«Die Begeisterung holt man sich an den Anlässen»
20.11.2020 Baselbiet, Fasnacht, Gemeinden, GesellschaftCliquen und Guggen sorgen sich um die Motivation ihrer Mitglieder
Die Hoffnungen auf so etwas wie eine Fasnacht im kommenden Jahr sind so gut wie begraben. Was heisst das für die Cliquen und Guggen? Die Angst vor einer möglichen Abwanderung geht um. FGS-Präsident Fabio Fedriga ruft dazu ...
Cliquen und Guggen sorgen sich um die Motivation ihrer Mitglieder
Die Hoffnungen auf so etwas wie eine Fasnacht im kommenden Jahr sind so gut wie begraben. Was heisst das für die Cliquen und Guggen? Die Angst vor einer möglichen Abwanderung geht um. FGS-Präsident Fabio Fedriga ruft dazu auf, den Humor nicht zu verlieren.
Sebastian Schanzer
Die meisten Fasnächtler haben es wohl gar nicht anders erwartet: Die Veranstalter der Gelterkinder Fasnacht (Gefa) haben am Mittwoch auf ihrer Website mitgeteilt, dass die Fasnacht 2021 in Gelterkinden auch nicht mit einem abgespeckten Programm stattfinden werde. Anfang Oktober stellte Gefa-Vizepräsident Dominique Guillod gegenüber der «Volksstimme» noch in Aussicht, einen Sonntags-Apéro, Schnitzelbank-Abende, eine Beizenfasnacht und möglicherweise auch eine Vorfasnachtsveranstaltung durchführen zu können.
Nun hat die Gefa am Mittwoch bekannt gemacht: «Wir mussten leider feststellen, dass die meisten unserer Vorschläge nicht weiterverfolgt werden können, ehe die nationale Situation sich massiv verbessert hat». Davon ausgenommen sind immerhin die Dorfdekoration und die Plakette.
Kleine Überraschungen
Ganz ähnlich sieht es in Sissach aus: Der Präsident der Fasnachtsgesellschaft (FGS), Fabio Fedriga, sagt auf Anfrage: «Es herrscht so eine Art Trauerstimmung unter unseren Mitgliedern. Zum zweiten Mal in Folge wird es 2021 auch in Sissach wohl kaum Fasnachtsanlässe geben.» Untätig sei die FGS deswegen aber nicht. «Auch in Sissach wird sicher dekoriert und unsere Plaketten sollten wir in den nächsten Tagen erhalten.» Das Sujet beziehe sich ausdrücklich auf die Nichtfasnacht. «Die Plakette soll zeigen, dass wir trotzdem da sind und die Fasnacht in unseren Herzen tragen», so Fedriga. Der Verkauf solle aber nicht zuletzt auch dafür sorgen, dass in der Kasse der FGS keine grossen Löcher entstehen. «In der Stadt Basel gibt es dafür die Solidaritätsplakette. Sie geht weg wie warme Semmeln. Das wäre auch bei uns wünschenswert.» (Siehe Kasten.)
Darüber hinaus sei man aber daran, einige kleine «Überraschungen» zu organisieren. Konkretes will Fedriga aber nicht verraten: «Es sind Dinge, die es an der Fasnacht noch nie gegeben hat.»
Schön zu beobachten sei für ihn, wenn Vereine und Gruppierungen selbst Initiative ergreifen, Ideen sammeln, etwas tun – im Rahmen des Erlaubten, sagt Fedriga. «Es gilt, den Humor nicht zu verlieren und die Krise für neue Ideen zu nutzen.»
Die Thürner Guggenformation Aerdwybli-Schränzer hat beispielsweise eigens eine interne Gruppe gebildet, die Ideen für ein Alternativprogramm sammelt, wie Vorstandsmitglied Sina Hamid auf Anfrage sagt. «Stand heute sind Veranstaltungen mit 50 Personen erlaubt. So wäre es denkbar, dass wir etwa ein Fasnachtsfeuer entzünden oder ein Platzkonzert im Dorf geben», so Hamid. Es sei wichtig, jetzt die Motivation aller Fasnächtler aufrechtzuerhalten. Auch darum organisiert die Gugge nun am 7. Dezember ein Adventsfenster in Thürnen. Man wolle während der probefreien Zeit dem Dorf etwas Gutes tun, gleichzeitig aber auch im Gespräch mit den Leuten bleiben.
