«Das Dorf tickt gut»
11.03.2021 Bezirk Waldenburg, Porträt, Gemeinden, HölsteinGemeindeverwalter Fritz Kammermann geht in Pension
Sein ganzes Berufsleben hat er der Gemeindearbeit verschrieben. Für die «Volksstimme» zieht Gemeindeverwalter Fritz Kammermann Bilanz aus seinen 13 Jahren Tätigkeit in Hölstein.
Elmar Gächter
«Dass aus ...
Gemeindeverwalter Fritz Kammermann geht in Pension
Sein ganzes Berufsleben hat er der Gemeindearbeit verschrieben. Für die «Volksstimme» zieht Gemeindeverwalter Fritz Kammermann Bilanz aus seinen 13 Jahren Tätigkeit in Hölstein.
Elmar Gächter
«Dass aus Beruf Berufung wird»: Fritz Kammermann erinnert sich an den Titel jener Ansprache, die der Redner zur Feier seiner Abschlussprüfung im Jahr 1975 gehalten hat, als ob es gestern gewesen wäre. «Ich denke, dass dies bei mir genau so passiert ist», blickt er heute, mehr als 45 Jahre später, zurück.
Sein ganzes berufliches Wirken hat er dem öffentlichen Dienst gewidmet, angefangen mit seiner Verwaltungslehre im aargauischen Turgi bis zum jetzigen Abschluss seiner Tätigkeit als Gemeindeverwalter von Hölstein. Jahre, die er nicht missen möchte, auch wenn längst nicht die ganze Zeit von Eintracht oder Harmonie beherrscht war.
Beinahe drei Jahrzehnte lang leitete Fritz Kammermann die verwaltungsmässigen Geschicke von Kaiseraugst, einer Gemeinde, die in dieser Zeitspanne ihre Einwohnerzahl verdoppelt hat. Er spricht von den grossen Projekten und Themen wie dem Atomkraftwerk, von der Liebrüti, von Industrie- und Verkehrsbauten, die ihn als Leiter der Gemeindeverwaltung stark gefordert haben, aber auch mit Stolz erfüllten.
In Hölstein ohne Krawatte
Ein persönlicher Schritt lenkte sowohl das Familienleben als auch die berufliche Tätigkeit Kammermanns in eine andere Richtung: Das Eingehen einer Partnerschaft mit einem Mann führte zum schmerzvollen Verlassen der Familie und nach einiger Zeit zu persönlichen Dissonanzen am Arbeitsplatz. Kammermann spricht offen über sein Outing und nennt die Situation, die er damit erlebt hat, ein persönliches Waterloo. «Nach meinem Weggang aus Kaiseraugst hatte ich eigentlich den Entscheid getroffen, nie mehr in einer Gemeindeverwaltung zu arbeiten.» Doch es sollte anders kommen.
Gerne erinnert er sich an den ersten Arbeitstag als Verwalter in Hölstein, an dem er abends gleich die erste Gemeinderatssitzung erlebte. «Es war ein toller Einstieg, der mir nach meinen negativen Erlebnissen gutgetan hat. Die ersten vier Jahre mit der damaligen Gemeindepräsidentin Anita Schweizer waren für mich sehr positive und prägende Jahre», hält Kammermann fest. Viele der Tätigkeiten waren ihm von Kaiseraugst her vertraut, mentalitätsmässig hingegen gab es schon Unterschiede. «Der erste symbolische Akt am neuen Arbeitsort war, die Krawatte abzulegen», erzählt er mit Schmunzeln und erwähnt zudem, dass man hier mit dem Du viel lockerer umgehe als an seiner früherer Stelle.
Fritz Kammermann spricht von einer sehr guten Zeit in Hölstein. «Ich habe vier verschiedene Gemeindepräsidien erlebt und viele Gemeinderatswechsel, aber auch in unterschiedlichster Zusammensetzung lief die Zusammenarbeit praktisch immer harmonisch.» Selbstverständlich habe es auch heisse Diskussionen gegeben und gegenteilige Haltungen, wo man sich habe zusammenraufen müssen. «Aber nach aussen kam, so bin ich überzeugt, stets eine Einheitsmeinung hinüber, die sicher auch dazu beigetragen hat, dass dem Gemeinderat in der Öffentlichkeit der Ruf eines gut funktionierenden Gremiums vorausgeht.»
