Bei freiwilliger Einigung zahlt der Kanton mit
17.11.2020 Abstimmungen, Wirtschaft, Politik, BaselbietDreidrittelskompromiss bei Geschäftsmieten
Der Staat soll einen Anreiz schaffen, damit von Corona betroffene Gewerbetreibende bei Geschäftsmieten entlastet werden. Der sogenannte Dreidrittelskompromiss kommt am 29. November an die Urne.
sda. Anders als die Regierung ...
Dreidrittelskompromiss bei Geschäftsmieten
Der Staat soll einen Anreiz schaffen, damit von Corona betroffene Gewerbetreibende bei Geschäftsmieten entlastet werden. Der sogenannte Dreidrittelskompromiss kommt am 29. November an die Urne.
sda. Anders als die Regierung will der Baselbieter Landrat Betriebe, die wegen der Corona-Pandemie in Not geraten sind, finanziell bei den Mieten unterstützen. Da das entsprechende Gesetz über die Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen an die Mieterinnen und Mieter von Geschäftsräumlichkeiten im Zusammenhang mit dem Coronavirus das Vierfünftelsmehr nicht erreichte, wird das Stimmvolk darüber entscheiden.
Der Kompromiss sieht vor, dass Mieter von Geschäftsliegenschaften bei einer entsprechenden Einigung mit dem Vermieter für die Monate April, Mai und Juni nur einen Drittel ihres Mietzinses zahlen müssen. Ein weiteres Drittel übernimmt der Kanton, während der Vermieter auf einen Drittel der Mieteinnahmen verzichtet.
Maximal 3000 Franken monatlich
Im April hatte der Landrat eine entsprechende, als dringlich erklärte SP-Motion an die Regierung überwiesen. Die Vorlage orientiert sich an einem Modell, das der Basler Grosse Rat oppositionslos beschlossen hatte.
Profitieren sollen vom Modell vor allem kleine und mittlere Betriebe mit einer monatlichen Nettomiete von mindestens 7500 Franken. Der Kantonsbeitrag soll auf höchstens 3000 Franken pro Monat beschränkt werden. Für die Mieten in den Monaten April bis Juni soll ein Maximalbeitrag von 10 Millionen Franken bereitgestellt werden.
Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) wehrte sich in der parlamentarischen Debatte gegen den Dreidrittelskompromiss. Dies mit der Begründung, dass mit den Corona-Soforthilfen bereits genügend Unterstützungsbeiträge für Mietkosten zur Verfügung gestellt worden seien. Zudem machte er administrative Bedenken geltend, weil bereits ausbezahlte Soforthilfe-Beiträge an die vorgesehenen Mietzinsbeiträge angerechnet werden müssten, da keine doppelten Unterstützungsbeiträge ausbezahlt werden sollten.
Im Gegensatz zum geplanten Bundesgesetz über die Geschäftsmieten, das gemäss Vernehmlassungsvorlage die Vermieter zu einem Mietnachlass von 60 Prozent verpflichtet, basiert der kantonale Gesetzesentwurf auf einer freiwilligen Einigung: Erst müssen sich Mieter und Vermieter auf einen Mietnachlass einigen. Auf dieser Basis bezahlt der Kanton anschliessend einen Beitrag. Für Mietverhältnisse, bei denen es gemäss kantonalem Gesetz zu einer Einigung kommt, würde die vorgesehene Bundeslösung nicht zur Anwendung kommen.
Für den Dreidrittels-Kompromiss sprachen sich in der parlamentarischen Debatte die Fraktionen SP, Grüne/EVP und FDP aus. Dagegen waren SVP und CVP/GLP, Letztere allerdings nicht geschlossen. Der Landrat hat das Gesetz mit 56 zu 31 Stimmen beschlossen.
Basel-Stadt als Vorbild
Vorbild der Baselbieter Vorlage lieferte der Kanton Basel-Stadt. Der Grosse Rat hatte dafür im Mai 18 Millionen Franken bewilligt. Für kantonale Corona-Mietzinshilfen nach dem «Dreidrittel-Modell» sind in Basel-Stadt über 1500 Gesuche eingereicht worden. Ausbezahlt wurden bereits mehr als 3,6 Millionen Franken.
Bis zum Ablauf der Eingabefrist am 30. September sind insgesamt 1539 Gesuche eingereicht worden. Von diesen wurden bisher 1114 genehmigt, wie das Finanzdepartement am Donnerstag mitteilte. Pro Gesuch wurden im Schnitt 3272 Franken ausbezahlt – bisher insgesamt 3 646 000 Franken. Das Finanzdepartement schätzt den Gesamtaufwand auf 5,5 Millionen Franken.
