Volle Dosis Gift in der Spritze
23.02.2021 Baselbiet, Fasnacht«Banggbrinzler» Giftspritzi singt auf «Telebasel»
D Giftspritzi, der Basler Schnitzelbänkler mit Oberbaselbieter Wurzeln, lässt sich von Corona nicht daran hindern, mit seinen Versen ganz normal anzutreten, auch wenn ihm das Live-Publikum fehlt und er auf andere Kanäle ausweichen ...
«Banggbrinzler» Giftspritzi singt auf «Telebasel»
D Giftspritzi, der Basler Schnitzelbänkler mit Oberbaselbieter Wurzeln, lässt sich von Corona nicht daran hindern, mit seinen Versen ganz normal anzutreten, auch wenn ihm das Live-Publikum fehlt und er auf andere Kanäle ausweichen muss.
Neofütt
Schade, ist die Fasnacht abgesagt. Das gilt nicht nur fürs Oberbaselbiet, sondern noch spezieller für Basel. Denn mit dem coronakonformen Auftritt verschiedener Schnitzelbank-Formationen beim Ortsfunk Telebasel, den der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger erst kategorisch untersagte, um ihn nach einem Stürmchen im Mehlsuppenteller anderntags wieder zu erlauben, bescherte sich die heilige Basler Fasnacht gleich selber ein starkes Sujet.
Engelbergers Wankelmut hätte die «Zeedel-Poeten» und die «Bänggbrinzler» zu Höhenflügen verleitet und einen Haufen herzhafter «Hohos» und «Hahas» garantiert. Die Basler Regierung fühlte sich zusätzlich unter Druck gesetzt, weil ausgerechnet das hinterwäldlerische Baselbiet und ein Regierungskollege aus Buus dem Basler Barden für ihre Auftritte notfalls ein Kurzasyl gewähren wollten. Das fühlt sich für die Bebbi an wie eine 2:6-Klatsche seines FCB gegen einen Unterklassigen.
Mit angezogener Handbremse dürfen wenigstens die Bänkler nun auftreten. Gestern Abend war es erstmals so weit. An den «scheenschte drey Färnseh-Dääg» zeigte «Telebasel» erstmals die Retorten-Schnitzelbängg aus seinem Studio. Dort wurden ausgewählte Formationen solo und sogar von einer ferngesteuerten Kamera aufgezeichnet. Zu ihnen zählt auch die Giftspritzi. Äusserlich steht ein schusseliger Basler Chemieprofessor in giftgrünem Kittel, mit langer, grauer Mähne und natürlich einer Schutzmaske vor seinem Lästermaul vor der Kamera. Hinter der Maske verbirgt sich aber ein inzwischen 27-jähriger Vollblutfasnächtler mit Oberbaselbieter Wurzelwerk.
Die Kreativität der Fasnacht
Der Sänger ist froh darüber, dass die Stadtregierung auf ihren ersten Entscheid zurückgekommen ist, weil es, wie er sagt, gerade in der aktuell schweren Zeit umso wichtiger sei, den Leuten eine Freude zu gönnen. Wenn die Regierung aber hart geblieben wäre? «Dann hätten wir sicher einen Plan B gehabt», antwortet er, denn «wir Fasnächtlerinnen und Fasnächtler sind kreativ».
Anzuhören ist der Giftspritzi ihre Oberbaselbieter Herkunft nicht. Während der verstorbene Stächpalme seine Basebieter Herkunft unüberhörbar erkennen liess, der rappende Bauer Heiri sein Oberbaselbieter Deutsch sogar zelebriert, befleissigt sich die Giftspritzi des Basler Daig-Dialekts, der drei Tage lang als Basler Standardsprache gilt, dann aber 362 Tage lang abtaucht.
Corona konnte den Dichter als Ganzjahres-Fasnächtler nicht davon abhalten, auch für diese Fasnacht Verse zu «brünzeln». Er durfte sie zwar nur an einem Online-Anlass in Allschwil vom vergangenen Freitag, vor der Kamera von «Telebasel» und im eigenen «Värs-Laboor» (für seine Homepage) zum Besten geben, alles ohne Publikum, dafür bereits im Kasten. Doch das hielt ihn nicht davon ab, ein ganz normales Programm auf die Beine zu stellen, um in der Chemiestadt sein Gift zu verspritzen.
Das bedeutet: Bis vergangenen November sind 30 bis 40 Verse zusammengekommen. Dann setzt er mit kritischen Freunden zum Streichkonzert an. «Nur das Beste kommt tatsächlich ins Programm», sagt er. Auch der Mix der Sujets muss stimmen. So wandern dieses Mal viele Corona-Verse direkt in den Papierkorb. Er tritt nur mit seinen giftigsten Pfeilen im Köcher vors Publikum, das dieses Jahr nur in seiner Vorstellung lebt. «Es gibt ja noch andere Themen als den FCB», sagt er, «und die Basler Regierungsratswahlen.» Zu diesem gelang ihm ein Sechszeiler:
My Frind, dr Ützgür, isch unserer Sprooch nit allzu mächtig
Drfir benutzt är Kraftussdrügg gezielt und intelligänt ganz brächtig
Bi de letschte Wahle do z‘Basel, isch ihm ain bassiert
Är het – statt Nämme – siini Mainig, uff dr Wahlzettel notiert
Mit «Ey Mann, Arschgsicht!» het är zwoor dr gueti Doon verfäählt
Aber soo ussversehe d’Steffi Eymann und dr Eric Wääber gwäählt
Seinen Spott bekommen auch die Rekrutenschule im Homeoffice oder die jubilierende BVB mit Versen knapp unter der Gürtellinie ab. Der «Schnitzelbänggler» kann es sich sogar erlauben, den besten Garanten für plumpe Lacher rechts liegen zu lassen, den zum Leidwesen der Bänkedrechsler abgewählten Trump.
Bei «Telebasel» werden zwar noch Lacher und Klatscher eingespielt und so ihm und dem Publikum wenigstens Fasnachts-Atmosphäre vorgegaukelt. Das Live-Erlebnis ersetzt ihm das aber nie. «Ich versuche, einfach das Beste daraus zu machen», sagt er und trägt seinen diesjährigen Schlussvers vor:
Y ha grad noone Mail bykhoo
Tschüssikovsky, y muess jetzt goo
Si hänn mi buecht, die uss em Kreemel
Als Lohn stelle sy mi z’Moskau uff e Scheemel
Die wänn drum hit no, ohni Zyt z‘verliere
Em Nawalny d‘Giftspritzi präsentiere