Den Eindringlingen gehts an die Wurzeln
25.08.2020 Baselbiet, NaturElmar Gächter
Es ist heiss an diesem Nachmittag, gemessene 36 Grad, gefühlt ein paar mehr. Glücklich, wer am schattigen, von Bäumen und Büschen überdeckten Bachufer seiner Arbeit nachgehen kann. So wie Dominique Zbinden und Moritz Nidecker, sie nach dem erfolgreichen ...
Elmar Gächter
Es ist heiss an diesem Nachmittag, gemessene 36 Grad, gefühlt ein paar mehr. Glücklich, wer am schattigen, von Bäumen und Büschen überdeckten Bachufer seiner Arbeit nachgehen kann. So wie Dominique Zbinden und Moritz Nidecker, sie nach dem erfolgreichen Lehrabschluss als Gärtnerin, er in seiner Bachelorzeit als Umwelt-Ingenieur.
Sie sind Suchende, nicht nach Gold, sondern nach wild wuchernden Eindringlingen, die hier am Homburgerbach in Diepflingen der heimischen Pflanzenwelt die Vorherrschaft streitig machen. Die beiden jungen Leute haben sich während der Sommermonate dem Kampf gegen die invasiven Neophyten verschrieben. Als Praktikanten der Stiftung Öko-Job Gelterkinden erfassen sie auf ihren Smartphones jene eingeschleppten Pflanzen, gegen die laut einer schwarzen Liste des Bundes ganz besonders zu Felde zu ziehen ist.
Der Kanton verfügt seit 2015 über eine vom Landrat beschlossene Neobiota-Strategie. Neobiota ist ein Begriff für gebietsfremde Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Pilze, Mikroorganismen), die in den vergangenen Jahrhunderten beabsichtigt oder unbeabsichtigt eingeschleppt wurden. Die allermeisten von ihnen verhalten sich unauffällig und unproblematisch und stellen kein Problem für Natur und Gesellschaft dar.
Einige wenige dieser invasiven Arten haben jedoch die Eigenschaft, sich stark zu vermehren und auszubreiten und so die einheimischen Arten zu verdrängen. Der Kanton hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, diese zu bekämpfen. Das zuständige Amt für Umweltschutz und Energie hat die Stiftung Öko-Job Gelterkinden beauftragt, die Ufer der Oberbaselbieter Bäche mit Ausnahme der beiden Frenkentäler und des Diegtertals nach Neophyten abzusuchen, diese zu kartieren und mit ihren Arbeitsgruppen zu entfernen. Für die übrigen Fliessgewässer im Kanton sind andere Auftragnehmer zuständig.
Hotspots an unteren Bachläufen
Matthias Knecht leitet bei Öko-Job den Bereich Natur und Landschaft und ist in dieser Funktion auch für das Projekt Neophyten mitverantwortlich. «Wir konnten Praktikanten anstellen, die Umweltwissenschaften studieren, also bereits wertvolle Kenntnisse über die Neophyten mitbringen und diese hier praktisch einsetzen», sagt er. Seit Anfang Juli gehen sie systematisch die Gewässer ab, erfassen die Problempflanzen und helfen mit, sie zu entfernen.
Eine der bisherigen Erkenntnisse ist, dass grossflächige Neophyten-Hotspots an den oberen Bachläufen eher selten sind, dafür in den unteren Abschnitten, vor allem entlang der Ergolz, umso dichter vorkommen. Wohl fühlen sich entlang der Gewässer vor allem das Drüsige Springkraut, die Armenische Brombeere, der Sommerflieder, der Japanische Staudenknöterich und das Einjährige Berufkraut.
«Wichtig ist bei der Bekämpfung, dass wir strategisch richtig vorgehen. Das heisst, wir müssen mit den Arbeiten an den Flussoberläufen beginnen, damit die Samen nicht hinuntergeschwemmt werden», so Matthias Knecht. Und wenn man die Biodiversität an den Gewässern erhalten wolle, müsse man den Neophyten jährlich mindestens einmal nachgehen. Dies heisse, stets dranzubleiben, denn ganz zum Verschwinden bringe man die Eindringlinge nicht. Matthias Knecht zeigt als Beispiel eine grössere Fläche bei der Einmündung des Homburgerbachs in die Ergolz, die er mit seiner Equipe regelmässig jätet. Die Natur dankt es, denn statt des Japanischen Knöterichs gedeihen hier Nachtkerzen, Johanniskraut, Weidenröschen oder Brennnesseln.