Die Gesuche für Mietzinsbeiträge stammten in erster Linie von Gastronomiebetrieben. Gross war die Nachfrage aber auch beim Einzelhandel sowie bei Betrieben mit persönlichen Dienstleistungen wie Coiffeursalons oder Kosmetikstudios. Auch Physiotherapie- und Arztpraxen gehörten zu den Gesuchstellern.
DARUM STIMME ICH JA
Fair – freiwillig – für unsere KMU
Saskia Schenker, Landrätin, Präsidentin FDP Baselland, Itingen
Für uns als FDP war frühzeitig klar, dass der Staat die durch den im Frühjahr beschlossenen Lockdown betroffenen Unternehmen direkt und einfach unterstützen muss. Damit sollen die negativen Auswirkungen der Pandemie verringert und die betroffenen Wirtschaftszweige stabilisiert werden. Im Zentrum standen und stehen Massnahmen wie die Ausweitung der Kurzarbeit, die Überbrückungskredite, aber auch die Baselbieter Soforthilfe und die nun zur Abstimmung gelangenden kantonalen Mietzinsbeiträge.
Wichtig ist, dass sowohl rückwirkende Unterstützung wie die kantonalen Mietzinsbeiträge als auch künftige Massnahmen nicht weitere Lauffeuer entfachen und dass sie nicht in Grundrechte wie die Eigentumsfreiheit eingreifen. Wichtig ist auch, dass es sich um gezielte Unterstützung ohne Giesskannen-Charakter handelt.
Bei dieser kantonalen Vorlage geht es um privatrechtliche Mietverhältnisse, bei denen sich die Parteien noch nicht über die Höhe des geschuldeten Mietzinses während des Frühlingslockdowns einigen konnten. Im Gegensatz zur national angedachten Vorlage beruht die Baselbieter Lösung auf einem freiwilligen Ansatz ohne Eingriff in die Eigentumsrechte. Es ist eine Drittelslösung zwischen Vermietern, Mietern und dem Kanton vorgesehen.
Der Drittelsbeitrag des Kantons soll primär als Anreiz zur Lösungsfindung dienen. Denn leider konnten bis anhin nicht alle Mieter und Vermieter gemeinsam eine Lösung finden und gerade in der jetzigen Zeit sind lange Rechtsstreitigkeiten Gift für das Überleben der KMU. Sie müssen die ungelösten Probleme vom Frühjahr hinter sich lassen und sich auf die aktuellen Herausforderungen fokussieren können.
Dass der Kanton einen Drittel der Miete für die drei Monate übernimmt, ist aus Sicht der FDP gerechtfertigt. Den betroffenen KMU wurde schliesslich von Bund und Kanton während des Lockdowns verboten, wirtschaftlich tätig zu sein. Konsequenterweise werden vom Kantonsbeitrag aber die vom Mieter bereits erhaltenen staatlichen Soforthilfen abgezogen. Maximal können zudem nur 3000 Franken pro Monat für die Monate April, Mai und Juni dieses Jahres beantragt werden. Die Lösung des Landrats ist damit moderat ausgestaltet. Als Mitglied der Finanzkommission kann ich auch sagen, dass die Mietzinsbeiträge für den Kanton finanziell tragbar sind.
Ganz anders sieht es bei der in Bundesbern hart umstrittenen Geschäftsmiete-Vorlage aus. Hier soll nach dem Willen insbesondere der linken Ratsmitglieder ein vom Staat verordneter einseitiger Mieterlass von 60 Prozent gelten, den die Vermieter zu tragen haben. Die Bürgerlichen wehren sich zu Recht gegen die nationale Vorlage.
Dass einige nun aber die Argumente gegen diese nationale Vorlage auch gegen die sinnvolle, freiwillige Baselbieter Lösung verwenden, empfinde ich als grenzwertig. Es geht bei der kantonalen Vorlage ja gerade darum, dass Mieter und Vermieter Anreize erhalten, ihre Streitigkeiten rasch privatrechtlich zu lösen. Und es geht bei der kantonalen Vorlage darum, den Föderalismus hoch zu halten. Wir sind im Kanton näher bei den betroffenen KMU als der Bund, setzen selber eine Lösung in Kraft und wollen keine verfassungsmässig bedenkliche Vorlage aus Bern.
