«Ab jetzt kann es schnell gehen»
01.04.2021 Baselbiet, Gesundheit, GesellschaftDavid Thommen
Daniel Grola (43) empfängt uns im Amt für Militär und Bevölkerungsschutz im Liestaler Oristal, das gleichzeitig das Hauptquartier des Kantonalen Krisenstabs ist. Grola ist Stabschef im Kantonalen Krisenstab und als solcher zuständig dafür, dass ...
David Thommen
Daniel Grola (43) empfängt uns im Amt für Militär und Bevölkerungsschutz im Liestaler Oristal, das gleichzeitig das Hauptquartier des Kantonalen Krisenstabs ist. Grola ist Stabschef im Kantonalen Krisenstab und als solcher zuständig dafür, dass die Ende Dezember 2020 fast schon überstürzt angelaufene Covid-19-Massenimpfung im Baselbiet so reibungslos wie möglich über die Bühne geht.
Grola: «Wir arbeiten heute noch mit angezogener Handbremse.» Dies, weil der Bund angesichts des weltweiten Mangels bislang nur wenig Impfstoff an die Kantone liefern konnte. Bis Mitte März waren es lediglich knapp 1000 Dosen, die im Baselbiet täglich verimpft wurden. Mittlerweile hat sich diese Zahl immerhin verdoppelt, doch die Nachfrage ist um ein Vielfaches höher: Gleich 85 000 Personen haben sich im Kanton bis heute auf die Warteliste setzen lassen und erst 30 000 davon sind geimpft oder haben zumindest einen Termin dafür. 55 000 der registrierten Baselbieterinnen und Baselbieter warten noch auf beides.
Täglich 6000 Personen
Allzu lange gedulden müssen sie sich vermutlich nicht mehr, wie Grola sagt: «Ab jetzt kann es schnell gehen.» Der Bund habe angekündigt, dass die Impfstoff-Lieferung bereits ab April deutlich gesteigert werden könne und vor allem im Mai und Juni die Schleusen weit offen seien: Bis zu 100 000 Dosen sollen dann monatlich im Baselbiet eintreffen – wenigstens, solange nicht noch gravierende Lieferprobleme auftreten. Ziel ist es, täglich rund 6000 Personen impfen zu können, denn darauf ist die Kapazität in den drei Impfzentren Muttenz, Lausen und bald auch Laufen sowie mit den mobilen Teams ausgerichtet. Die Warteliste könnte demnach unter Volllast innerhalb von nur rund zehn Tagen abgearbeitet sein. «Es dürfen sich also gerne noch viele weitere Personen registrieren», sagt Grola und bestätigt den Fahrplan, den Gesundheitsminister Alain Berset kürzlich bekannt gemacht hat: «Ende Juni oder im Juli sollten alle Impfwilligen mindestens eine Dosis erhalten haben.»
Sechs Wochen dauert es nach der ersten Spritze, bis der volle Impfschutz aufgebaut ist. Die Pandemie-Lage dürfte sich hierzulande demnach im Sommer also entspannen. Trotz der derzeit noch steigenden Ansteckungszahlen ist dies ein Stück weit bereits jetzt eingetroffen: «Ansteckungen und Hospitalisationen von Menschen über 70 Jahren sind stark zurückgegangen», so Grola. Die Strategie des Baselbiets, zuerst Bewohner von Altersheimen zu impfen, habe sich als richtig erwiesen: «Wir registrieren in den Heimen keine grösseren Ausbrüche mehr. Und es gibt kaum noch Todesfälle.» 2200 Altersheimbewohnerinnen und -bewohner sind mittlerweile geimpft, die Impfquote innerhalb dieser Gruppe liegt bei rund 85 Prozent – und steigt weiter: «Viele haben in der Zwischenzeit ihre Impfskepsis abgelegt und melden sich mit etwas Verzögerung doch noch an.»
Prioritär geimpft werden heute im Baselbiet nach wie vor Personen, die älter als 75 Jahre sind, dazu Patienten, die aufgrund von schweren Vorerkrankungen stark gefährdet sind und ebenfalls das Gesundheitspersonal, das mit gefährdeten Patienten zu tun hat. «Bei den über 75-Jährigen haben bereits 74 Prozent mindestens eine Impfung erhalten. Mit den schon vereinbarten Terminen steuern wir auf die 80 Prozent zu», sagt Roman Häring, der Sprecher des Kantonalen Krisenstabs.
