der Nachweis nicht erbracht, dass für das Gebiet Salina Raurica wirklich ein Entwicklungspotenzial besteht. Zudem sei es aus umweltpolitischer Sicht wichtig, dass nicht sämtliche Landreserven verbaut würden. «Wir sind in der Arbeitsgruppe vorwiegend ältere Menschen. Uns geht es nicht um uns, uns geht es um die künftigen Generationen. Die sollen auch die Möglichkeit haben, etwas zu entwickeln.»
Die entsprechende Initiative «Salina Raurica Ost bleibt grün» der Aktionsgruppe «aapacke» wurde vom Prattler Einwohnerrat für ungültig erklärt. Die Stimmrechtsbeschwerde dagegen ist beim Baselbieter Regierungsrat noch immer hängig. Der Ärger hat sich bei Denise Stöckli angestaut. «Ich bin für den ÖV, aber dort ist er fehl am Platz.» Das Geld solle man lieber für Ausbauprojekte im Oberbaselbiet und im Laufental einsetzen.
Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) geht im Gegensatz zu Denise Stöckli davon aus, dass sich Salina Raurica schnell entwickeln und eine verbesserte ÖV-Anbindung bis 2031 einem Bedürfnis entsprechen wird. Bis zu 6000 Fahrgäste könnten das Tram pro Tag und Richtung benutzen, glaubt die BUD und vergleicht die Verbindung mit der Tramlinie 11 nach Reinach.
Das Tram habe aufgrund der deutlich höheren Kapazität und der höheren Zuverlässigkeit Vorteile im Vergleich zu einem Busbetrieb, betont BUD-Sprecherin Andrea Bürki. «Dank der Möglichkeit der direkteren Linienführung vom Bahnhof Pratteln ins Gebiet Salina Raurica besteht auch ein deutlicher Zeitgewinn gegenüber einer Busverbindung.» Nur die Brücke über die Autobahn werde ein exponiertes Bauwerk, beschwichtigt Bürki. Das Tramtrassee verlaufe hauptsächlich in schon bestehenden Strassenachsen.
Viel Prominenz in Ja-Komitee
vs. Zur Unterstützung der Tramverlängerung hat sich ein überparteiliches Komitee gebildet. Im Co-Präsidium sind neben den beiden Gemeindevorstehern Stephan Burgunder (Pratteln) und Andreas Blank (Augst) auch Ständerätin Maya Graf, Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sowie die Landräte Miriam Locher, Béatrix von Sury d’Aspremont, Stephan Ackermann, Urs Kaufmann und Andi Trüssel vertreten.
Auch BLT-Direktor Andreas Büttiker und Stephan Appenzeller, Präsident der IG ÖV, unterstützen das Infrastrukturprojekt.