Zwischen Hauptrogenstein und Kalktuff
09.06.2020 Baselbiet, Ormalingen, Kultur, BauprojekteEin Baustellenbesuch auf der Ruine Farnsburg
Seit rund zwei Monaten läuft die Gesamtsanierung der Ruine Farnsburg, bis 2022 sollen die Arbeiten andauern. Wie gut die Gemäuer aber tatsächlich instand sind, zeigt sich häufig erst während der Sanierung. Der stellvertretende ...
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Seit rund zwei Monaten läuft die Gesamtsanierung der Ruine Farnsburg, bis 2022 sollen die Arbeiten andauern. Wie gut die Gemäuer aber tatsächlich instand sind, zeigt sich häufig erst während der Sanierung. Der stellvertretende Kantonsarchäologe Christoph Reding rechnet durchaus noch mit Überraschungen.
Michèle Degen
Wo einen sonst nichts als eine fantastische Aussicht übers Baselbiet, das Rauschen des Windes in den Baumkronen und vielleicht die fröhlichen Stimmen einer grillierenden Familie erwarten, wird derzeit gehämmert, gesägt und gepflastert. Die Ruine Farnsburg ist eine Baustelle.
Vor rund zwei Monaten hat die Gesamtsanierung der Ruine begonnen, bis 2022 soll sie dauern, das Budget beträgt 5,15 Millionen Franken. «Wir arbeiten uns Stück für Stück von Norden nach Süden durch die Ruine», sagt der stellvertretende Kantonsarchäologe Christoph Reding. Derzeit befinden sich ein Teil der Ringmauer sowie die Mauern beim Brunnenhaus im Gerüst. «Wir haben bei den dringendsten Stellen angefangen», sagt Reding. Die Ringmauer und die nördliche Mauer des Brunnenhauses sind in besonders schlechtem Zustand.
Die Farnsburg besteht zu grossen Teilen aus Hauptrogenstein und Kalktuff, beides Kalkstein-Arten. Ersteren erkennt man an seiner Struktur, er scheint aus vielen kleinen Kügelchen zu bestehen, Kalktuff erkennt man an seiner porösen Oberfläche. Nur wenige weitere Burgen im Baselbiet seien ebenfalls aus Hauptrogenstein gebaut worden. «Er eignet sich grundsätzlich gut für den Bau», sagt Reding. «Doch er ist nicht frostresistent.»
Seltene Pflanzen
Solange die Burg überdacht und bewohnt war sowie beheizt wurde, gab es keinerlei Probleme. Doch seit die Burg leer steht, setzen Wasser und Frost ihren Mauern zu. Die Steine zersplittern und werden nur noch durch das Gewicht der Mauer zusammengehalten. Reding kann mit der blossen Hand einige Stücke aus der Ringmauer nehmen – eine Gefahr für die Besucher. Um die Ecke reicht er einem Bauarbeiter einen nicht allzu grossen Hammer, um ohne grossen Kraftaufwand Stücke der Mauer des Brunnenhauses abzureissen.
Ersetzt werden die abgebrochenen Steine durch Laufentaler Kalksteine. Für die Sicherung der Felsfüsse wird Muschelagglomerat verwendet, das bis in die 1920er-Jahre in Tenniken beim Gisiberg abgebaut wurde. Beide Gesteinsarten seien, so Reding, sehr widerstandsfähig und deshalb gut geeignet als Baumaterial für die Ruine. Zudem befindet sich der Stein bereits auf der Baustelle, da er schon bei einer früheren Sanierung verwendet wurde. «Wir würden eigentlich gerne so viel wie möglich mit dem Muschelagglomerat bauen», sagt Reding. Leider könne jedoch nicht mehr von dem Stein beschafft werden, da er in der Region nirgends mehr abgebaut wird.
Die richtige Mischung
Damit die Burg möglichst lang etwas von der Sanierung hat, greifen die Bauarbeiter beim Mörtel auf eine Spezialmischung zurück. Vor Ort wird die geeignete Masse gemischt – nach einer speziellen Rezeptur, die bei der Sanierung der Ruine Pfeffingen zum ersten Mal zum Einsatz gekommen ist. «Für die Sanierung von historischem Bauwerk darf nicht Zement alleine verwendet werden, da er undurchlässig ist», sagt Reding. «Dringt Wasser in die Mauern ein, sucht es sich im Normalfall seinen Weg durch den Fugenmörtel nach draussen, da dies der weichste Bestandteil der Mauer ist», erklärt Reding. «Wenn dieser zu hart ist, weil nur mit Zement gearbeitet wurde, geht das Wasser durch den Stein und macht ihn durch Frostsprengung kaputt. Es geht also nicht ausschliesslich mit Zement, aber ganz darauf verzichten dürfen wir auch nicht.»
