«Bürgi Beck» backt kleinere Brötchen
24.07.2020 Bezirk Sissach, Gelterkinden
Christian Horisberger
Das Bäckereigewerbe befindet sich seit längerer Zeit in einem Strukturwandel. Der eigene Dorfbeck ist oft nur noch eine romantische Erinnerung. Immer häufiger wird an einem zentralen Standort im grösseren bis grossen Stil produziert ...
Christian Horisberger
Das Bäckereigewerbe befindet sich seit längerer Zeit in einem Strukturwandel. Der eigene Dorfbeck ist oft nur noch eine romantische Erinnerung. Immer häufiger wird an einem zentralen Standort im grösseren bis grossen Stil produziert und die Ware an mehrere Verkaufspunkte geliefert, die zusätzlich über ein kleines Café verfügen. Der Gelterkinder Bäckermeister Beat Bürgin arbeitet seit vielen Jahren nach diesem Modell. Das Brot und die Confiserie aus seiner Backstube an der Bohnygasse wurden an zwei Standorten in Gelterkinden sowie drei weiteren in Ormalingen, Thürnen und Münchenstein in den Verkauf gebracht.
Bis 2018 ging die Rechnung für Bürgin auf. Vergangenes Jahr aber sei er von roten Zahlen überrascht worden, wie er gegenüber der «Volksstimme» ausführt. Die Betriebsanalyse, für die er einen Branchenspezialisten engagierte, habe aufgezeigt, dass die Kosten für Personal und Material stetig gestiegen seien, er es jedoch über eine längere Zeit verpasst habe, seine Verkaufspreise zu erhöhen. Das Schöne für die Bäckerei-Kundschaft: «Wir lagen mit unseren Preisen unter dem Branchendurchschnitt», sagt Bürgin. Das Unschöne für das Unternehmen: «Wir haben uns selber ein Bein gestellt.» Und Corona, mit deutlichen Umsatzrückgängen insbesondere in den Cafés, verschärft die Situation.
Der 62-jährige Bäckermeister und frühere Präsident des Gewerbevereins Gelterkinden hat nun entschieden, eine bereits geplante Reorganisation vorzuziehen, insbesondere zu seiner eigenen Entlastung. Er trennt sich per Ende August von seinen beiden Aussenstandorten in Thürnen und in Münchenstein. Ormalingen will Bürgin ebenfalls abstossen, doch befinde er sich in einem noch zwei Jahre laufenden Pachtvertrag. Vorderhand betreibe er die Niederlassung mit reduzierten Öffnungszeiten, um Personalkosten zu sparen. Bürgin-Brot gibt es in Ormalingen nur noch am Vormittag.
Durch die Filialen sei er gezwungen, ab Mitternacht in der Backstube zu stehen, damit das Sortiment um fünf Uhr morgens auslieferbereit ist, erklärt Bürginn – «Hektik inklusive». Die Aufgabe des Dorfladens in Thürnen und des Take-Away-Shops in Münchenstein verschaffe ihm und seinen Bäckern genügend Luft, um den Arbeitsbeginn um mindestens zwei bis drei Stunden nach hinten verlegen zu können. Zudem erwartet Bürgin eine erhebliche Entlastung auch in der Administration seines Unternehmens. Unter den neuen Voraussetzungen hofft er, bis 70-jährig mit derselben Begeisterung kneten und backen zu können wie in seinen bisher 46 Berufsjahren.
Sonntags geöffnet
Bürgin wird sich ab September voll auf die beiden Gelterkinder Standorte, an der Bohnygasse und im Allmend Markt, konzentrieren. Es sei vorgesehen, die Preise anzupassen, um die Finanzen ins Lot zu bringen, um letztlich die verbliebenen Arbeitsplätze zu erhalten, führt der Bäcker aus. Zudem werde die Filiale im Allmendmarkt am Sonntag geöffnet sein. Den gewonnenen Freiraum will Bürgin dazu nutzen, um «noch einen Tick bessere Qualität zu liefern», der Lehrlingsbetreuung in der Backstube wieder mehr Gewicht zu geben und sich öfter einmal den Kundinnen und Kunden zu zeigen.
Die beiden Filialen übergibt Beat Bürgin per Anfang September an Ralph und Tanja Luder, die vor erst vier Jahren in Läufelfingen mit der Holzofenbäckerei «Brot und so» beim Kohler-Areal gestartet sind und sich über Läufelfingen hinaus einen guten Namen gemacht haben. Er kenne die Bäckerfamilie «seit Menschengedenken», sagt Bürgin. Als er sich überlegte, zu wem seine Filialen passen könnten, seien die Luders seine ersten Ansprechpartner gewesen. «Es ist die richtige Lösung», ist der Gelterkinder überzeugt. Daher habe er seine Pläne in der Branche auch nicht gross gestreut. «Irgend jemanden suchen, der Ja sagt und nach einem Jahr aufgibt, bringt nichts.» Veränderungen sind gemäss Bürgin zunächst weder in Thürnen noch in Münchenstein geplant.
Die personellen Auswirkungen der Abmagerungskur sind erheblich. Aktuell beschäftigt der «Bürgi Beck» 32 Mitarbeitende in 25 Vollzeitstellen. Im neuen Modell werden es noch 12 Vollzeitpensen sein. Die Angestellten an den beiden Aussenstandorten werden gemäss Geschäftsführer Bürgin von den neuen Besitzern übernommen. Aktuell wisse er lediglich von drei Betroffenen nicht, wie es mit ihnen weitergehen wird.
Mitarbeiter heuern in Lausen an
Mindestens zwei der heutigen Bürgin-Mitarbeitenden werden künftig auf der Lohnliste der Bäckerei Bangerter in Lausen stehen, wie Geschäftsführer und Mitinhaber Simon Grossniklaus auf Anfrage sagt. Sie hätten sich nach ihrer Kündigung bei ihm beworben.
Grossniklaus war über Bürgins Abbaupläne nicht im Bild – zu seinem Bedauern, wie er sagt. Es wäre in seinem Sinne gewesen, wenn frühzeitig innerhalb der Gilde Lösungen für die Mitarbeitenden gesucht worden wären, die nicht weiter beschäftigt werden können.
Die Frage, ob er an den beiden Bürgin-Niederlassungen interessiert gewesen wäre, lässt Grossniklaus offen. Er weist stattdessen darauf hin, dass er «Bangerter» erst seit Anfang 2018 leite und kürzlich in Hölstein eine weitere Filiale eröffnet habe. Vor der Übernahme weiterer Niederlassungen, die ihm im Vier-bis sechs-Monate-Rhythmus angeboten würden, stehe die Stabilisierung des eigenen Geschäfts und die Besetzung noch offener Stellen an seinen bestehenden Standorten im Fokus.