Windstrom vom eigenen Dach
17.11.2020 Bezirk Sissach, Energie/Umwelt, GelterkindenHeinz Zbinden wagt ein Experiment
Photovoltaik war gestern: Der Gelterkinder Heinz Zbinden lässt auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine Windturbine installieren. Aus Idealismus und Neugier.
Christian Horisberger
Vorige Woche installierte Heinz Zbinden auf ...
Heinz Zbinden wagt ein Experiment
Photovoltaik war gestern: Der Gelterkinder Heinz Zbinden lässt auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine Windturbine installieren. Aus Idealismus und Neugier.
Christian Horisberger
Vorige Woche installierte Heinz Zbinden auf dem Dach seines Hauses am Frändletenweg in Gelterkinden ein Gebilde aus Vierkant-Latten, dessen Bedeutung sich dem Betrachter nicht auf Anhieb erschloss. Wie auch? Was der pensionierte Chemiker plant, gibt es im ganzen Land noch nicht: Zbinden will eine Windturbine zur Erzeugung von sauberem Strom aufs Dach montieren lassen. Bei der Lattenkonstruktion handelt es sich ums Bauprofil für die Anlage. Das Baugesuch wurde vergangene Woche publiziert, nun wartet der Hausbesitzer ab, was das Bauinspektorat und die Nachbarn dazu meinen. Ihnen allen habe er neben den Bauplänen auch Angaben des Herstellers zu den Lärmimmissionen des Stromgenerators geliefert. Die Turbine sei laut dem Produzenten äusserst geräuscharm, sagt Zbinden. Gemäss Firmenprospekt ist die Anlage zudem tierfreundlich, sie werfe kaum Schatten und die Gefahr fliegender Eisstücke von den Rotorblättern bestehe nicht.
Mit einem gängigen Windkraftwerk im Grossformat hat die Klein-Anlage «Blueone» auch optisch keine Ähnlichkeit: Es handelt sich um einen zylinderförmigen Windkanal mit einem Rotor im Innern – am ehesten vergleichbar mit einem Flugzeug-Düsentriebwerk unter der Tragfläche. Der «Tunnel» ist 1,85 Meter lang und hat einen Durchmesser von 1,65 Metern. Die Stromausbeute beträgt gemäss Hersteller bei sehr guten Windverhältnissen 1 Kilowatt. Damit liessen sich 75 Prozent des Strombedarfs eines durchschnittlichen Haushalts erzeugen. Ab Windgeschwindigkeiten von 3 Metern pro Sekunde produziert das Mini-Kraftwerk Strom.
«Aus Idealismus»
Mit einer Spitzenausbeute rechnet Heinz Zbinden nicht. Sein Haus in der Nähe des Gelterkinder Schützenhauses befinde sich wohl in leicht exponierter Lage, doch «zieht» es dort nicht sonderlich, sagt er. Aber das sei für ihn von untergeordneter Bedeutung. «Ich baue die Anlage nicht wegen des Profits, sondern aus Idealismus.» Er sei experimentierfreudig, neugierig, wie und ob das «funktioniert» und vor allen Dingen um die Umwelt besorgt. Allenfalls liessen sich aufgrund der Erfahrungen mit seiner Anlage Schlüsse für weitere Wind-Kleinkraftwerke ziehen.
Denn falls die Schweiz tatsächlich ihre Atomkraftwerke abstellen sollte, wofür Zbinden das Verständnis fehlt, müsse Ersatz für die Ausfälle, vor allem im Winter, gefunden werden. Es sei die Rede von Gaskraftwerken – CO2-Schleudern –, mit denen die Stromversorgung gesichert werden soll. Ob er ein Grüner sei? Der Rentner verneint. Er sei einmal Mitglied der SP gewesen. Da sich die Partei aber konsequent gegen AKW ausspreche, sei er ausgetreten. Er ist überzeugt: «Die Kernkraftwerke in der Schweiz sind sicher.» Und das Problem mit der Entsorgung des Abfalls sei lösbar, müsse lösbar sein, da wir ja bereits Atommüll hätten.
Auf den Windstrom vom Hausdach kam der frühere Analyst in der Basler Pharmaforschung durch einen Beitrag in der Zeitung «Finanz und Wirtschaft». Seine Neugier war geweckt, und er nahm mit der Firma Kontakt auf, die im Artikel erwähnt worden war: mit dem österreichischen Startup-Unternehmen Bluepower GmbH. 2018 brachte die Firma das erste Serienmodell auf den Markt. Bislang sind insgesamt 15 Anlagen in Betrieb, davon 5 auf Dächern, wie die Bluepower auf Anfrage mitteilt. Weitere zehn Anlagen warteten auf ihre Auslieferung. Heinz Zbinden werde der erste Schweizer Kunde sein.
Investition von 10 000 Franken
Die Windturbine alleine wird etwas mehr als 5000 Franken kosten. Hinzu kommt die Konstruktion für den Dachaufbau sowie die Montage der 175 Kilogramm schweren Turbine. Alles in allem rechnet Zbinden mit Kosten von rund 10 000 Franken. Das ist ein Klacks im Vergleich mit dem, was die Zbindens schon in die Gewinnung von Alternativstrom investiert haben: 2008 steckten sie «einen grösseren Betrag» in eine Wärmepumpe mit zwei 130 Meter tief in die Erde reichenden Sonden sowie eine thermische Solaranlage für die Warmwasseraufbereitung auf dem Dach. Vor zwei Jahren folgte die Installation einer Photovoltaikanlage von 15 Kilowatt mitsamt Stromspeicher. Schon heute produziert Zbinden damit mehr Energie, als er selber verbraucht.
Nicht ins Bild passt da der benzinbetriebene Kombi, der vor dem Haus parkt. Zbinden: «Wir haben ein GA. Deshalb fahre ich mit dem Auto nur etwa 2000 Kilometer im Jahr. Wenn seine Zeit gekommen ist, werde ich ein Elektro-Auto anschaffen.»