Aufgeschlossene Einwohner
Sorge macht dem abtretenden Gemeindeverwalter, dass der Umgangston und die Anspruchshaltung von gewissen Kreisen gegenüber der Behörde und der Verwaltung «rustikaler» geworden sind, wie es Kammermann formuliert. Er nennt als Beispiel die letzte Einwohnergemeindeversammlung, als nicht weniger als 75mal das Mikrofon verlangt worden sei und sich viele kritische Haltungen manifestiert hätten. «Dies war in meiner Berufskarriere einzigartig und ich habe manche Gemeindeversammlungen erlebt, die sehr stark frequentiert waren», sagt Kammermann. Es sei vor allem der Ton, der sich geändert habe. Selbstverständlich seien diese Anlässe dazu da, Fragen zu stellen und Vorschläge zu machen. «Aber auch in der Gemeindepolitik wird, so nehme ich es wahr, wie auf der Weltbühne vermehrt auf die Person und nicht mehr auf die Sache gespielt.» Das bedauert Kammermann. Auch wenn es nur ein kleiner Teil der Teilnehmenden sei, der sich so verhalte, trage dies dazu bei, dass es immer schwieriger werde, geeignete Leute zur Mitarbeit in der Behörde zu motivieren. Generell bezeichnet Fritz Kammermann die Hölsteinerinnen und Hölsteiner als aufgeschlossen und modern. «Das Dorf tickt gut», resümiert er nach 13 Jahren Dienst in der Öffentlichkeit. Vieles, was der Gemeinderat lanciert habe, sei geschätzt worden. Zu seinen persönlichen Glanzlichtern zählt er die Publikumsanlässe wie den alljährlichen Neujahrsapéro oder die kulturellen Anlässe mit den zwei Konzerten, organisiert von Gemeinderat und Verwaltung. Stolz ist Kammermann vor allem auch darauf, dass er die Wahrnehmung der Gemeinde von aussen durch eine schnelle und effiziente Kommunikation und Information sowie durch ein modernes Erscheinungsbild nachhaltig verbessern konnte.
Auf die Zukunft der Gemeinde angesprochen, meint er: «Hölstein wird in meinen Augen eine attraktive Wohngemeinde bleiben oder aufgrund des Drucks auf den Wohnungsmarkt im Ergolztal erst recht noch werden. Ich hoffe auch auf neuen kulturellen Schwung durch die Initiative von Privaten und dass das gute Gemeinschaftsgefühl in der Gemeinde erhalten bleibt.»
Uraargauer und Herz-Baselbieter
Ganz persönlich wird Kammermann, der in Lausen wohnt, Hölstein in sehr guter Erinnerung behalten. «Ich darf es fast nicht sagen, aber ich bin als Uraargauer fast ein Herz-Baselbieter geworden, auch wenn ich noch nicht alle Strophen des Baselbieterliedes auswendig kann.»
Schon bald in seinem neuen Lebensabschnitt angekommen, freut er sich vor allem auf viele weitere Reisen in ferne Länder und Kulturen. Besonders angetan haben es ihm Fernwanderungen.
So ist eines seiner Ziele, die rund 3500 Kilometer zwischen der Nordspitze Schottlands bis zum Absatz von Apulien auf der Via Francigena auf Schusters Rappen zu absolvieren. Zudem möchte er seine Affinität zur europäischen Geschichte an der Freizeit-Uni ausleben, mehr Zeit für sich, sein Zuhause, seine Familie und Freunde reservieren, auch vermehrt seine weiteren Hobbys wie Kochen und Wein pflegen und möglichst viel sportlich unterwegs sein.
Zur Person
emg. Fritz Kammermann ist 64 Jahre alt, wohnhaft in Lausen. Er hat vier Kinder und zwei Grosskinder und lebt in einer langjährigen zweiten Partnerschaft. Er absolvierte eine kaufmännische Grundausbildung, erwarb das Zertifikat zum Gemeindeschreiber und bildete sich laufend beruflich und persönlich weiter. Seine beruflichen Erfahrungen gab er als Präsident eines Berufsverbandes weiter, war Referent in der Erwachsenenbildung und massgeblich am Aufbau eines Ausbildungslehrgangs beteiligt. Wichtig war ihm auch stets die Ausbildung von Lernenden. Von 1978 bis 2007 übte er das Amt des Gemeindeschreibers von Kaiseraugst aus und leitet seit 2008 bis Ende März 2021 die Gemeindeverwaltung in Hölstein.