Sie kennt alle Briefkästen im Dorf
19.06.2020 Bezirk Sissach, Böckten, GemeindenMonika Würsch tritt als Weibelin und Glöcknerin zurück
Da sie kein Zahlenmensch sei, kann Monika Würsch keinen statistischen Rückblick über ihren jahrelangen Einsatz als Weibelin und Glöcknerin vorlegen. Aus beruflichen Gründen tritt die Böckterin von beiden Ämtern per 30. Juni ...
Monika Würsch tritt als Weibelin und Glöcknerin zurück
Da sie kein Zahlenmensch sei, kann Monika Würsch keinen statistischen Rückblick über ihren jahrelangen Einsatz als Weibelin und Glöcknerin vorlegen. Aus beruflichen Gründen tritt die Böckterin von beiden Ämtern per 30. Juni zurück.
Peter Stauffer
«Ich hätte gerne mit meinem Rücktritt bis zum 25-Jahre-Jubiläum gewartet», sagt Monika Würsch. «Berufliche Veränderungen lassen sich aber nicht mehr mit diesen beiden Ämtern vereinbaren», bedauert die Weibelin und Glöcknerin von Böckten. Dieses Bedauern wirkt glaubwürdig, wenn man hört, mit welcher Begeisterung sie vom «Weibelsein» berichtet. «Draussen sein bei Sonnenschein oder Wind und Wetter, Leute treffen, frische Luft geniessen – das liegt mir in den Genen.» Vielleicht habe sie der Beruf ihres Vaters und des Bruders – beide waren Briefträger – beeinflusst und bewogen, sich 1999 um die frei werdende Stelle als Weibelin zu bewerben.
Schon als Kind habe sie, stellvertretend für die reguläre Verträgerin, «Meyers Modeblatt» in die Häuser verteilt und sich so ein Taschengeld verdient. Mit Schmunzeln erinnert sie sich, dass sie jeweils beim Marti-Beck ein halbes Weggli und ein Schoggistängeli erhalten habe. Ob sie als Weibelin beim Verteilen des Gemeindeblatts oder der Stimmunterlagen auch hie und da etwas von der «Kundschaft» zugesteckt erhalten hat, entzieht sich der Kenntnis der «Volksstimme».
Für die regelmässig anfallenden Aufgaben erhielt Würsch von der Gemeinde eine Pauschale. Für gewisse Verteilaktionen von Gemeindeinformationen wurde sie stundenweise entschädigt. Auf dem «Stundenblatt» – wie sie es nennt – führte sie für diesen Zeitaufwand minutiös Buch. Jedes halbe Jahr lieferte sie dieses zur Abrechnung der Gemeinde ab. Für Aufträge von Vereinen oder Einladungen zu lokalen Anlässen rechnete sie mit den Auftraggebern direkt ab.
Dass der Corona-Lockdown auch am Job der Weibelin nicht spurlos vorübergegangen ist, zeigt sich auf dem aktuellen «Stundenblatt»: Zwischen Ende Februar und Anfang Juni herrscht gähnende Leere. In dieser Zeit war sie nie mit Wägeli oder Rucksack für aussergewöhnliche Aktionen unterwegs.
An negative Begleiterscheinungen bei der Ausübung ihres Amts kann sie sich nicht erinnern, hingegen an zwei Begebenheiten eher kurioser Art: Einmal sei ihr ein Mann hinterhergerannt und habe sie einigermassen aufgebracht darauf aufmerksam gemacht, dass auf seinem Briefkasten ein Anti-Werbe-Kleber angebracht sei. Nach der Aufklärung, dass sie von der Gemeinde autorisiert sei, habe sich die Sache schnell friedlich erledigt. Ein ander Mal habe, bedingt durch einen technischen Fehler, eine Seite im bereits zur Hälfte verteilten Gemeindeblatt gefehlt. So musste sie halt die halbe Tour nochmals mit einer einzelnen Seite absolvieren. Sie habe sich auf der Tour gerne kurz mit den Leuten ausgetauscht, mit der Betonung auf «kurz», dauerte doch eine Tour rund zweieinhalb Stunden. Zu Inhalten der verteilten «Post» habe sie sich nicht geäussert und sich neutral verhalten.
Nun wird sie also am 29. Juni zum letzten Mal das Gemeindeblatt verteilen, diesmal mit ihrer Nachfolgerin, Anna Crelier. Der Grund ihres Rücktritts sei nicht etwa Frust oder irgendeine Meinungsverschiedenheit. Im Gegenteil, sie hätte gerne weitergemacht. Der Grund liegt darin, dass sie in ihrem Pflegeberuf in eine andere Abteilung mit einem neun Chef versetzt wird und ihr Arbeitsplatz ab 1. August neu das Bruderholzspital ist. Eine zweijährige berufliche Weiterbildung bedingt, dass ihr Pensum in Zukunft 80 Prozent beträgt. Dies und der weitere Arbeitsweg lassen sich nicht mehr mit den beiden Ämtern für die Gemeinde vereinbaren.
Zur Person
rr. Monika Würsch, Jahrgang 1965, ist in Böckten aufgewachsen und ist mit Leib und Seele Böckterin. Mit ihrem Mann zusammen, einem Geo-Techniker bei den SBB, wohnt sie im Eigenheim in der Nähe ihres Elternhauses. Die drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, sind erwachsen und ausgezogen. Dass sie ein «Landkind» ist und die freie Natur liebt, ist ihr vor allem während der zwei Jahre, als sie in Dübendorf wohnhaft war, bewusst geworden.