Ebenfalls bereits angelaufen ist die Phase, bei der Personen der Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren an die Reihe kommen. Hier ist man noch deutlich weniger weit: Erst 16 Prozent dieser Gruppe haben mindestens eine Impfung erhalten. Es dürften sich dabei vorwiegend um Personen mit chronischen Krankheiten und daher mit höchstem Risiko handeln.
Diskussionen um Astra Zeneca
Sind die ältesten Baselbieterinnen und Baselbieter sowie die Personen mit Vorerkrankungen, das Gesundheitspersonal und weitere Gruppen mit engen Kontakten zu besonders gefährdeten Personen durchgeimpft, gibt es keine spezielle Priorisierung mehr: Zur Impfung aufgeboten wird man in der Reihenfolge des Anmeldedatums. Verimpft werden vorderhand die Vakzine von Pfizer/Biontech (bisher rund 30 000 Dosen) und Moderna (bisher rund 25 000 Dosen), das Produkt von Astra Zeneca, das in anderen Ländern wegen seltener schwerer Nebenwirkungen vor allem bei Frauen unter 55 Jahren umstritten ist, wartet in der Schweiz noch auf die Zulassung. Immerhin 170 000 Dosen sind für das Baselbiet reserviert; hier dürfte das letzte Wort angesichts der momentan heftigen Diskussionen in Deutschland noch nicht gesprochen sein. Ab Juli werden laut Prognosen auch Impfstoffe von Cura Vac und Novavax zur Verfügung stehen.
Bis ins nächste Jahr sind dem Baselbiet ganze 793 000 Impfdosen zugesichert – also deutlich mehr, als bei rund 250 000 Einwohnerinnen und Einwohnern über 16 Jahren gebraucht werden. Unklar bleibt, wie gross die Impfbereitschaft insgesamt sein wird. Der Krisenstab rechnet für die erste Impfwelle mit einer Quote von «60 bis 75 Prozent». Für die sogenannte Herdenimmunität dürfte dies noch nicht ganz ausreichend sein. Ob später einmal auch Kinder geimpft werden sollen, ist im Moment offen. Es gibt Experten, die dazu raten.
Was mit dem wahrscheinlichen Impfstoff-Überschuss später einmal passieren werde, sei Sache des Bundes, sagt Daniel Grola: «Wir sind nicht verpflichtet, unser ganzes Kontingent abzurufen.» Aber es sei vorteilhaft, «auf der sicheren Seite zu sein». Immerhin könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass irgendwann auch eine dritte Dosis für einen noch besseren Schutz empfohlen werde. Eine ganz grosse Kostenfrage wird die ganze Aktion für den Kanton Baselland übrigens nicht: Der Bund stellt den Impfstoff gratis zur Verfügung und vergütet jeden Stich mit 14,50 Franken. An Baselland blieben Restkosten vermutlich im einstelligen oder knapp zweistelligen Millionenbereich hängen, sagt Grola.
Weiterhin in Zentren
Geimpft wird auf absehbare Zeit hinaus wie bisher in den Zentren und von mobilen Teams. Bis im Baselbiet systematisch Hausärzte und Apotheken einbezogen werden, werde es noch etwas dauern. Die Logistik mit den Impfstoffen, die bei bis zu -75 Grad gelagert werden müssen, sei zu kompliziert, um gleich einige Dutzend Behandler bedienen zu können. Komme hinzu, dass in absehbarer Zeit vier oder fünf verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stehen werden – alle bis auf Weiteres nicht in Einwegspritzen, sondern in Fläschchen mit mehreren Portionen. Bei den kurzen Verfalldaten nach dem ersten Auftauen sei das kaum zu «managen».
Eine Herausforderung sei es überdies, dass die Datenerfassung strikte einheitlich erfolgen müsse, damit die Angaben später problemlos für den angestrebten elektronischen Impfpass des Bundes verwendet werden könnten. Auch von Impfungen in Firmen sieht der Krisenstab derzeit noch ab: «Das wird zu unübersichtlich. Wir nehmen aktuell Notimpfungen vor», sagt Grola. Voraussichtlich erst, nachdem die erste grosse Impfwelle vorbei sei, könne man wieder auf die gewohnten Strukturen des Gesundheitswesens zurückgreifen und die Impfzentren abbauen. Ein Pilotversuch mit Impfungen läuft bereits in fünf Baselbieter Arztpraxen.
Alle aktuelle Zahlen zu Ansteckungen, Tests und Impfungen sind unter www.bl.ch/corona in der Rubrik Covid-19-Statistik zu finden.