Die Kleinen nicht hängen lassen
22.04.2021 Bezirk Sissach, Wenslingen, Gastronomie«Dorfbeizli»-Eigentümerin verlangt mehr Gerechtigkeit
Das Wenslinger «Dorfbeizli» kämpft wegen der Corona-Pandemie ums Überleben. Kommt nicht bald finanzielle Unterstützung von Bund und Kanton, fassen die Eigentümer, Elsbeth und Philipp Schmutz, den Umbau der Beiz zu Wohnraum ins ...
«Dorfbeizli»-Eigentümerin verlangt mehr Gerechtigkeit
Das Wenslinger «Dorfbeizli» kämpft wegen der Corona-Pandemie ums Überleben. Kommt nicht bald finanzielle Unterstützung von Bund und Kanton, fassen die Eigentümer, Elsbeth und Philipp Schmutz, den Umbau der Beiz zu Wohnraum ins Auge.
Otto Graf
Wie viele andere Gastwirtschaftsbetriebe leidet auch das «Dorfbeizli» in Wenslingen unter den Massnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Ändert sich in absehbarer Zeit nichts Grundlegendes und fliessen keine Unterstützungsgelder, erwägt das Eigentümerehepaar Elsbeth und Philipp Schmutz, das ehemalige Bauernhaus, das sie vor über 20 Jahren kauften und in eine Gastwirtschaft umbauten, in ein reines Wohnhaus umzuwandeln.
Dabei begann die Geschichte höchst erfreulich. Elsbeth oder «Bethli» Schmutz wirtete bis 2018 selber und erfolgreich auf dem «Dorfbeizli» und zog sich dann, eben ins Pensionsalter gekommen, aus dem Betrieb zurück. Wenig Glück hatte sie mit zwei Pächtern, die nicht gewusst hätten, wie man eine Dorfbeiz führt, so Bethli. Im April 2020 schloss sie mit Lirigzon Syla einen Pachtvertrag ab. Einen Monat später öffneten die zuvor coronabedingt geschlossenen Beizen wieder. Alles schien sich zum Guten zu wenden. Doch dann rollte die zweite Corona-Welle an. Wandergruppen, Vereine, Firmen und Private sagten bereits gebuchte Anlässe wieder ab. Zudem infizierte sich der neue Pächter, der mitten im Wirtekurs steckte, mit dem Coronavirus, worauf der Kanton das Lokal schloss und eine Quarantäne verhängte.
Um die kritische Phase zu überbrücken, führte Bethli das Restaurant vorübergehend wieder selber, notabene auf Ersuchen des Kantons. Kaum war der Pächter wieder gesund, verhängten die Behörden landesweit neue Massnahmen, die im Dezember 2020 zur Schliessung der Gastrobetriebe führten. Seither ist auch das «Dorfbeizli» verwaist.
Dreidrittelslösung funktioniert nicht
Seit Oktober vergangenen Jahres sitzen Bethli und Philipp Schmutz, abgesehen von ihrer Altersrente, finanziell auf dem Trockenen. Die Pachtzinseinnahmen aus dem Restaurant sind total weggebrochen, obwohl nach wie vor ein gültiger Vertrag besteht. Der Pächter erhält gemäss Schmutz von der Gastro-Ausgleichskasse Beiträge, mit denen er zumindest die Wohnungsmiete und seine Krankenversicherungsprämien bezahlen sowie einen Teil der Lebensunterhaltskosten bestreiten kann.
Ein im Januar dieses Jahres gestelltes Gesuch von Elsbeth Schmutz um Unterstützung im Sinne der sogenannten Dreidrittelslösung lehnten die Behörden mit der Begründung ab, der Pachtzins müsse mindestens 7500 Franken pro Monat betragen, was beim «Dorfbeizli» bei Weitem nicht der Fall ist. «Es kann doch nicht sein, dass man die Kleinen einfach hängen lässt», klagt sie über die Vergabepraxis der Unterstützungsgelder. Vor dem Gesetz seien doch alle gleich. Dabei, gibt sie zu bedenken, habe eine Dorfbeiz eine bedeutende soziale Funktion als Ort der Begegnung von Leuten, die den Kontakt mit anderen Personen und das Gesellige suchten.
Nur den Aussenbereich einer Gaststätte zu öffnen, sei keine gute Lösung und berge ein erhebliches finanzielles Risiko. «Regnet es, sitzt niemand draussen, und wir bleiben auf den verderblichen Waren sitzen.» Mit der Regelung, dass höchstens vier Personen an einem Tisch sitzen dürfen, und den anderen Massnahmen könnten die Vorschriften auch in der Gaststube eingehalten werden. Das habe im vergangenen Jahr gut funktioniert.
Im März dieses Jahres erneuerte Elsbeth Schmutz das Gesuch um einen Beitrag aus dem Härtefallfonds und schrieb ausserdem den Baselbieter Regierungsrat sowie den Bundesrat an. Die Antworten stehen noch aus. Die Wirtin hofft, dass die Verantwortlichen den Ernst der Lage erkennen und sich die Politiker bewusst sind, dass sie gegenüber dem Volk eine Verantwortung tragen. Der jüngste Entscheid des Bundesrats, den Aussenbereich der Beizen freizugeben, sagt sie, sei wohl ein Schritt in die richtige Richtung, führe die Lokale jedoch nicht aus der Talsohle. Aufgeben wollen Elsbeth und Philipp Schmutz nicht, trotz aller Widerwärtigkeiten. Sie sind zuversichtlich, dass die Pandemie ihren Schrecken verliert und dass sie ihre Gäste bald wieder drinnen bedienen können.