AHNIG VO BOTANIK
15.05.2020 Baselbiet, NaturBlühen Waldbäume überhaupt?
Andres Klein
Im Moment zeigt sich unser häufigster Waldbaum in einem wunderbaren Laubkleid aus zartem Hellgrün. Das veranlasste einen Bekannten, mich zu fragen, ob denn Waldbäume auch blühen. Um das zu beantworten, ...
Blühen Waldbäume überhaupt?
Andres Klein
Im Moment zeigt sich unser häufigster Waldbaum in einem wunderbaren Laubkleid aus zartem Hellgrün. Das veranlasste einen Bekannten, mich zu fragen, ob denn Waldbäume auch blühen. Um das zu beantworten, gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten. Erstens kann man im April in den Wald gehen, eine Buche mit tiefliegenden Ästen genau anschauen. Dort findet man dann ganz unscheinbare weibliche und männliche Blüten.
Zweitens kann man ein Botanik-Buch konsultieren. Dort sollte unter anderem stehen: «Die Buche ist ein Laubbaum aus der Familie der Buchengewächse. Buchengewächse gehören zu den Blütenpflanzen.» Daraus schliessen wir, dass die Buche Blüten hat. Obwohl die Buchen sehr mächtig sind, bilden sie kleine Blüten, die nicht so auffällig sind wie die der Magnolien oder Tulpenbäume. Im Prinzip bilden heute alle Bäume Blüten. Als Ausnahme gibt es Palmfarne, die einen baumartigen Wuchs haben und keine Blüten, sondern Sporen bilden und somit zu den Sporenpflanzen gehören.
Eine dritte Möglichkeit, um herauszufinden, dass die Buche Blüten hat, ist, im Herbst deren Früchte zu suchen. Diese heissen Buchnüsschen, sind kastanienbraun, ungefähr 1 Zentimeter gross und sehen aus wie ein kleines Tetrapack mit zum Teil eingedrückten Seiten. Buchnüsschen schmecken nicht nur den Buchfinken, sondern auch den Wildschweinen und Mäusen. Auch unsere Hausschweine genossen diese Frucht, als sie noch im Wald weiden durften. Deshalb haben unsere Vorfahren neben der Eiche auch die Buche gefördert.
Übrigens hat ein Freund von mir vor drei Jahren mehr als 50 Kilogramm Buchnüsschen gesammelt, geschält und das Öl herauspressen lassen. Er fand es sehr schmackhaft. Per Zufall erfuhr ein Spitzenkoch, dass er solches Öl hergestellt hatte. Er kaufte ihm den Rest ab. In Deutschland wird dieses aromatische Öl für über 250 Franken pro Liter gehandelt. Buchnüsschen zu sammeln wäre somit ein toller Nebenverdienst, doch gibt es leider nur alle vier bis sieben Jahre ein Mastjahr, dass heisst, so viele Nüsschen, dass man genügend finden könnte.
Die Buche passt optimal zu unserem Klima und unseren Kalkböden. Sie ist aber auch so häufig, weil sie von unseren Vorfahren gefördert wurde. Diese konnten noch kein billiges Erdöl von arabischen Scheichs oder von russischen Zaren kaufen. Sie heizten mit Holz, und dies am liebsten mit Buchenholz, das einen sehr hohen Brennwert hat.
Buchenholz wird seit jeher gerne für den Innenausbau wie Treppen und Türen und für Möbel verwendet. Seit diesem Jahr wird in einem Pionierprojekt im Kanton Jura Bauholz produziert. Buchenholz ist stärker als Nadelholz. Das bedeutet, es hält deutlich mehr Zug- und Druckkräfte aus als Nadelholz. Somit kann mit schlankeren Balken gebaut werden, was zu einer eleganteren Architektur und zu Raumgewinn führt.
Übrigens hat der Name der Buche nichts mit Buch oder Buchstabe zu tun, ausser dass es ähnlich klingt. Nach heutigem Wissen haben die Wörter «Buch» und «Buche» einen unterschiedlichen Ursprung. Trotzdem kann man in vielen Büchern viel über Buchen lesen.
Andres Klein ist Biologe. Er lebt in Gelterkinden.