«Ich litt sehr beim Schreiben»
10.03.2020 Bezirk Sissach, Rünenberg, KulturIrène Böhm verarbeitet ihre Krankheit Porphyrie
jg. Welch ein Gegensatz zum lyrischen Buch von Barbara Scheibler: Nüchtern, direkt und offen schildert Irène Böhm ihr Leben und damit ihren epischen Kampf gegen die Porphyrie. Vor 25 Jahren begann ihre Geschichte mit der ...
Irène Böhm verarbeitet ihre Krankheit Porphyrie
jg. Welch ein Gegensatz zum lyrischen Buch von Barbara Scheibler: Nüchtern, direkt und offen schildert Irène Böhm ihr Leben und damit ihren epischen Kampf gegen die Porphyrie. Vor 25 Jahren begann ihre Geschichte mit der seltenen Erbkrankheit. Als die Ärzte nach dem ersten Krankheitsschub der Ursache einen Namen gaben, hatte sie Glück. Viele Betroffene irren jahrelang ahnungslos durch die Arztpraxen. Doch den Namen Porphyrie hatte sie am Ausgang der Praxis bereits vergessen, wie sie in ihrem Buch schildert. Wird wohl nicht so schlimm sein …
Die heute 58-jährige Frau aus Rünenberg täuschte sich: Die mit Schüben und heftigen, kolikartigen Schmerzen einhergehende Nervenkrankheit stellte ihr Leben komplett auf den Kopf und hinderte die naturverbundene Frau im letzten Moment daran, eine Familie zu gründen. Aufgrund der Krankheit verlor sie ein Kind, und an ihr zerbrach auch ihre Ehe.
Der Umgang mit ihrer Krankheit sei «ein Üben Tag für Tag: loslassen, bei mir sein, mich spüren und immer wieder loslassen», beschreibt sie den Weg, wie ihre Krankheit allmählich zum Bestandteil ihres Lebens wurde. Und weiter heisst es in der Lektüre, die den Leser fast physisch schmerzt: «Die Schübe blieben zwar nicht aus, doch der Umgang mit ihnen begann sich zu normalisieren.»
In «Mein Leben mit Porphyrie» arbeitet die Autorin chronologisch ihre Krankengeschichte auf und macht dabei auch ihre gesammelten Notizen publik. Seit dem Ausbruch der Krankheit 1995 kamen bis 2019 genau 387 Schübe zusammen, 144 davon führten sie ins Spital. 2017 erlitt sie einen besonders heftigen Schub, der sie vorübergehend vollkommen lähmte. Zwei Jahre später notiert sie 19 Schübe, musste dabei aber erstmals nicht mehr stationär behandelt werden.
Dass sie in dieser langen Zeit auch psychisch sehr litt, liegt nahe. Sie schlägt um dieses Thema ebenso wenig einen Bogen wie um das einer Leberspende: Eine Organtransplantation hätte ihr Erleichterung versprochen. Böhm schildert ihre ethischen und medizinischen Bedenken, die sie zu einem Nein bewogen. «Ich liebe meine Leber, wie sie ist, auch mit Porphyrie», schreibt sie.
Aktiv trotz Einschränkungen
Irène Böhm bemüht sich gleichwohl, nach Möglichkeit am öffentlichen Leben teilzunehmen. So engagiert sie sich als freie Mitarbeiterin der «Volksstimme», obschon ihr wegen ihrer erheblichen feinmotorischen Einschränkungen das Schreiben schwerfällt und sie sich deshalb fürs Tippen spezielle Stifte gebastelt hat. Im Gespräch gesteht sie: «Es war ein grosser Verarbeitungsprozess, und natürlich litt ich auch beim Schreiben.» Dass sie das Schreiben dazu zwang, ihre Krankengeschichte nochmals zu durchleben, beurteilt sie als wertvoll, um ihr Los zu verarbeiten. Andere Betroffene hätten ihr dafür gedankt, dass sie ihr gemeinsames Schicksal in Worte gekleidet habe.
«Mit der Beendigung dieses Buches liegen vier arbeitsintensive Monate hinter mir, mit einem ebenso intensiven inneren Prozess», schreibt die Oberbaselbieterin in ihrem Schlusswort, das sie mit folgenden Sätzen beendet: «Dieser Aufarbeitungsprozess löste einiges aus: Trauer, Erschöpfung, Erleichterung, Erkenntnis und schliesslich Bewusstsein und Stolz. Dieser Prozess war auch Balsam für die Seele.»
Doch blättern wir noch zurück zum Anfang. Das Wort zum Beginn des Buches überlässt sie Marie-Therese Buser vom freiwilligen Begleitdienst des Roten Kreuzes, welche die Patientin regelmässig besucht. Sie schreibt: «Wenn ich Irène erlebe und nun ihre Geschichte lese, dann bin ich berührt von so viel Gesundheit, von einer so gesunden Frau, die in diesem kranken, behinderten Körper lebt.»
Irène Böhm liest
jg. Irène Böhm wird am Sonntag, dem 15. März, um 16.15 Uhr im Tanzsaal des Restaurants Rössli in Zeglingen eine musikalisch umrahmte Lesung aus ihrem Buch «Mein Leben mit Porphyrie» abhalten. In diesen Saal zog sich die Rünenbergerin zurück, um ihr autobiografisches Buch zu verfassen. Interessierte sind gebeten, sich per Mail unter willkommen@roessli-zeglingen.ch anzumelden.