Im Herbst wollen alle Beauftragten unter der Regie des Kantons an einem runden Tisch aufgrund der bis dann vorliegenden Bestandesaufnahmen das weitere Vorgehen bei der Bekämpfung der invasiven Neophyten festlegen. In der Zwischenzeit wird der angehende Umwelt-Ingenieur Moritz Nidecker mithilfe der «Invasiv-APP» die Bachufer weiterhin nach Knöterich und Springkraut absuchen und sich dabei an den Armenischen Brombeeren den einen oder anderen «Chräbel» holen. «Für mich ist diese Arbeit sehr sinnvoll, sicher besser, als in Corona-Zeiten zu Hause zu sitzen. Etwas für die Natur zu machen, und dies erst noch mit der nötigen Abwechslung, passt für mich perfekt.»
Die Stiftung Öko-Job
emg. Die Stiftung Öko-Job in Gelterkinden unterstützt und begleitet seit mehr als 20 Jahren Menschen auf ihrem Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt, indem sie Arbeiten in Werkstätten oder der Natur anbietet. So geht sie im Auftrag von verschiedenen Gemeinden seit ein paar Jahren gegen invasive Neophyten vor und ist vom Kanton Baselland beauftragt, die gebietsfremden Pflanzen an Gewässern des Oberbaselbiets zu erfassen und zu entfernen.
NACHGEFRAGT / GABRIEL STEBLER, LEITER RESSORT STÖRFALLVERORDNUNG UND CHEMIKALIEN
«Die Gesamtsituation wird sich verbessern»
Herr Stebler, der Landrat hat für die Jahre 2020 bis 2024 insgesamt 2,5 Millionen Franken für die Umsetzung der Neobiota-Strategie bewilligt. Welche wesentlichen Ziele haben Sie sich mit dieser namhaften Summe gesetzt?
Gabriel Stebler: Wir wollen uns heuer eine Übersicht über die Situation in allen Regionen verschaffen und Informationsmaterial für Gemeinden, Vereine und so weiter bereitstellen. Ab 2022 sollen alle gesundheitsgefährdenden gebietsfremden Arten verschwunden und die Naturschutzgebiete weitestgehend frei von invasiven Neophyten sein. Bis 2023/24 soll sich die Situation an den Fliessgewässern wesentlich verbessern, der Japanische Staudenknöterich an seiner weiteren Ausbreitung gehindert und die Bestände geschwächt sein.
Kann man die invasiven Pflanzen überhaupt in den Griff bekommen?
Dank der guten Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure (Bund, Kanton, Gemeinden, Vereine, Forstreviere und so weiter) wird sich die Gesamtsituation verbessern, sodass der grosse Teil der invasiven Neophyten künftig im Rahmen eines regulären Unterhalts in Schach gehalten werden kann. Schwieriger ist es mit invasiven Neozoen, die sich viel schneller ausbreiten können und ein hohes Schadpotenzial besitzen. Im besten Fall werden Neueinschleppungen künftig mit den sich im Aufbau befindenden Strukturen schnell erkannt und bereits im Anfangsstadium mit wenig Aufwand bekämpft.
Wo sind die grössten Hotspots im Kanton?
Das Laufental ist am meisten betroffen. Pflanzenmässig sind es das Drüsige Springkraut in Wäldern und an Gewässern, die Armenische Brombeere und der Japanische Staudenknöterich an den Gewässern sowie das Einjährige Berufkraut, das sich vor allem an trockenwarmen Standorten extrem verbreitet hat.
Der Kanton setzt seit 2019 auf die «InvasivAPP» des Bundes, die es auch Privaten ermöglicht, Standorte von invasiven Pflanzen zu erfassen und zu melden. Wie bewährt sich diese App?
Von den professionellen Neophyten-Bekämpfern wird die App intensiv eingesetzt und es gibt auch Private, die sie benutzen. Botanisch weniger versierte Personen haben allerdings Schwierigkeiten damit, da die Auswahlliste keine Bilder enthält. Die «InvasivAPP» wird jedoch kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert. emg.