«Erica» erhält neues Leben
22.10.2020 Bezirk Waldenburg, LangenbruckDas Hotel Erica beherbergt ab Januar wieder Gäste
Es ist eines der prägenden Häuser im Passdorf Langenbruck. Gebaut im Jugendstil liegt es an bester Lage: Das Hotel Erica. Zwei Schwestern wollen es nun zu neuer Blüte bringen.
Elmar Gächter
Es war ...
Das Hotel Erica beherbergt ab Januar wieder Gäste
Es ist eines der prägenden Häuser im Passdorf Langenbruck. Gebaut im Jugendstil liegt es an bester Lage: Das Hotel Erica. Zwei Schwestern wollen es nun zu neuer Blüte bringen.
Elmar Gächter
Es war gewissermassen Liebe auf den ersten Blick. «Als ich das Verkaufsinserat mit dem Bild des Jugendstilhauses gesehen habe, dachte ich: Das sieht schön aus, gehen wir doch mal schauen», sagt Julia Fritsche, die derzeit noch in Zürich wohnt. Sie mag sich zwar erinnern, als Kind schon einmal hier durchgewandert zu sein, die Region war ihr jedoch weitgehend unbekannt. Nun, der Abstecher ins Passdorf Langenbruck und die Besichtigung des Objekts in natura sollten ihren Entscheid, sich hier zusammen mit ihrer Schwester Katharina eine neue berufliche Existenz aufzubauen, nachhaltig beeinflussen. Seit Anfang dieses Jahres sind die Geschwister Eigentümerinnen jenes Gebäudes, das nunmehr über ein Jahrhundert lang die höchstgelegene Gemeinde im Baselbiet historisch und nostalgisch mitprägt, an bester Lage nota bene: des Hotels Erica.
Seit ein paar Monaten drücken die Handwerker dem Leben am, in und um das Haus ihren Stempel auf. «Es war uns von Anfang klar, dass wir es mit einem älteren Haus zu tun haben und es nicht ohne Anpassungsarbeiten geht, auch wenn das ‹Erica› 2004 mit viel Liebe zum Detail stilgerecht renoviert worden ist», hält Julia Fritsche fest. Dabei erstaunt, dass die beiden Schwestern den ganzen Bauablauf selber managen, obwohl beide nicht aus dem Baubusiness stammen. «Unterstützung von Fachpersonal holen wir uns natürlich, aber es ist eine echte Lernkurve, die wir hier durchschreiten», so Julia Fritsche.
Ganz besonders steht ihnen die Familie zur Seite sowie ein Schreinereibetrieb aus der Innerschweiz. Als grösste Herausforderungen nennen sie, dass die verschiedenen Handwerker aneinander vorbeikommen und vor allem, dass der ambitiöse Zeitplan einigermassen eingehalten werden kann: Ziel ist es, das «Erica» im Januar wiederzueröffnen.
Viel Charme, einfache Küche
Und worauf dürfen sich die Gäste freuen? Den neuen Eigentümerinnen ist es wichtig, den Charme des Hauses zu erhalten. So werden einstige Besucherinnen und Besucher den Kachelofen im kleinen Esszimmer, die Holztreppen, die bisherigen Wandschränke, die alten Tische und anderes mehr wiedererkennen. «Sie werden aber auch auf Modernes stossen, wobei wir darauf achten, keinen Stilbruch zu begehen», betont Julia Fritsche. Die Grösse des Hotels bleibt gleich. Dazu zählen die insgesamt 16 Zimmer im ersten und zweiten Stock, davon 3 Einzelzimmer und 4 Doppelzimmer mit Etagendusche. Solche seien auch heute noch gefragt in einem Wandergebiet, wo viele Leute nur kurz und günstig übernachten möchten.
Gastronomisch schwebt den beiden Schwestern, die gemeinsam den Betrieb führen werden, eine einfache Küche mit vielen eigenen und regionalen Produkten vor. «Wir wollen kein Sternelokal sein und Hummer steht bei uns nie auf der Speisekarte», ist sich Julia Fritsche heute schon im Klaren. Die Betreiberinnen legen Wert auf Kreativität und wollen möglichst viel Gemüse aus dem eigenen Garten verwenden. Obwohl sie ihr Haus auch als Restaurationsbetrieb sehen, möchten sie klein anfangen und so in erster Linie für Hotelgäste kochen, Kaffee und Kuchen anbieten und vor allem an Wochenenden für eine grössere Gästeschar öffnen. Schritt für Schritt und je nach Bedürfnis der Kundschaft möchten sie dann das Angebot erweitern.
