KMU versus Grossverteiler
21.04.2020 Baselbiet, Gelterkinden, Bezirk SissachUeli Frei
«Das geht so nicht», sagt Andreas Müller. Für den Geschäftsführer der Muff Haushalt AG in Sissach bedeutet der Entscheid des Bundesrats von vergangenem Donnerstag einen Affront. Wenn am kommenden Montag nur Gartencenter und Baufachmärkte öffnen dürfen, ...
Ueli Frei
«Das geht so nicht», sagt Andreas Müller. Für den Geschäftsführer der Muff Haushalt AG in Sissach bedeutet der Entscheid des Bundesrats von vergangenem Donnerstag einen Affront. Wenn am kommenden Montag nur Gartencenter und Baufachmärkte öffnen dürfen, haben diese gegenüber den Eisenwaren- und Haushaltgeschäften einen Wettbewerbsvorteil von 14 Tagen. «Jetzt ist Saison, die Grills stehen im Lager», gibt Müller zu verstehen.
Als Präsident von Swissavant, dem Wirtschaftsverband Handwerk und Haushalt, vertritt Müller schweizweit die Eisenwaren- und Haushaltgeschäfte. Dass die Sicherheits- und Hygienevorschriften einzuhalten sind, steht für ihn ausser Frage. Die kleineren Geschäfte seien aber genauso fähig, diese zu gewährleisten.
Onlineshop bringt Neukunden
Bisher habe Müller die Entscheide des Bundesrats nachvollziehen können. «Solange für alle die gleichen Bedingungen gelten», präzisiert er. Etwas anders sieht dies Peter Blaser von der Maurer Radio Television AG. Er unterstellt dem Bundesrat keine planlose Bevorzugung der Grossverteiler. «Das Risiko einer Ansteckung steigt mit der Frequenz», ist derVerwaltungsrat des in Sissach und Liestal ansässigen Fachgeschäfts überzeugt. Je mehr Geschäfte geöffnet haben, umso mehr Leute sind auf der Strasse. Dennoch teilt Blaser Andreas Müllers Unmut. «Es ist nicht lustig.» Mit Blick auf die nahe Zukunft zeigt er dennoch Verständnis für das Vorgehen der Landesregierung. «Wenn eine zweite Welle kommt, dann haben wir das Geschenk», gibt Blaser zu bedenken und bittet seine Leidensgenossen deshalb um Geduld. «Das Virus diktiert die Auflagen, nicht der Bundesrat.»
In den 134 Jahren ihres Bestehens hat die Papeterie Pfaff in Sissach hin und wieder schwere Zeiten erlebt. Seniorchef Hans Ruedi Pfaff hat deshalb seinen Humor nicht verloren. «Kugelschreiber gelten als Güter des täglichen Bedarfs», zitiert er die Auflagen des Bundesrats mit einem Schmunzeln. Ergo hätte er zumindest einen Teil seines Sortiments auch weiterhin verkaufen dürfen.
Mit dem Ausbau des Onlineshops habe seine Papeterie viele Neukunden gewonnen. «Mit viel Aufwand zwar», sagt Pfaff. Während der Krise haben die Auslieferungen stark zugenommen. «Aber wir bekommen viele Komplimente, das motiviert», freut er sich. Dass die Grossverteiler mit zumindest teilweise deckungsgleichem Sortiment einen zweiwöchigen Wettbewerbsvorteil bekommen sollen, findet er nicht gerecht.
KMU hätten das Nachsehen
«Wir müssen uns wehren», sagt Pfaff. Ein Kunde pro 20 Quadratmeter, lautet die Vorgabe. «Wenn wir nicht mehr als vier Kunden im Laden haben, halten wir diese Vorschriften ein.» Der Bundesrat diskutiere nur mit jenen Verbänden, welche die Grossverteiler und Einkaufscenter vertreten. «Wir wurden gar nicht gefragt», stellt er fest. Zehntausende von kleinen und mittleren Ladengeschäften hätten das Nachsehen.
Dennoch zeigt sich Pfaff zuversichtlich, die Krise zu überstehen. Anders tönt es bei Spielwaren Rickenbacher in Gelterkinden. Als «ganz schlecht» kommentiert Geschäftsführerin Sybille Binkert den Entscheid des Bundesrats. «Unsere Existenz ist bedroht.» Die Auswirkungen des Lockdowns seien verheerend. Der durch telefonische Beratung und das Internet generierte Umsatz decke die Fixkosten bei Weitem nicht.
Andreas Müller von der Muff Haushalt AG will den Entscheid des Bundesrats nicht einfach hinnehmen. Mit einem Brief an den Gesamtbundesrat verlangt der Verband Swissavant, dass die Eisenwaren- und Haushaltgeschäfte den Bau- und Gartenfachmärkten gleichzustellen sind. Eine Antwort erwartet Müller noch diese Woche. Und diese wird sich sehr wahrscheinlich auch auf die anderen Detaillisten auswirken.