Wer hoch hinaus muss, hat viel Arbeit
25.06.2020 Bezirk Sissach, HemmikenObstbauer Christian Weber pflegt 100-jährige Hochstämme
Schauenburger, Basler Adler und Grenzacher heissen die alten Kirschensorten, die Landwirt Christian Weber auf dem Hof Baregg von seinen zum Teil 100-jährigen Bäumen erntet: Verkauft werden sie im Hofladen und auf den Märkten der ...
Obstbauer Christian Weber pflegt 100-jährige Hochstämme
Schauenburger, Basler Adler und Grenzacher heissen die alten Kirschensorten, die Landwirt Christian Weber auf dem Hof Baregg von seinen zum Teil 100-jährigen Bäumen erntet: Verkauft werden sie im Hofladen und auf den Märkten der Region.
Peter C. Müller
Christian Weber, Landwirt vom Hof Baregg, geht im Kopf noch einmal alle Zahlen durch, diskutiert sie kurz mit seiner Frau Stefanie und meint am Ende: «Ja, wir haben hier über 350 Hochstammbäume auf rund 30 Hektaren Weiden, Wiesen und Ackerland für Weizen und Urdinkel. Zudem haben wir mehr als 3 Hektaren Wald.» Ausserdem halte und pflege man etwa 90 Galloway-Rinder, die von März bis November die Obstgärten beweideten.
«An unseren rund 80 hochstämmigen Kirschbäumen kommen vor allem eher ältere Sorten wie Basler Adler, Grenzacher oder Schauenburger zum Zug», erklärt der Hemmiker Obstbauer weiter. «Von den neueren Sorten wie Giorgia oder Star gibt es aber auch ein paar Bäume.» Die Kirschbäume seien zudem im Vergleich zu den niederstämmigen Obstplantagen, die in der Regel etwa 15 bis 20 Jahre alt werden, bis zu 100-jährig. Regelmässig ersetzt und neu gepflanzt werden die Bäume allerdings bei beiden Wachstumsarten.
Importierte «Schauenburger»
Durch die intensive botanische Weiterentwicklung der Kirschen seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch im Baselbiet ihre Sortenvielfalt stetig gesteigert. Sortennamen wie Brenzer, Krachonier oder Langästler sind schon aus dem 19. Jahrhundert überliefert. Und um 1900 ist der Besitzer des Bad Schauenburg, Emil Flury, in den Libanon gereist und hat das sogenannte Edelreis, also einen Zweig einer bestimmten Kirschensorte, mit nach Hause gebracht. Dieses pfropfte er dann auf die Unterlage einer wilden Süsskirsche. Der Baum gedieh prächtig und hatte hervorragende Eigenschaften. Daraus entwickelte sich die Spätsorte Schauenburger, die von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre die mit Abstand wichtigste Tafelkirschensorte im Baselbiet darstellte und es im Hochstammbereich auch heute noch ist. Hingegen liess sich die Sorte Schauenburger bisher nie auf sogenannt schwachwüchsigen Unterlagen ziehen, sodass sie in Niederstammkulturen nicht anzutreffen ist.
Im Baselbiet sind die Hochstammbäume auch heute noch ein prägendes Landschaftselement, obwohl ihre Anzahl in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zurückging. Zur Kirschblüte verwandelt sich die Landschaft an vielen Orten des Tafeljuras in ein weisses Blütenmeer. In den 1980er-Jahren gelang es dann wie zuvor schon beim Kernobst, die Kirschen auch in Niederstammkulturen zu bewirtschaften. Dadurch wurde der Kirschenanbau, der ohnehin unter hohen Arbeitskosten leidet, rentabler.
Vorteile für die Ökologie
Betroffen von Schädlingen sind beide Kulturarten: «Bei den Hochstammbäumen ist der Schutz und vor allem die Ernte auf der hohen Leiter aber einiges arbeitsintensiver», weiss Christian Weber. Beide müssten mit Pflanzenschutzmitteln vor der Kirschfliege und der Kirschessigfliege, der KEF, aber auch gegen Pilzkrankheiten geschützt werden, doch könne man die Hochstammbäume mit Ästen ab einer Höhe von 1,20 Metern nicht mit Netzen oder Folien vor Schaden bewahren.
«Wir haben zum Beispiel auch begonnen, unsere Kirschbäume – neben dem fachgerechten Schnitt – regelmässig mit Löschkalk gegen die Schädlinge zu schützen», erklärt der Obstbauer. Löschkalk ist eine stark basische Spritzbrühe mit einem pH-Wert von über 12, welche die Früchte für die Eiablage der KEF so weniger attraktiv machen würde. Praxisversuche in den vergangenen zwei Jahren hätten Hinweise darauf gegeben, dass mit Löschkalk eine Schutzwirkung erreicht werden kann, die mit jener von konventionellen Insektiziden durchaus vergleichbar ist.
Vorteile haben die Hochstammbäume erwiesenermassen auch auf die Ökologie einer Landschaft: So ist auch der Hof Baregg Teil des Projekts Obstgarten Farnsberg, das zum Ziel hat, das Gebiet betreffend Artenvielfalt grossflächig aufzuwerten, um seltene und bedrohte Vogelarten wieder anzusiedeln oder sie zu fördern. Dies mit der Pflanzung neuer Bäume, dem Anlegen zusätzlicher Hecken oder mit der Aussaat von Buntbrachen und Blumenwiesen.
Und was passiert mit den Kirschen, die von den Erntehelferinnen und -helfern auch im Rahmen von Landdienstprojekten oder Asylantenprogrammen während der kommenden zwei Monate geerntet werden? «Neben Konserven-, Saft- und Brennkirschen sowie Tafelobst für den Direktverkauf stellen wir verschiedene Nischenprodukte her: Konfitüren oder Gelees, süss-saure Leckereien im Glas, aber auch verschiedene Getränke wie Sirups, Säfte oder Schnäpse», sagt der Landwirt. «Verkaufen werden wir die Spezialitäten einerseits auf dem Genussmarkt in Liestal und andererseits in unserem Hofladen oder per Onlineshop. Damit haben wir kurze Wege und sind nah beim Kunden.»