Selbstverständlich macht auch ihnen die Pandemie Sorgen. «Covid-19 ist erst aufgetaucht, als wir schon mitten in der Planung waren. Wir können nichts an dieser Situation ändern, sondern müssen uns damit arrangieren», ist sich Julia Fritsche bewusst und ergänzt, dass alles auch hätte schlimmer kommen können. Immerhin würden jetzt viele Schweizer Familien ihre Ferien im eigenen Land verbringen und es bleibe die Hoffnung, dass dieser Trend auch nach der Corona-Zeit anhalte. Aber einfacher mache es den Start ins Hotelleben nicht.
Nächte ohne Schlaf
Julia Fritsche und ihre Schwester Katharina werden sich im kleinen Nebengebäude, dem ein Schopf weicht, niederlassen. Es ist ihnen wichtig, tagtäglich vor Ort zu sein und hier wie schon früher einen sehr persönlichen Familienbetrieb zu führen. Vorläufig aber heisst es für Julia Fritsche, sich um jeden Nagel zu kümmern. Sie gibt unumwunden zu, wegen des Umbaus manche Nacht kaum ein Auge zugemacht zu haben. «Aber es käme einem ja komisch vor, wenn dies nicht so wäre.» Es gebe schon Momente, wo man sich frage, wieso dies oder jenes nicht klappt. Aber so sei es halt auf Baustellen, wohl auf der ganzen Welt etwa ähnlich. «Vielleicht sollte ich es ein wenig lockerer nehmen. Ich arbeite noch daran», sagt sie und lacht. Aber jetzt freut sie sich vor allem darauf, dass einmal der ganze Staub weg ist und sie zusammen mit ihrer Schwester die ersten Gäste in ihrem einmaligen Haus begrüssen darf.
Geschichte des Hotels Erica
emg. Laut den Recherchen des Lokalhistorikers Johannes Dettwiler, aufgewachsen in Langenbruck und seit vielen Jahren in Thun wohnhaft, hat Emil Müller, ein Gärtner, im August 1899 die «Schlossmatte» gekauft – 45 Aren für 1850 Franken. Der Grund für diesen Kauf von Mattland ausserhalb des Dorfes ist nicht bekannt. Vermutlich beabsichtigte er, seine Gärtnerei wegen einengender Verhältnisse von der Alten Landstrasse auf die «Schlossmatt» hinauf zu verlegen.
Im November 1904 – nach heftigem Widerstand der Brauteltern – heiratete Emil eine Tochter aus der Bachthalen, nämlich die wohlhabende Rosine Dettwiler (1870 bis 1960). Danach – so kann angenommen werden – änderte das junge Paar die ursprüngliche Nutzungsabsicht für jene Parzelle auf der «Schlossmatt». Emil und Rosine Müller-Dettwiler liessen 1906 das Hotel Erica bauen und führten es bis in die 1940er-Jahre.
Das Haus ging anschliessend an ihren Sohn Emil über, der den Betrieb zusammen mit seiner Frau Frieda Müller-Schneider bis Ende 1980 weiterführte. Emil Müller war nicht nur Hotelier. Er ging in die Geschichte ein als Filmer, der das Geschehen in und um Langenbruck mit einer 8-Millimeter-Kamera einfing.
Seine Filme zeigte er regelmässig im Hotel als Abendunterhaltung. Er war es auch, der im Jahr 1951 hinter dem «Erica» einen Skilift – den ersten in der Nordwestschweiz – installierte. Emil Müller starb im Jahr 1988.
Ab 1981 führte Hans Müller, der Enkel des Gründerpaars, zusammen mit seiner Frau Annemarie das Haus. Zwischenzeitlich vermieteten sie das Hotel Erica an eine Genossenschaft. 1999, nach dem frühen Tod ihres Gatten, übernahm Annemarie Müller-Bolliger den Betrieb in Eigenregie, unterstützt von ihren Söhnen. 2004 wurde das Gebäude umfassend stilgerecht renoviert. Nachdem das Hotel während vieler Jahre auch als Restaurant vollzeitlich geöffnet war, stand es nach und nach nur noch Hotelgästen offen und blieb zeitweise ganz geschlossen.