Schüler verspäten sich wegen S9
13.03.2020 Bezirk Sissach, Känerkinden, Buckten, Verkehr, BildungEltern von Sekschülern wünschen sich alte Buslinie zurück
Seit dem Fahrplanwechsel sitzen zur Freude des Kantons wieder mehr Passagiere im «Läufelfingerli». Es gibt aber auch Verlierer des neuen Konzepts: Schulkinder aus dem Homburgertal fühlen sich gestresst durch das viele ...
Eltern von Sekschülern wünschen sich alte Buslinie zurück
Seit dem Fahrplanwechsel sitzen zur Freude des Kantons wieder mehr Passagiere im «Läufelfingerli». Es gibt aber auch Verlierer des neuen Konzepts: Schulkinder aus dem Homburgertal fühlen sich gestresst durch das viele Umsteigen und kommen vermehrt zu spät zum Unterricht.
Sebastian Schanzer
Für die S9 zwischen Sissach und Läufelfingen scheint sich der Fahrplanwechsel vom vergangenen Dezember auszuzahlen. Neue Erhebungen der Abteilung öffentlicher Verkehr beim Kanton zeigen: An Werktagen sind die durchschnittlichen Fahrgastzahlen deutlich angestiegen. Waren es im Fahrplanjahr 2018 durchschnittlich noch 630 Personen pro Werktag, zählte der Kanton im Januar 2020 durchschnittlich 806 Personen. Das entspricht einem Anstieg von 28 Prozent. Gezählt wurde im Abschnitt zwischen Diepflingen und Sissach. Die Buslinie 108 verlor gemäss der Erhebung auf derselben Strecke 14 Prozent der Fahrgäste, unter anderem, weil die parallel zur S9 fahrenden Busse aufgehoben wurden.
Diese Ergebnisse seien aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsperioden zwar mit Vorsicht zu geniessen, wie ÖV-Planer Dominic Wyler sagt. Das Ergebnis entspricht aber dem, was sich der Kanton durch die Verlagerung von Bus auf die Bahn in seinem neuen Angebotskonzept erhofft hatte: Das «Läufelfingerli» wird gestärkt.
Rennen, um pünktlich zu sein
Was den Kanton freut, ist für einige Eltern aus dem Homburgertal Anlass zum Ärger. Kinder aus Känerkinden oder Wittinsburg, welche die Sekundarschule in Sissach besuchen, müssen auf ihrem täglichen Schulweg morgens zweimal umsteigen. Nutzten sie zuvor die direkte Linie 108 zur Sekundarschule, steigen sie heute zunächst in die Buslinie 109 nach Buckten, um dort aufs «Läufelfingerli» umzusteigen und in Sissach erneut den Bus zur Sek zu nehmen. Nicht selten hat die S9 Verspätung, die Jugendlichen aus dem Homburgertal verpassen in Sissach den Anschluss und müssen zur Schule rennen, damit sie nicht zu spät kommen. Für die zweite Morgenlektion um 8.25 Uhr gibt es derzeit überhaupt keine taugliche Verbindung mehr aus dem Homburgertal. Betroffene Schüler müssen den früheren Bus nehmen und knapp 20 Minuten auf den Schulbeginn warten.
Rebecca Brun und Bettina Bucher aus Känerkinden haben sich mit anderen unzufriedenen Eltern zusammengeschlossen, um auf dieses Problem hinzuweisen und mit Schulleitung und Kanton nach Lösungen zu suchen. «Die Kinder sind am Morgen total gestresst. Oft betreten sie als Letzte das Klassenzimmer, während die Lehrperson und die übrigen Schüler bereits parat sind und grosse Augen machen», sagt Brun. Manche Jugendliche hingegen versuchten gar nicht erst, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen und würden jene, die zum Schulhaus springen, verspotten. «Sie lernen, dass es keine Rolle spielt, wenn man zu spät kommt. Die Wirtschaft wird sich freuen», kommentieren die beiden Mütter.
Bei der Sekundarschule in Sissach ist man sich des Problems bewusst. Schulleiter Matthias Schafroth sagt: «Wir nehmen wahr, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler insbesondere wegen des häufigen Umsteigens unter Stress leiden.» Man habe das Lehrpersonal deswegen angewiesen, Verständnis zu zeigen, wenn die Jugendlichen aus dem Homburgertal zu spät zum Unterricht erscheinen. «Die Situation ist zwar nicht optimal, aber bis zum nächsten Fahrplanwechsel ist keine Verbesserung zu erwarten», sagt er. Bereits bei der Fahrplanvernehmlassung hatte die Sissacher Schulleitung und der Sekundarschulrat den ÖV-Planer Dominic Wyler auf die Problematik hingewiesen – ohne Erfolg. «Das Problem ist das ‹Läufelfingerli›», sagt Schafroth, «mit dem neuen Verkehrsregime sind viel mehr Kinder betroffen, wenn die S9 zu spät in Sissach ankommt.» Waren es bisher lediglich die rund 60 Jugendlichen aus Läufelfingen, kommen nun noch einmal so viele Betroffene aus Känerkinden, Wittinsburg und Buckten dazu.
Schulzeiten angepasst
Wyler bestätigt auf Anfrage: «Ja, der neue Fahrplan bedeutet eine Verschlechterung für die Schülerinnen und Schüler aus dem Homburgertal.» Das sei aber die logische Konsequenz aus der Abstimmung vom November 2017, als sich das Baselbieter Stimmvolk gegen die Stilllegung der S9 ausgesprochen hatte. Um das «Läufelfingerli» attraktiv zu halten, müssten primär die Anschlüsse für die Pendler funktionieren. Dabei sei es nicht immer möglich, jede Schulbeginn- und -endzeit optimal zu berücksichtigen, so Wyler.
Zumindest in einem Problemfall konnte die Sissacher Schulleitung hingegen reagieren. Damit die Jugendlichen nach Schulschluss am Nachmittag nicht gezwungen sind, bis zu einer ganzen Stunde auf den Zug zu warten, hat man den Schulbeginn am Nachmittag um fünf Minuten vorverschoben. Diese einzelne Massnahme reicht den besorgten Eltern aber nicht aus. Ihre Forderung ist klar: «Wir wollen die direkte Verbindung für unsere Kinder zurück. So haben wir uns das nicht vorgestellt.»