Im Lockdown an die Urne?
06.11.2020 Baselbiet, Gesundheit, Gemeinden, Politik, GesellschaftGemeinden sorgen sich um die Durchführung der «Budget-Gmäini»
Kommt es im Dezember erneut zu einem Lockdown, können Gemeinden ihre Budgets nicht vom Volk bewilligen lassen. Nun prüft die Regierung, ob dies künftig per Urnenabstimmung möglich ist. Die Zeit ...
Gemeinden sorgen sich um die Durchführung der «Budget-Gmäini»
Kommt es im Dezember erneut zu einem Lockdown, können Gemeinden ihre Budgets nicht vom Volk bewilligen lassen. Nun prüft die Regierung, ob dies künftig per Urnenabstimmung möglich ist. Die Zeit drängt.
Sebastian Schanzer
Die Baselbieter Gemeinden sollen die Möglichkeit erhalten, Beschlüsse, die in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fallen, auch an der Urne zu fassen. Dann nämlich, wenn aufgrund von Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Versammlungen nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Dieses Anliegen trug der SP-Landrat und Frenkendörfer Gemeinderat Urs Kaufmann gestern mit einer dringlichen Motion in den Landrat. Zudem sollen Einwohnerratssitzungen per Videokonferenz durchgeführt werden können.
Kaufmann zweifelt angesichts der aktuellen Lage daran, dass die anstehenden «Budget-Gmäinis» im November und Dezember ordentlich durchgeführt werden können, auch wenn der Bundesrat zurzeit Gemeindeversammlungen noch ausdrücklich erlaubt.
Sollten die Versammlungen im Dezember wegen des Coronavirus aber nicht mehr erlaubt sein, kämen ernsthafte Probleme auf die Gemeinden zu, sagte Kaufmann gestern vor dem Landrat. «Dann haben wir kein bewilligtes Budget, können nur noch gebundene Ausgaben tätigen und müssen geplante Projekte verschieben.» Kaufmann musste als Gemeinderat während des Lockdowns im Frühling dringliche Beschlüsse ohne die Zustimmung des Souveräns fällen. «Das war mir äusserst unangenehm und soll in Zukunft dringlichst verhindert werden.»
«Juristisches Glatteis»
Der Regierungsrat zeigte sich gestern bereit, den Vorstoss entgegenzunehmen – jedoch nicht als verbindliche Motion, sondern nur als Postulat, das ihr mehr Spielraum bei der Umsetzung gebe. Denn möglich wäre eine Umsetzung sowohl auf Verordnungs- als auch auf Gesetzesebene. Für beide Varianten gebe es bereits Entwürfe, «aber wohl ist mir bei keiner von beiden», gestand Regierungspräsident Anton Lauber. So begebe man sich beim Erlass einer Verordnung, die Volksabstimmungen statt Gemeindeversammlungen ermögliche, auf juristisches Glatteis. Beschwerden gegen Urnenbeschlüsse zum Beispiel über Budgets oder Steuerfüsse könnten Tür und Tor geöffnet werden.
Sicherer wäre laut Lauber eine Umsetzung auf Gesetzesebene. Der entsprechende Prozess mit einer ordentlichen Vernehmlassung benötige aber mehr Zeit. So könnten Abstimmungen über Budgets und Steuersätze frühestens im Januar durchgeführt werden. Die Gemeinden könnten dann selbst entscheiden, ob sie eine Gemeindeversammlung oder eine Urnenabstimmung durchführen wollen, so Lauber. Motionär Urs Kaufmann zeigte sich nach Laubers Ausführungen bereit, seinen Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln. Dieses wurde stillschweigend überwiesen.
Dass Lauber auf Kaufmanns Motion gut vorbereitet war, ist nicht weiter erstaunlich. Die Stabstelle Gemeinden der Finanz- und Kirchendirektion hat in Kenntnis der Sorgen von Gemeinden bereits Vorarbeit geleistet, wie deren Leiterin Miriam Bucher Auf Anfrage sagt. «Wir hatten in jüngster Zeit vermehrt Anfragen und Bedenken vonseiten der Gemeinden. Diese befürchten teilweise die Einhaltung der Abstandsregeln bei grossem Besucherandrang nicht einhalten zu können und die Bevölkerung einem gesundheitlichen Risiko auszusetzen.»