«Ich wollte etwas mit Menschen machen»
10.09.2020 Bezirk Sissach, Kirche, Buus, MaisprachSeraina Berger wurde als Pfarrerin ordiniert
Seit dem 30. August hat Seraina Berger das Recht, ein Pfarramt zu führen. Im Gespräch mit der «Volksstimme» steht sie Rede und Antwort darüber, wie es dazu kam, was ihre weiteren Pläne sind und was es für sie bedeutet, Pfarrerin zu ...
Seraina Berger wurde als Pfarrerin ordiniert
Seit dem 30. August hat Seraina Berger das Recht, ein Pfarramt zu führen. Im Gespräch mit der «Volksstimme» steht sie Rede und Antwort darüber, wie es dazu kam, was ihre weiteren Pläne sind und was es für sie bedeutet, Pfarrerin zu sein.
Peter Stauffer
«Pfarrerin werden war eigentlich nicht so auf meinem Schirm», sagt die junge Frau, die sich in der Küche des Sigristenhäuschens in Sissach den Fragen des Berichterstatters stellt. Sie tut das mit offenem, wachem Blick und spürbarer Freude über das Erreichte. Denn seit dem letzten Augustsonntag ist sie ordiniert und in das Pfarrkollegium der Reformierten Kirche Baselland aufgenommen worden. Aufgewachsen ist die bald 29-jährige Seraina Berger in Buus, hat dort und in Gelterkinden die Schulen besucht. Nach dem Gymnasium in Muttenz war ihr klar, dass sie in beruflicher Hinsicht «irgendetwas mit Menschen» machen wollte. Dabei stand das Pfarrersein gar nicht im Vordergrund, nein, sie dachte eher, etwas in Richtung Medizin zu erlernen. Aus diesem Grund machte sie ein achtmonatiges Pflegepraktikum im Claraspital Basel.
Im Verlauf der Monate spürte Berger, dass sie sich die Art der Arbeit mit Menschen anders vorgestellt hatte. Ein Medizinstudium kam nicht mehr infrage. Da sie schon seit ihrer Kindheit immer ein grosses Interesse an Geschichte und Geschichtsunterricht gehabt hatte, begann sie, Geschichte zu studieren. Zu gleicher Zeit fing eine Freundin von ihr mit dem Theologiestudium an. Das bestärkte Berger darin, nach Gesprächen mit ihrem Religions- und Konfirmationsunterrichtspfarrer Lorenz Lattner und ihrer Mutter, einer langjährigen Kirchenpflegerin in Buus-Maisprach, als Nebenfach Theologie zu studieren.
Pfarrersein ist vollumfassend
Diese Fachrichtung fand Berger so spannend und interessant, dass sie nach einem Semester ganz zur Theologie wechselte. Im Verlauf ihrer Hochschulzeit in Basel, Zürich und eines Jahrs in New York hat sich bestätigt, dass das ein äusserst vielfältiges Studium, bestehend aus ganz verschiedenen Modulen ist, mit historischen, philosophischen, ethischen und sprachlichen Aspekten. Zur kirchlichen Ausbildung, die parallel zum Studium lief, gehören diverse Praktiken wie auch ein Vikariatsjahr.
Letzteres hat die frisch Ordinierte in der Kirchgemeinde Sissach absolviert, die Praktika in Liestal und im Bruderholzspital. «Während man an der Uni das Grundwissen – ein eher theoretisches Wissen – erwirbt, lernt man im Vikariatsjahr das praktische Handwerk des Pfarrerseins», sagt Berger. Sie habe gelernt und erfahren, dass der Pfarrberuf etwas Vollumfassendes sei. Es habe viel mit einem selbst und dem Leben – von der Geburt bis zum Tod – zu tun.
Es sei etwas vom Schönsten, Leute in feierlichen und wichtigen Lebensmomenten zu begleiten, wie zum Beispiel an Taufen, Konfirmationen oder Hochzeiten, aber auch bei Beerdigungen. «Leute zu bestärken, zu trösten, ihnen Mut zu machen oder Hoffnung zu schenken in schweren Momenten ist nicht unbedingt leicht, gehört aber zentral zum Pfarrersein», ist die frischgebackene Pfarrerin überzeugt.
Zuerst die Dissertation
Sie habe im Verlauf des vergangenen Jahres gespürt, dass sie mit einigen für das Pfarramt nötigen Talenten gesegnet ist. Sie sei sich aber auch bewusst: Es braucht eine gewisse Demut, Demut der Schrift und Tradition sowie auch den Menschen gegenüber. Sie möchte als Pfarrerin bei den Menschen ankommen, ihnen eine Brücke bauen zwischen den Texten der Bibel und der Welt im Alltag. Sie freut sich darauf, mit den unterschiedlichsten Menschen unterwegs zu sein. Aber auch als ordinierte Pfarrerin weiss sie um ihre Grenzen und vertraut auf den Beistand und den Segen Gottes sowie die Kraft des Heiligen Geistes.
Davon ist sie überzeugt, denn «ohne Gottvertrauen und Glauben ist kein glaubwürdiges Christsein möglich». Der Talar – es herrscht übrigens keine Tragepflicht – allein genüge nicht. Eine Predigt zu schreiben, falle ihr nicht unbedingt leicht. Gottesdienst zu halten sei zum Glück ja nicht nur Predigt. Gemeinsames Singen und Beten führen zu einer Gemeinschaft, die ihr gefalle und die Mitmenschen miteinbeziehe. Deshalb möchte Berger versuchen, im Gottesdienst verschiedene Sinne anzusprechen, besonders da die Menschen mit sich und Gott auch unterschiedlich unterwegs sind.
Für die nächsten vier Jahre wird Seraina Berger noch keine Pfarrstelle annehmen, sie ist aber auf der Stellvertreterliste der Pfarrerschaft aufgeführt und freut sich auf den einen oder anderen Einsatz im Baselbiet. Sie wird eine theologische Dissertation zur Reformationsgeschichte schreiben und sich zu diesem Zweck mit dem Wirken und Leben von Alexander Seitz, einem Arzt zur Zeit der Reformation, auseinandersetzen. Sie hat dazu ein Stipendium vom Schweizerischen Nationalfonds erhalten.