Die Freiwilligkeit, das Anreizsystem und die moderate Ausgestaltung machen die kantonale Lösung aus der Sicht der Mehrheit des Landrats zu einem sinnvollen Beitrag an unser Gewerbe und unsere KMU. Darum sagen wir am 29. November Ja zu den kantonalen Mietzinsbeiträgen.
DARUM STIMME ICH NEIN
Die Lösung ist untauglich
Markus Meier, Landrat SVP, Ormalingen
In diesen schwierigen Zeiten Unterstützung zu bieten für KMU, die von der Corona-Pandemie besonders hart betroffen sind, ist unbestritten und notwendig. Die am 29. November im Baselbiet zur Abstimmung kommende Vorlage zu den Mietzinsbeiträgen für Geschäftsmieten im April, Mai und Juni 2020 ist dazu jedoch ein rundum untauglicher Ansatz.
Warum? Weil diese Dreidrittelslösung eine Einigung zwischen dem Vermieter und dem Mieter zwingend voraussetzt und der Vermieter auf einen Drittel seines Ertrags verzichten muss, er selber aber weiterhin die vollen Kosten zu tragen hat. Weil die Hilfe nur rückwirkend für das vergangene Frühjahr zum Tragen kommt und nicht die aktuelle Situation abbildet. Weil das Modell infolge der zwingend zu erfüllenden Voraussetzungen nur ganz wenigen Betroffenen wirklich Hilfe bietet. Weil die Verknüpfung des Baselbieter Modells mit den zu verrechnenden Soforthilfen vom Frühling einen riesigen, völlig unverhältnismässigen administrativen Aufwand generiert. Und zu guter Letzt, weil das Ganze eine ungerechte Vorlage ist, indem jene 60 Prozent der Unternehmen, die in einer eigenen Lokalität wirtschaften, dabei völlig leer ausgehen.
Die Baselbieter Regierung hat sich in meinen Augen richtigerweise von Beginn an gegen die Dreidrittelslösung gestellt, weil sie nicht halten kann, was mit ihr versprochen wird. Entsprechend fiel die Zustimmung im Landrat auch nur sehr mässig aus. Die Wirkung dieser auch in anderen Kantonen initiierten geteilten Mietzinsbeiträge ist in der Praxis nämlich nicht nachgewiesen, wie eine von Bundesrat Guy Parmelin in Auftrag gegebene und jüngst in den Medien publizierte Analyse aufzeigt. Diese legt dar, dass nur ein Drittel der rund 390 000 Geschäftsmietverträge in der Schweiz überhaupt vom Shutdown im Frühjahr betroffen war. Das Problem habe ausserdem primär das Tessin und die Westschweiz tangiert. Rund 40 Prozent der Betroffenen hätten gar nicht um eine Reduktion ersucht. Und bei den 60 Prozent, die es getan haben, wurde in den meisten Fällen bereits im Frühjahr sofort eine direkte partnerschaftliche Lösung für eine Reduktion gefunden. Die Umsetzung der zur Abstimmung gelangenden Dreidrittelslösung im Baselbiet würde sich weit ins Jahr 2021 hinziehen und mehr Fragen aufwerfen, als sie Lösungen anbietet.
Als Direktor des Hauseigentümerverbands Schweiz wehre ich mich entschieden dagegen, dass vom Gesetzgeber mit einer unbefriedigenden Vorlage in privatrechtliche Verträge zwischen Mietern und Vermietern eingegriffen werden soll. Viele Vermieter sind auf die Einnahmen aus ihren Mietverhältnissen angewiesen, um ihrerseits ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Es kann auch nicht angehen, in eigenen Räumlichkeiten tätige Unternehmen völlig unberücksichtigt zu lassen.
Besser und wirkungsvoller ist deshalb die im kantonalen Parlament mit einem einstimmig überwiesenen Postulat initiierte Baselbieter KMU-Soforthilfe. Damit kann die Regierung in Koordination zu allen anderen Unterstützungsmassnahmen ein Modell entwickeln, mit dem all jene KMU passgenau unterstützt werden können, die es jetzt und in naher Zukunft dringend nötig haben – unkompliziert und zielgerichtet im erforderlichen Ausmass genau dort, wo ein Unternehmen durch die Corona-Pandemie unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist. Mit dieser Härtefall-Hilfe kann ganzheitliche und nachhaltige Hilfe geleistet werden. Mit der Ablehnung der Dreidrittelslösung am 29. November wird also der Weg frei für bessere und gerechtere Massnahmen zur Unterstützung unserer KMU.