«Das Vertrauen war immer spürbar»
24.07.2020 Bezirk Sissach, ZunzgenOtto Graf
Am 30. Juni hat Michael Kunz das Ruder auf der Kommandobrücke von Zunzgen und bei glatter See seinem Nachfolger Hans-Rudolf Wüthrich überlassen. Zehn Jahre vorher standen die Zeichen im Bücheldorf auf Sturm. Wie der abtretende Kapitän der «Volksstimme» ...
Otto Graf
Am 30. Juni hat Michael Kunz das Ruder auf der Kommandobrücke von Zunzgen und bei glatter See seinem Nachfolger Hans-Rudolf Wüthrich überlassen. Zehn Jahre vorher standen die Zeichen im Bücheldorf auf Sturm. Wie der abtretende Kapitän der «Volksstimme» erzählt, waren es insbesondere die heftigen Auseinandersetzungen mit der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK), die das Schiff in Seenot brachten.
Ende 2010 warfen Gemeindepräsidentin Ruth Sprunger und ein halbes Jahr später Gemeinderat Markus Burgunder entnervt das Handtuch. Zudem kündigte der damalige Gemeindeverwalter. «Es war ein eigentlicher Machtkampf zwischen Gemeinderat und RGPK im Gang, wobei auch ein ehemaliger Gemeindepräsident kräftig mithalf, das Klima aufzuheizen», erinnert sich Kunz. Grund für die Auseinandersetzungen war unter anderem der von Mitgliedern der RGPK verhinderte Auftritt von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Gastrednerin an der Zunzger Bundesfeier.
Er sei sich durchaus bewusst gewesen, worauf er sich mit dem Gemeindepräsidium einlassen würde, erklärt der Ex-Präsident. Die Anfrage, für den Gemeinderat zu kandidieren, kam von den Freien Wählern Zunzgen. Etwas überraschend für einen Zugezogenen, der erst seit sechs Jahren in Zunzgen wohnte, meint Kunz. Doch sein beruflicher Hintergrund als Jurist und die politischen Erfahrungen als Mitglied der Gemeindekommission und der Geschäftsprüfungskommission zuvor in Gelterkinden hätten ihn nach reiflichem Überlegen und dem Besprechen mit seiner Frau Sonia, die schon damals auf der Gemeindeverwaltung tätig war, bewogen, ins Rennen um einen Sitz im Gemeinderat zu steigen. Auch die Absicht, beruflich etwas kürzer zu treten, habe den Entschluss beeinflusst. Folglich fand die nach Gelterkinden eigentlich schon abgeschlossene politische «Karriere» doch noch eine Fortsetzung.
Respekt und Loyalität
Zur Kandidatur um das Präsidium entschied sich Michael Kunz nach Rücksprache mit den anderen sechs Gemeinderäten, wobei auch hier der berufliche Hintergrund als Jurist nicht unwesentlich war. Dass sich mit der Zeit die Wogen glätteten und Ruhe ins Dorf einkehrte, habe zu einem grossen Teil daran gelegen, dass innerhalb des Gemeinderatskollegiums stets gegenseitiges Vertrauen, Respekt und Loyalität vorherrschten, meint der nun Zurückgetretene.
Seinem ersten Auftritt an einer Gemeindeversammlung als Präsident habe er mit Skepsis entgegengesehen. Umso erstaunter war er, als die Versammlung wider Erwarten ruhig und gesittet verlief, was in der Presse mit Bemerkungen wie «in Zunzgen kehrt wieder Ruhe ein» kommentiert wurde.
Leider war diese «Entwarnung» etwas verfrüht, wie die weitere Entwicklung zeigen sollte. Die Auseinandersetzungen mit der RGPK und deren Sympathisanten, die an der Arbeit des Gemeinderats keinen guten Faden liessen, dauerten an und wurden zunehmend unsachlicher und persönlicher. Sie gipfelten in Beschwerden und Strafanzeigen der RGPK gegen den Gemeinderat und gegen den Präsidenten persönlich, die jedoch allesamt abgewiesen wurden. Das Klima beruhigte sich erst, nachdem mit einer Ausnahme alle Mitglieder der RGPK mit medialen Nebengeräuschen zurückgetreten waren.
Eine eigentliche Strategie, mit dem Misstrauen der RGPK und einzelner Einwohner umzugehen, habe es im Gremium nicht gegeben, sagt Kunz und fährt fort: «Wir bemühten uns einfach, unsere Arbeit richtig zu machen.» Auch ein Vermittlungsgespräch mit dem damaligen Regierungsrat Adrian Ballmer beruhigte die Situation nicht. Rückblickend sei mehr als einmal der Gedanke aufgekommen, alles hinzuschmeissen. Aber an den Gemeindeversammlungen sei das Vertrauen der grossen Mehrheit der Zunzgerinnen und Zunzger in den Gemeinderat immer wieder spürbar gewesen. Die Kritik und die Vorwürfe der RGPK seien zwar heftig und laut gewesen, hätten im Endeffekt aber bei der Einwohnerschaft kaum Gehör gefunden.
