«Sind wir zu nachlässig geworden?»
16.10.2020 Baselbiet, Gesundheit, Politik, GesellschaftDer Regierungsrat wendet sich mit offenem Brief an die Bevölkerung
Am Mittwoch hat Gesundheitsdirektor Thomas Weber verkündet, dass im Baselbiet vorerst von einer Verschärfung der Corona-Massnahmen abgesehen wird. Gestern folgte der Appell an die Bevölkerung, bei den Vorsichtsmassnahmen ...
Der Regierungsrat wendet sich mit offenem Brief an die Bevölkerung
Am Mittwoch hat Gesundheitsdirektor Thomas Weber verkündet, dass im Baselbiet vorerst von einer Verschärfung der Corona-Massnahmen abgesehen wird. Gestern folgte der Appell an die Bevölkerung, bei den Vorsichtsmassnahmen nicht nachlässig zu werden.
tho. Dass die Baselbieter Regierung Adressatin eines offenen Briefs ist, kommt regelmässig vor. Dass die Regierung hingegen selber einen offenen Brief schreibt, dürfte ein ziemlich einzigartiger Vorgang sein. Besondere Zeiten scheinen besondere Ideen zu fördern.
Publiziert wurde der von allen Regierungsmitgliedern und Landschreiberin Elisabeth Heer Dietrich unterzeichnete offene Brief gestern Morgen auf der Website des Kantons Baselland und in den sozialen Medien. Zudem wurden die Gemeinden aufgefordert, das Schreiben auf ihren Informationskanälen zu verbreiten. Im Brief wird an die Bevölkerung appelliert, sich unbedingt an die Corona-Vorsichtsmassnahmen zu halten, damit ein erneuter Lockdown verhindert werden könne.
Noch tags zuvor war Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) vor die Medien getreten und hatte verkündet, dass momentan auf eine Verschärfung der Corona-Massnahmen verzichtet werde. Anders als in umliegenden Kantonen gibt es im Baselbiet beispielsweise die Maskenpflicht in Läden auch weiterhin nicht – trotz zuletzt ebenfalls steigender Fallzahlen (siehe «Volksstimme» von gestern). Die Regierung ruft nun zu mehr Disziplin auf, damit die bereits vorbereitete Verordnung mit schärferen Massnahmen in der Schublade bleiben kann.
Nachfolgend der Brief der Regierung im Wortlaut:
Liebe Baselbieterinnen und Baselbieter
Seit bald neun Monaten hat uns Corona im Griff, mal mehr, mal weniger. Wir alle würden gerne wieder zum «normalen» Leben vor Corona zurückkehren. Die Uhr sozusagen um ein Jahr zurückdrehen, als der Alltag noch so selbstverständlich war. Das Virus fordert uns jedoch weiterhin heraus, neu sogar wieder stärker. Auch der Regierungsrat wünscht sich das gewohnte Leben zurück. Doch so rasch geht das leider nicht.
Wir alle müssen weiterhin unseren Beitrag leisten, aktuell mehr denn je! Und wir müssen uns selbstkritisch einige Fragen stellen: Sind wir zu nachlässig geworden? Fangen wir wieder an, uns die Hände zu schütteln? Uns ausserhalb der nächsten Familie zu umarmen und zu küssen? Vergessen wir, Abstand zu halten? Feiern wir wieder unbesorgt, ohne den immer noch nötigen Schutz einzuhalten? Und nehmen wir noch genügend Rücksicht auf Menschen aus Risikogruppen?
Dabei ist es besonders jetzt wichtig, dass wir uns richtig verhalten und die unkontrollierte Ausbreitung des Virus weiterhin bremsen. Damit können wir alle mithelfen, erneut einschneidende Massnahmen wie Betriebsschliessungen oder Versammlungsverbote zu verhindern. Besinnen wir uns doch alle auf die einfachsten und wirkungsvollsten Massnahmen: Abstand – Handhygiene – Alltagsmaske – also «AHA»!
Wir rufen Sie deshalb alle eindringlich auf:
– Halten Sie mindestens 1,5 Meter Abstand. Wenn dies nicht möglich ist, tragen Sie freiwillig eine Schutzmaske.
– Verzichten Sie weiterhin auf das Händeschütteln. Waschen Sie Ihre Hände regelmässig und desinfizieren Sie die Hände, wenn Waschen nicht möglich ist.
– Verzichten Sie bis auf Weiteres auch auf grössere Feiern und Partys.
Gemeinsam mit Ihnen wollen wir die Verbreitung des Corona-Virus verlangsamen und verhindern, dass wie im März/ April wieder zu viele Menschen im Spital Intensivpflege wegen Covid-19 benötigen. Dazu ist das konsequente Verhalten jedes und jeder Einzelnen entscheidend.
Der Regierungsrat ist überzeugt, dass wir dies schaffen, wenn alle mithelfen und solidarisch sind. Wir danken Ihnen für Ihre Mithilfe!
Die Idee zum offenen Brief sei während einer lebhaften Diskussion an der Regierungssitzung vom vergangenen Dienstag entstanden, sagte der Zweite Landschreiber Nic Kaufmann auf Anfrage. Zumindest eine weitere überraschende Aktion sei für kommende Woche geplant, sagte er, ohne sich weiter in die Karten blicken zu lassen.