Hey Jude, Hey Joe und Goodbye Benny
17.07.2020 Bezirk Sissach, Kultur, SissachCharlotte Degen gibt ihr zweites Buch heraus
Die Sissacherin Charlotte Degen hat ihr zweites Werk verfasst. In «Im Himmel mit Diamanten» geht es um das Altern der Babyboomer und den Tod sowie um die einzigartige Liebe zu den Songs der Sixties, mit denen diese Generation aufgewachsen ...
Charlotte Degen gibt ihr zweites Buch heraus
Die Sissacherin Charlotte Degen hat ihr zweites Werk verfasst. In «Im Himmel mit Diamanten» geht es um das Altern der Babyboomer und den Tod sowie um die einzigartige Liebe zu den Songs der Sixties, mit denen diese Generation aufgewachsen ist.
Jürg Gohl
Bei jedem Konzert der Oberbaselbieter Retro-Band Crazy Safes im Gelterkinder «Marabu» das gleiche Bild: ausverkauft der Saal, bunt die Hemden und Blusen und im Kontrast dazu grau und schütter die «Haarpracht» des Publikums. Wann immer die einstige Schülerband, die 1967 gegründet und 2001 reaktiviert wurde, aufspielte, sorgten die fünf inzwischen fast 70-jährigen Musiker mit ihren alten Originalinstrumenten und der möglichst getreuen Wiedergabe der grossen Hits der Sixties für ausgelassene Stimmung. Ihre im Gleichschritt gealterten Anhänger wagen nochmals ihre früheren Verrenkungen. Doch in die Beats schleichen sich immer auch Nostalgie und Melancholie ein.
Diesem Publikum gehörten zuletzt auch die Sissacher Autorin Charlotte Degen und ihr Ehemann an, den sie im Buch Mick nennt. Sie ist sogleich hin und weg, wenn die Band «Satisfaction», «Hey Joe», «Hey Jude», «With a Little Help from My Friends» oder «Proud Mary» anstimmt. Doch nicht nur diese Songs, sondern auch die Band begeistern sie. Zum Organisten, der im Buch Benny heisst und den sie mit Tastenmann anspricht, entwickelt sich über die gemeinsame Begeisterung zu den alten Songs schnell eine tiefe Freundschaft.
Beatles stehen bei Titel Pate
Anfangs des vergangenen Jahres stirbt der Organist nach einer Probe überraschend, die Crazy Safes lösen sich daraufhin auf und Charlotte Degen beschliesst, den überraschenden Tod ihrer neuen Bezugsperson zu ihrer eigenen Vergangenheit in einem Buch zu verarbeiten. So entsteht sieben Jahre nach dem Roman «Stille Wehen» ihr zweites Werk «Im Himmel mit Diamanten». Ihr letztes? «Ich hätte nie gedacht, dass es überhaupt ein zweites gibt», antwortet sie, «deshalb lasse ich es auf mich zukommen.» Beide Bücher erzählen von Selbsterlebtem. Gleichwohl vermeidet es die Autorin, von autobiografischen Bezügen zu sprechen. «Ich bin keine Erfinderin», betont sie, «ich finde eine Geschichte, oder sie findet mich. Die Inspiration kommt aus dem Leben, was daraus entsteht, ist eine Geschichte.»
Höchstens auf den ersten Blick tönt der Titel des neuen Buches pilcherhaft. Doch der poppige Umschlag mit einer alten Schallplatte (heute zu finden bei einzelnen Babyboomern und im Heimatmuseum) und dem Apple-Logo der Beatles räumt alle Zweifel aus: Der Titel spielt auf den Beatles-Song «Lucy in the Sky with Diamonds» an, den viele, trotz Dementi der Schöpfer, als Ode an die Droge LSD interpretieren. Das Titelbild hat der Bruder der Autorin, der Sandmaler Urs Rudin aus Rümlingen, geschaffen, übrigens Organist in einer anderen Oberbaselbieter Nostalgie-Band.
Die Wahl des Titels erweist sich auch als Volltreffer, weil er zumindest auf Deutsch (im Englischen haben «Sky» und «Heaven» unterschiedliche Bedeutungen) den Bezug zum Himmel und damit auch zum Tod herstellt. Folgerichtig verpasst Charlotte Degen der Hauptdarstellerin in ihrem Roman den Vornamen Lucy. Der verstorbene Organist, dem sie als Ruedi das Buch widmet, begegnen wir auf 150 Seiten als Benny. An einer Stelle im Buch definiert sie «Freundschaft auf den ersten Blick».
Altern und Sterben
Obschon die Todesnachricht zu Beginn des Romans Lucy tief erschüttert und sich diese Trauer, mal heftiger, mal schwächer, durch das ganze Buch zieht, steht die Huldigung der Songs und des Lebensgefühls der Sixties im Vordergrund. So unterhalten sich die Protagonisten ausführlich über «Woodstock», das epochemachende Konzert vor inzwischen 51 Jahren. Doch im zweiten, etwas kürzeren Teil – Bennys Tod liegt schon etwas zurück – befasst sich die Autorin mit dem Sterben und dem Tod. Sie tritt bei einem Mediator mit Verstorbenen in Kontakt. Dieses zweite Thema ist ihr nicht minder wichtig. «Schreiben ist immer eine Auseinandersetzung mit sich selbst und kann durchaus eine therapeutische Wirkung haben», sagt die Autorin, «ich habe ein gestörtes Verhältnis zu Sterben und Tod.»
Das waren die Tage
Doch zurück ins pralle Leben: Die «Ruby Hearts», wie die «Crazy Safes» im Buch heissen (das «Marabu» mutiert dort zum «Flamingo»), ermöglichen es der Autorin auch, mit 50 Jahren Verspätung frühere Groupie-Fantasien auszuleben. Das Buch vermittelt auch viele Einblicke und Anekdoten zu den Songs aus jener Zeit.
Die Liedzeile, die Charlotte Degen über der Widmung setzt, fasst das ganze Buch noch besser zusammen als der Titel: «Those were the days my friend.» Das sang Mary Hopkins im legendären Jahr 1968 glockenhell. «Das waren die Tage, mein Freund», auf Deutsch. Und weiter: «Wir dachten, dass sie niemals enden würden. Mit Singen und Tanzen für immer und einen Tag.»