Trotz der letztlich erfolglosen Störmanöver der einstigen RGPK konnte sich das Dorf am Büchel wie geplant weiterentwickeln. Michael Kunz verweist in diesem Zusammenhang auf die Überbauung des Bemag-Areals und auf die gemeindeeigene Überbauung Gässli. Letztere ermöglicht es, älteren Einwohnern, denen das eigene Haus zu gross geworden ist, schönen und attraktiven Wohnraum zu einem vernünftigen Preis zu nutzen. Über zehn der vierzehn sich noch im Bau befindlichen Wohnungen sind bereits reserviert. Einzelne Ereignisse besonders hervorzuheben, so Kunz, werde der Gemeindepolitik nicht ganz gerecht. Die Gesamtheit der gemeinderätlichen Tätigkeiten entscheide darüber, ob es einem Dorf gut geht.
Velo, Angel, Gitarre
Als Gemeindepräsident allein könne man nicht viel ausrichten oder gestalten. Der Gemeinderat funktioniere nur als Kollegialbehörde. Dank der Loyalität innerhalb der Behörde hätten sich die vielfältigen Herausforderungen meistern lassen. «Ich darf feststellen, dass Zunzgen gut aufgestellt ist. Die Infrastruktur, wie Strassen oder die Wasserversorgung, ist à jour», stellt er rückblickend fest. Als nächste grössere Herausforderung seien Schulund Sportanlagen den heutigen Anforderungen anzupassen.
Ferner sei es gelungen, die Finanzen im Griff zu behalten und die Steuern moderat zu senken. Und – was für ein Dorf nicht selbstverständlich ist – Zunzgen könne sich nach wie vor ein Gratis-Schwimmbad leisten. «Ich trete mit einem guten Gefühl zurück und danke auch der Einwohnerschaft, deren Vertrauen in die gemeinderätliche Arbeit jeweils an den Gemeindeversammlungen zum Ausdruck kam», fasst Michael Kunz zusammen. Seiner Erinnerung nach sei in seiner Amtszeit ein einziges Geschäft nicht bewilligt und zur Überarbeitung an den Gemeinderat zurückgewiesen worden.
Die neugewonnene Freizeit weiss der Ex-Präsident problemlos zu nutzen. Zwei Enkelkinder und bald ein drittes helfen ihm dabei. Er sei auch nicht traurig, dass die abendlichen Sitzungen und Anlässe zu einem grossen Teil wegfallen. Er könne auch ohne Traktandenliste Zeit mit seiner Frau und mit Freunden verbringen. Vielleicht sieht man ihn vermehrt am Bach beim Fischen oder auf dem Velo einen unserer Hügel hochstrampeln. Auch die Gitarre gedenkt er wieder öfter hervorzunehmen, um mit seiner Frau und einem Freund zu musizieren. «Und damit es mir nicht langweilig wird, bin ich nach wie vor – selbstverständlich in altersgerecht reduziertem Umfang – in meinem Advokaturbüro in Zunzgen tätig».
«Ich wollte einfach meine Arbeit recht machen»
Herr Kunz, was war das persönliche Highlight in Ihrer Amtszeit?
Michael Kunz: Ein eigentliches Highlight will ich nicht herausstreichen. Das Highlight war, dass es mir mit meinen Gemeinderatskollegen gelang, Ruhe ins Dorf zu bringen und eine Kultur des gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu schaffen.
Welches Ziel haben Sie nicht erreicht?
Spezielle Ziele habe ich mir bei meinem Amtsantritt nicht gesetzt. Von daher gibt es auch keine Ziele, die ich nicht erreicht hätte. Ich wollte einfach meine Arbeit recht machen. Ob mir das gelungen ist, sollen andere beurteilen.
Welche Vision schwebt Ihnen für Zunzgen noch vor?
Vision ist ein grosses Wort, für ein Dorf wie Zunzgen wohl eher etwas hochgegriffen. Mein Wunsch wäre, dass sich auch in Zukunft Frauen und Männer für das Gemeinwohl engagieren und Verantwortung übernehmen.
Welchen Rat gaben Sie Ihrem Nachfolger mit?
Als scheidender Präsident erteile ich keine Ratschläge. Ich habe die «Ratschläge», die mir mein Vorvorvorgänger zu Beginn meiner Amtszeit erteilte, noch zu gut in Erinnerung.
Wie wird die nächste Generation Zunzgen bis ins Jahr 2045 verändert haben?
Ich denke, dass sie Zunzgen nicht wesentlich verändern wird. Die räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten sind begrenzt. Hingegen wird die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden intensiver werden. Kleinere Gemeinden sind zunehmend überfordert mit zahlreichen Aufgaben, die sich gemeinsam besser lösen lassen. Aber ich bin zuversichtlich, dass auch die nächsten Generationen dafür Sorge tragen, dass Zunzgen ein Dorf bleibt, in dem es sich gut leben lässt.
MICHAEL KUNZ
og. Michael Kunz ist 1948 geboren, in Itingen aufgewachsen und mit Sonia Bianchi verheiratet. Er ist Vater von zwei erwachsenen Söhnen und Grossvater von zwei Enkeln. Am 30. Juni übergab Michael Kunz sein Amt als Gemeindepräsident von Zunzgen an Hans-Rudolf Wüthrich. Der Advokat mit eigenem Büro geht in seiner Freizeit dem Fischen nach, macht Musik und fährt Velo. Jahrelang war er mit seiner Gattin an der Fasnacht aktiv. «D\'Motte» nannte sich das Schnitzelbankduo, das sich neben den scharfzüngigen Versen auch durch die eher ungewöhnlichen Requisiten, eben aus der Mottenkiste, auszeichnete.