10 Bäume für 588 neue Veloparkplätze
28.07.2020 Bezirk Sissach, SissachChristian Horisberger
Die Ferienzeit ist für ÖV-Pendler, die mit dem Velo zum Sissacher Bahnhof gelangen, paradiesisch. Es hat reichlich Platz, um das Velo in einem gedeckten Unterstand abzustellen. Ausserhalb der Ferien herrscht am Bahnhof hingegen Veloparkplatznot. ...
Christian Horisberger
Die Ferienzeit ist für ÖV-Pendler, die mit dem Velo zum Sissacher Bahnhof gelangen, paradiesisch. Es hat reichlich Platz, um das Velo in einem gedeckten Unterstand abzustellen. Ausserhalb der Ferien herrscht am Bahnhof hingegen Veloparkplatznot. Insbesondere auf der Südseite der Gleise hat oft nur die Hälfe der Zweiräder in einem der vier Unterstände Platz. Ringsherum herrscht ein heilloses Durcheinander. Auf der Dorfseite ist das Bild nicht ganz so chaotisch, doch reichen auch dort die Unterstände häufig nicht für alle Pendlervelos aus.
Die SBB und der Gemeinderat haben Handlungsbedarf erkannt und wollen Abhilfe schaffen. Am 9. September legt der Gemeinderat der Gemeindeversammlung ein Projekt zur Erweiterung des Veloparkings vor. Es ist vorgesehen, die Zahl der gedeckten Abstellplätze für Velos fast zu verdreifachen: südlich der Gleise von 108 auf 334 und nördlich von 221 auf 583 Plätze. Zudem sollen neu 28 ungedeckte Parkplätze für Roller und Töffs zur Verfügung stehen.
Zwei Parketagen
Um keine weiteren Flächen zu beanspruchen, soll in die Höhe gebaut werden. Wie schon an anderen Bahnhöfen, beispielsweise in Pratteln, ist ein zweistöckiges System vorgesehen. Die untere Etage ist direkt zugänglich. Die obere Etage muss mithilfe eines Hebels mit Muskelkraft heruntergezogen, das Velo auf eine Schiene «eingefädelt» und das Ganze wieder hochgeschoben und arretiert werden.
Die Projektkosten belaufen sich gemäss Vorlage auf 1,133 Millionen Franken. Die Kosten werden wie üblich zwischen Standortgemeinde und SBB hälftig aufgeteilt. Vom Gemeindeanteil (570 000 Franken) übernimmt der Pendlerfonds Basel-Stadt einen Anteil von einer Viertelmillion. Diesen Beitrag hatte der Basler Regierungsrat auf ein Gesuch aus Sissach im Februar freigegeben. Alles gut also?
Nicht für Jonas Epple. «Die vorgeschlagene Variante ist keine visionäre Lösung», sagt das Mitglied der örtlichen Gemeindekommission (GK) sowie der Bau-und Planungskommission (BPK). Der neue Veloparkplatz ist für Epple, der Mitglied bei der «Stechpalme» ist, ein Schnellschuss. Günstig zwar, aber auf Kosten eines wichtigen Naturwerts: Sollte das vorliegende Projekt umgesetzt werden, müssten zehn Bäume gefällt werden, betont er. Die Feldahorne sind bei der Umgestaltung des Bahnhofs im Jahr 2007 gepflanzt worden; drei befinden sich auf der Südseite, sieben nördlich der Gleise.
Grün sorgt für Lebensqualität
Sowohl in der BPK und in der GK hatte sich Epple für den Erhalt der Bäume stark gemacht. Ohne Erfolg. Seine letzte Hoffnung ruht auf der Gemeindeversammlung, die über den Kredit entscheidet. «Ich bin kein fundamentalistischer Bäumlischützer», versichert er. Doch als angehender Bauingenieur kenne er sich in verkehrsplanerischen Belangen aus, und dank seiner Tätigkeit im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Heimatschutz wisse er um den Wert von Bäumen.
Er unterstütze im Grundsatz zusätzlichen Parkraum für Velos, den er selber auch in Anspruch nehme. Doch stehe das Vorhaben im Widerspruch zur zeitgemässen Entwicklung des Siedlungsraums. Grün im Siedlungsgebiet, vor allem Bäume, sorgten massgeblich für eine hohe Lebensqualität. Bäume hätten einen nicht bezifferbaren Nutzen fürs Klima in den Strassen, so Epple.
Ein grosses Fragezeichen setzt der Kritiker des Parkplatz-Geschäfts auch hinter das System und die Anordnung der Parkier-Elemente. Die beiden Reihen seien näher beieinander vorgesehen, als es der Hersteller empfehle. So könnte es in der Veloparking-Gasse zu Staus kommen, nachdem beispielsweise ein voller Pendlerzug eingefahren ist. Ausserdem hegt Epple am einfachen Handling der Parkplätze in der oberen Etage seine Zweifel.
Der Baufachmann empfiehlt den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Ablehnung des Kredits. «Die SBB haben lediglich wirtschaftliche Interessen an einer schlanken Kapazitätsvergrösserung. Wir in der Gemeinde müssen das Zepter für eine umfassende Planung in die Hand nehmen.» Der Gemeinderat solle sich Gedanken darüber machen, wo man die Velos besser versorgen kann, «ohne Bäume abzuschneiden».
Epples Vision ist ein Veloparking unter der Bahnhofstrasse im Stile dessen unter dem Basler Centralbahnplatz. Er stellt sich zwei Zufahrten vor sowie einen direkten Zugang in die Unterführung. Fürs kleinere Portemonnaie schlägt der Bauunternehmer ein dreigeschossiges Parkhaus vor, wo sich heute der «Mobility-Parkplatz» befindet. Das Parterre sei für Velos zu reservieren, das Unter- und das Obergeschoss jeweils für Autos.
Optimale Variante gewählt
Gemeindepräsident Peter Buser (ebenfalls «Stechpalme») teilt Epples Ansicht über den Stellenwert von Grün im Siedlungsraum. Deshalb habe die Gemeinde auch darauf gedrängt, dass die Dächer der neuen Unterstände begrünt werden. Dies ist heute nicht der Fall. Er versichert, dass Gemeinderat und BPK das Projekt sorgfältig prüften. Man sei zum Schluss gekommen, dass die gewählte Variante das Optimum sei und die Fällung der Bäume vertretbar, zumal keine neuen Flächen versiegelt würden. Epples Kritik am System hält Buser entgegen, dass der Beweis bereits erbracht worden sei, dass es funktioniert. Zudem werde in Sissach ein neues, leichter zu bedienendes Modell installiert.
Das Unterflurparking für Velos hält Buser «für eine Gemeinde von der Grösse Sissachs utopisch» – und aufgrund vieler Leitungen unter der Bahnhofstrasse kaum für realisierbar. Einem neuen Parkhaus hingegen könne er grundsätzlich etwas abgewinnen. Der Gemeinderat beschäftige sich seit geraumer Zeit damit. Doch gehe es dort primär ums Parkieren von Autos der Bahnkunden sowie um die Entlastung der Begegnungszone.