Gefangen im Südseemannsgarn
25.03.2021 Bildung, Sissach, Ratgeber, NaturJürg Gohl
Hanspeter Gsell hat es schon wieder getan. Der 70-jährige Sissacher schreibt für die «Volksstimme» Kolumnen und verfasst für Fachzeitschriften Reportagen zu seinen Spezialgebieten Essen und Reisen, die teilweise auch in der «Volksstimme» erscheinen, und ...
Jürg Gohl
Hanspeter Gsell hat es schon wieder getan. Der 70-jährige Sissacher schreibt für die «Volksstimme» Kolumnen und verfasst für Fachzeitschriften Reportagen zu seinen Spezialgebieten Essen und Reisen, die teilweise auch in der «Volksstimme» erscheinen, und hin und wieder ein Buch.
Nachdem sich Gsell in seinem letzten Werk «Niente problemi» mit Italien und seinen Moden und Maröttchen befasst hat, spielt sein inzwischen fünftes Werk im gegenüberliegenden Teil der Erdkugel im Inselreich von Polynesien, Mikronesien und Melanesien. Das Taschenbuch trägt den Titel «Immer wieder Südsee» und ist mit seinen 350 Seiten auch Gsells umfassendstes Werk. Auf der Umschlagsseite, die im Haus der Schaub Medien in Sissach entstanden ist, wird das Buch herkömmlich als Reiseführer bezeichnet. Auf den ersten Blick zumindest. Wer aber genau hinschaut, liest «Reiseverführer». Das ist der erste und längst nicht der letzte Scherz, den sich der Autor in diesem Buch erlaubt. Die Kapitel sollen in erster Linie zum Schmunzeln anregen, verrät er seinen Vorsatz, «ein Lacher pro Seite wäre ideal».
Lesevergnügen statt Höhenmeter
Um einen Reiseführer im herkömmlichen Sinn handelt es sich nicht. Im Gegenteil: Wer Jahreszahlen, Marschminuten und andere Fakten samt Schwelgereien nachlesen will, ist mit einem klassischen Polyglott-Guide weit besser bedient. Konsequenterweise wird im Buch auch auf Bebilderungen verzichtet, mögen die Insel, das Riff und das Atoll noch so toll sein. Denn das Buch will nicht primär Reisegelüste wachküssen, sondern unterhalten.
Wie in seinem letzten Buch über Italien handelt es sich – ganz abgesehen von allem Informativen – in erster Linie um eine Liebeserklärung. Dieses Mal gilt sie aber nicht dem südlichen Nachbarn, sondern der Südsee mit ihrer unüberschaubaren Zahl an kleineren und grösseren Inseln und Kleinststaaten. Fünf Mal hat er diese Weltgegend, die im Süden durch Neuseeland begrenzt ist, bereist und seine Erlebnisse, entsprechend in fünf Teile gegliedert, zusammengefügt.
Die insgesamt 84 Kapitel dürften den «Volksstimme»-Lesern inhaltlich teilweise vertraut vorkommen – und von der Tonalität her erst recht. Die meisten von ihnen tragen eine Insel oder Stadt im Namen, bekanntere und unbekanntere von Santo Domingo, Manila und Tahiti bis Chuuk, Ngulu und Rapa Iti. Und Auckland, der mit Abstand grössten Stadt, die er ansteuert, widmet er nicht einmal ganze zwei Seiten.
Alle Register des Humors
Gsell kennt (und zieht) alle Register des humorvollen Schreibens. Schildert Gsell zum Beispiel, wie die erste Reisegruppe auf der Insel Pohnpei mit einem Getränk namens Sakau empfangen wird, verzichtet er auf jegliche Unschuld, Schlichtheit und Blumenromantik, mit denen einst Maler Gaugin dem Westen diese Gegend schmackhaft machen wollte: Erst erklärt er, wie das Gebräu hergestellt wird und ergänzt, dass es optisch an einen Kuhfladen erinnert, «nach einem belebten Biberbau» rieche und nach beidem schmecke. Es sind vor allem Gsells Humor, sein Wortwitz und viel Skurriles, die uns von Insel zu Insel schippern, im Schnellzugstempo quasi. Und das eine oder andere Inselvolk entpuppt sich als weit schlitzohriger, als wir Westler das erwarten würden.
Natürlich streut er immer wieder Wissenswertes ein und erzählt Historisches. Doch dabei gibt er nicht einfach Angelesenes weiter, sondern erzählt lieber, was ihm die Einheimischen teilweise mit sehr viel Fantasie berichten. Das beginnt bereits mit der Geschichte über das skandinavische Schiff S.S. Thorfinn, auf dem er zu Gast ist und das vom kurligen Captain Lance Higgs und einem Hippie namens Schiller gesteuert wird.
Der Walfänger soll einst in nordischen Gewässern die Wale magisch angezogen haben, ehe es zu einem Hotelschiff für Taucher umgebaut wird und durch die Südsee tuckert. Und schon zappelt der Leser hilflos im Seemannsgarn. Soll er das alles glauben, was er zum Lesen vorgesetzt erhält? Offenbar sind auf See auch die Grenzen zwischen Fakten und Fiktionen ziemlich fliessend.
Hanspeter Gsell: «Immer wieder Südsee». 350 Seiten. Verlag Books on Demand.
Die «Volksstimme» startet heute eine fiktive «Reise in die Vergangenheit» aus der Feder von Hanspeter Gsell. Auch da geht es um die Karibik. Im ersten Teil (auf der gegenüberliegenden Seite) «besucht» der
Autor Les Saintes.
Ehre für Gsell
jg. Yap ist nicht nur die Hauptinsel einer Inselgruppe im Westpazifik, sondern auch der Ausgangspunkt der ersten der fünf Reisen von Hanspeter Gsell durch die Südsee vor nunmehr 30 Jahren. Nun ist für ihn noch eine dritte Bedeutung hinzugekommen: Die gesetzgebende Versammlung von Yap ernannte den Sissacher diesen Monat zum Mitglied des Board of Directors des Yap Visitors Bureau (YVB), was sich am ehesten mit Vorstandsmitglied übersetzen lässt.