So arbeiten sich die Handwerker durch die Burg. Dabei wissen sie nicht immer, wie gut die Bausubstanz unter der Oberfläche ist und ob wirklich nur die geplanten Sanierungsschritte durchgeführt werden müssen, oder ob mehr nötig ist. So war es zum Beispiel bei der Mauer beim Brunnenhaus: Bei einer früheren Sanierung wurde mit neuen Steinen offenbar einfach eine neue Mauer vor die alte gebaut.
Was entstand wann?
Die Burg hielt eine weitere Überraschung für die Arbeiter bereit: Unter der sogenannten langen Stiege befindet sich ein Hohlraum, der bis zu 4,5 Meter hoch ist. Solche Entdeckungen sind besonders interessant für das Archäologie-Team, das ebenfalls beim Bau dabei ist. Die Mitglieder dokumentieren im Rahmen einer bauarchäologischen Untersuchung jedes Teilstück der Ruine und notieren, aus welcher Zeit die verschiedenen Bauteile stammen. Auf der Farnsburg wurde das bisher noch nie gemacht.
Dokumentiert werden jedoch nicht nur die Bauten aus dem Mittelalter, als die Burg noch bewohnt war, sondern auch jene, die bei früheren Konservierungsarbeiten, zum Beispiel in den 1930er- oder 1960er-Jahren, entstanden sind. «Sie sind ebenfalls bereits ein Teil der Geschichte der Burg, jedoch häufig nicht oder nur ungenügend aufgezeichnet», sagt Reding. Für die Archäologen und Archäologinnen sind die Bestandteile der Burg ein grosses Bau-Puzzle, das es zusammenzusetzen gilt.
Doch nicht nur die Burg muss saniert werden. Auch der Fels, auf dem sie steht, birgt Probleme. «Er driftet stellenweise auseinander», erklärt Reding. An mehreren Stellen sollen deshalb im Untergrund der Burg Verankerungen angebracht werden.
Optik spielt eine wichtige Rolle
Doch nicht nur auf die Eigenschaften des Baumaterials kommt es bei der Ruinensanierung an. Auch die Optik spiele eine wichtige Rolle, sagt Reding. «Auch wenn zum Beispiel eine verputzte Mauer, wie es sie auf der Farnsburg auch gibt, für den Erhalt der Bausubstanz oftmals keine schlechte Lösung wäre, geht dadurch das Ruinenerlebnis verloren», sagt er. «Die Besucher wollen erfahren, dass sie sich in einer Ruine befinden. Die Mauern müssen daher Abbruchkanten aufweisen, damit die Leute sich vorstellen können, dass sie einst noch höher oder breiter waren.» Verputzte und oben gerade gemauerte Wände würden da nicht ins Bild passen. Dem will man Rechnung tragen.
Mit der Sanierung werden auch gleich die Sicherheitsvorkehrungen auf der Burg verbessert. Verschiedene Mauern werden dazu höhergezogen und neue Geländer angebracht. Mehr Schutz soll es auch für die Natur geben, denn auf den zum Teil sanierungsbedürftigen Steinen der Farnsburg wachsen mit Schildampfer und Alpenkreuzdorn seltene Pflanzen. Sie sollen nach Möglichkeit erhalten bleiben, wofür eigens ein Pflegekonzept entworfen wurde.
«Die Farnsburg ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der Region», sagt Reding. Auf eine längere Schliessung aus Sicherheitsgründen vor rund acht Jahren reagierte die Bevölkerung mit heftiger Gegenwehr. Deshalb sollen Besucher trotz der Gesamtsanierung wenn immer möglich die Burg aufsuchen können. Derzeit ist die grosse Schildmauer weiterhin zugänglich. Wer die Burg besucht, muss also vorerst ungewohnte Hintergrundgeräusche in Kauf nehmen, doch der Ausblick bleibt fantastisch.