Betrug wäre von Laien kaum feststellbar
20.11.2020 Baselbiet, Landwirtschaft, SissachUrs Weingartner kontrolliert 137 Hektaren Rebfläche
Als neuer Rebbaukommissär der Weinregion Basel-Solothurn setzt Urs Weingartner die Weinverordnung des Bundes um – und übernimmt damit eine wichtige Funktion für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Ueli ...
Urs Weingartner kontrolliert 137 Hektaren Rebfläche
Als neuer Rebbaukommissär der Weinregion Basel-Solothurn setzt Urs Weingartner die Weinverordnung des Bundes um – und übernimmt damit eine wichtige Funktion für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Ueli Frei
Nein, mit der Polizei hat Urs Weingartner nichts am Hut. Dennoch führt er in seinem Job am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung den Titel «Kommissär». Die etwas altmodisch anmutende Bezeichnung hat allerdings ihren tieferen Sinn. «Im Rebbau gibt es Vollzugsaufgaben, die es in anderen Bereichen nicht gibt», erklärt Weingartner. Im April dieses Jahres übernahm er die Funktion des Rebbaukommissärs von Andreas Buser, der auf diesen Zeitpunkt pensioniert wurde.
Die Kantone beziehungsweise ihre Rebbaukommissäre zeichnen für die Umsetzung der Weinverordnung des Bundes verantwortlich. Dies beginnt mit Pflanzbewilligungen, die ab einer Fläche von vier Aren vorgeschrieben ist. Damit sollen die für eine optimale Qualität geeigneten Standorte gewählt werden. So regelt die Weinverordnung unter anderem die Exposition, Neigung und Höhenlage.
Herkunft bestimmt den Wert
Das Rebbaukommissariat der Weinregion Basel-Solothurn lässt den Winzern jedoch grösstmögliche Freiheiten. «In unserer Region haben wir über 70 Rebsorten», sagt Weingartner. Die meisten anderen Rebbaugebiete kennen diesbezüglich Beschränkungen. Aus der Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten steht ein weiterer Aspekt im Vordergrund. Was auf der Etikette einer Flasche Wein steht, unterliegt der staatlichen Kontrolle.
Denn Betrug wäre von Laien kaum feststellbar. «Der Wein ist ein Produkt, das sich stark über die Herkunft vermarktet», erklärt Weingartner. «Diese Tatsache hat einen entscheidenden Einfluss auf den Warenwert.» Vor fünf Jahren stiess Urs Weingartner zur Abteilung Spezialkulturen am Ebenrain. «Damals wurde die Kirschessigfliege zu einem echten Problem», erzählt er. Von Beginn weg setzte er sich mit der Bekämpfung dieses invasiven Schädlings auseinander.
Im Rahmen eines trinationalen Projekts der Region Oberrhein führte Weingartner über 70 Versuche durch, wie und unter welchen Bedingungen die Kirschessigfliege am besten zu bekämpfen ist. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den Kantonen Aargau und Solothurn ebenso wie der Datenaustausch aus Feldbeobachtungen mit den Fachstellen in Südbaden und im Elsass.
«Die Kirschessigfliege ist ziemlich unberechenbar», erklärt Weingartner. Temperatur, Feuchtigkeit und Standort spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Schädlings. Oberstes Ziel sei ein möglichst punktgenauer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – oder im Umkehrschluss das Vermeiden von unnötigen Behandlungen. Das aus diesem Projekt entwickelte Prognosemodell soll ab 2021 zur Anwendung kommen.
Klein in der Branche
Auf der Internetplattform «Agrometeo» der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope wird das neue Tool ab 2021 zur Verfügung stehen. «Die Rebbauern kennen das und arbeiten im Bereich der Pilzkrankheiten seit Jahren mit diesen Prognosen», sagt Weingartner. Die Übergabe von Andreas Buser auf den neuen Rebbaukommissär per 1. April 2020 verlief problemlos. «Die Winzer kennen mich seit fünf Jahren», so Weingartner, «und sie schätzen die Kontinuität innerhalb der Fachstelle Rebbau.»
Die Weinregion Basel-Solothurn umfasst 137 Hektaren bestockte Rebfläche, wovon 115 Hektaren im Baselbiet stehen. Mit nicht einmal einem Prozent der Schweizer Rebfläche gehört sie zu den kleinen der Branche. «Wir müssen uns nicht mit den anderen Weinregionen messen, sondern unseren eigenen Weg gehen», hält der Rebbaukommissär fest. «Und der führt über die Qualität.» In dieser Domäne halten die Baselbieter Winzer auf internationalem Niveau mit. «Wir sind klein, aber proportional zur Fläche haben wir die renommiertesten Auszeichnungen», gibt Weingartner zu verstehen.
Die Konferenz der Deutschschweizer Rebbaukommissäre trifft sich vier Mal pro Jahr. Hauptziele sind die geeinte Stimme gegenüber den Bundesstellen sowie ein Zugang zu Forschungsresultaten. Denn die Sparübungen seitens des Bundes hinterlassen Spuren. Agroscope wird den Standort Wädenswil mit dem Forschungszentrum für Obst- und Weinbau aufgeben. Die Deutschschweizer Rebbaugebiete werden das neu gegründete Weinbauzentrum Wädenswil weiterbetreiben – mit den entsprechenden finanziellen Konsequenzen für die Kantone.
Nomen est omen
uf. «Ich habe einen Job gesucht, der zu meinem Namen passt», meint Urs Weingartner und lacht. Seit gut sechs Monaten amtet er als Rebbaukommissär der Weinregion Basel-Solothurn am Ebenrain Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Aufgewachsen ist er in Luzern. Nach einem Auslandjahr in Kanada auf einer Milchfarm begann er mit dem Studium der Agrarwissenschaften an der ETH in Zürich, wo er auch doktorierte. Nach seiner Zeit als Doktorand kam Weingartner zu Coop in Basel. An dessen Hauptsitz zeichnete er verantwortlich für die strategische Beschaffung Fleisch und Fisch. «Es ging vor allem um die Herkunft der Fische», erklärt er. Nur noch Fanggründe, wo die Überfischung kein Thema ist, wurden akzeptiert. Innerhalb der Coop-Gruppe wechselte er zu Bell. Als Mitglied der Unternehmensleitung entwickelte er dort die Nachhaltigkeitsstrategie des Basler Fleischverarbeiters. Dieses Jahr wurde Weingartner 50 Jahre alt. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder im Teenageralter und wohnt in Sissach.