Sorge um den Nachwuchs
Hamid ist für die musikalische Leitung der Gugge zuständig und somit auch mit der Anwerbung neuer Mitglieder beschäftigt. «Die Pandemie erschwert diese Arbeit stark. Wenn man sich nicht öffentlich zeigen kann, kann man auch kein Interesse wecken.» Zudem bemerke sie gerade durch den Probestopp seit November, dass es schwieriger sei, die Motivation aufrechtzuerhalten. «Alle geben ihr Bestes. Die Sorge ist dennoch da, dass uns an der nächsten Generalversammlung nach der erneuten Nichtfasnacht einige Mitglieder abspringen werden.»
Auch bei anderen Guggen und Cliquen munkelt man laut Hamid bereits leise von einer drohenden Abwanderung. Cédric Amieur, Chef der Bubendörfer Gugge Sambaschränzer, kann dies nur bestätigen: «Die aktuelle Lage schlägt aufs Gemüt. Wir müssen besonders unsere Neumitglieder derzeit stärker motivieren, im Boot zu bleiben.» Zu Austritten sei es bis jetzt aber noch nicht gekommen. «Es gilt die Devise: Durchbeissen.»
Die Sorge einer Mitgliedererosion teilt Sara Carpenè von den Zunzger «Wurlitzern» aktuell nicht. «Die ‹Wurlitzer› sind auch an anderen Anlässen durch das Jahr engagiert, nehmen an Wettkämpfen teil und pflegen dadurch einen starken Zusammenhalt.» Zwar verzichtet die Clique mittlerweile auf Proben der Stammmitglieder. Jene mit dem Nachwuchs will man aber unbedingt in Kleingruppen weiterführen. «Die Jungen sind unsere Zukunft», sagt sie. «Sie sind enorm wichtig für den Fortbestand der Fasnacht. Deshalb müssen wir sie bei der Stange halten.»
Problematisch ist laut Carpenè aber vielmehr die Rekrutierung. Schwierigkeiten hätten hier zwar bereits vor der Pandemie bestanden, «die Coronakrise hat dies aber deutlich verschärft. Denn die Begeisterung an der Fasnacht wird an den Anlässen entfacht. Wenn diese aber nicht stattfinden, wird es umso härter.»
Möglichkeiten ausnutzen
Wird sich die Fasnacht 2021 also insbesondere durch kleine, dezentrale Anlässe, organisiert von Cliquen und Guggen, auszeichnen? Sara Carpenè kündigt an: «Der Vorstand sammelt derzeit bereits Ideen, welche Alternativen für Vereinsanlässe es im nächsten Jahr geben könnte, wenn neben der Fasnacht auch die Wettspiele und weitere Bühnen gestrichen werden.»
Sowohl FGS-Präsident Fabio Fedriga als auch Rico Tirri von der Gelterkinder Fasnacht wollen sich zumindest von der Beizenfasnacht noch nicht definitiv verabschieden. «Und vielleicht erlaubt es die Lage im Februar ja, gewisse Anlässe dennoch durchzuführen», so Fedriga.
Hoffen auf Solidarität
ssc./ch. Corona hin oder her: Eine Fasnachtsplakette wird es sowohl in Gelterkinden als auch in Sissach geben. Das bestätigen die Präsidenten der FGS und der Gefa auf Anfrage. Es gehe dabei vor allem darum, kleine Einnahmen für die Vereine zu generieren; man zähle auf die Solidarität der Bevölkerung. Die Plaketten würden in einer deutlich kleineren Auflage produziert, um sich nicht dem Risiko auszusetzen, auf dem Bestand sitzenzubleiben. Wie die FGS und die Gefa will auch das Basler Fasnachtscomité für die kommende Fasnacht eine Plakette herausgeben. Bereits seit Anfang November im Verkauf ist eine Plakette des in der Not gegründeten Vereins Fasnachtsmanufakturen beider Basel, von der das Comité aus Konkurrenzgründen wenig begeistert ist: Eine Solidaritätsplakette, herausgegeben von neun Larven-, Schneider- und Laternenateliers. Das Motiv auf der bronzenen Plakette bringt die herrschende Situation gut zum Ausdruck: Fasnächtler suchen unter einem Regenschirm Schutz vor Coronaviren. Für 10 Franken ist sie im Verkauf. Nachdem die Nachfrage alle Erwartungen übertroffen hat, wurde die Auflage bereits auf 20 000 Exemplare verdoppelt. Der Erlös fliesst den aufgrund der abgesagten Basler Fasnacht arbeitslosen Ateliers zu.