Patrouillen auf dem Schulweg
06.02.2020 Baselbiet, Polizei, Bildung, Bezirk SissachChristian Horisberger
Viele Kinder werden auf dem Schulweg gemobbt, bedroht oder verprügelt, manche sind Übergriffen Erwachsener ausgesetzt oder Freiwild für Drogenhändler. Und keiner schützt sie ausreichend. So sieht es jedenfalls Patrick Müller aus Niederdorf. Und ...
Christian Horisberger
Viele Kinder werden auf dem Schulweg gemobbt, bedroht oder verprügelt, manche sind Übergriffen Erwachsener ausgesetzt oder Freiwild für Drogenhändler. Und keiner schützt sie ausreichend. So sieht es jedenfalls Patrick Müller aus Niederdorf. Und der Vater einer Tochter im Sekundarschulalter will dabei nicht tatenlos zuschauen. Weil Schule, Sozialarbeiter und Polizei alleine offenbar überfordert seien, packt Müller mit an. Der von ihm mitbegründete «Kinder- und Jugendschutz Verein Schweiz» (KJVS) schickt professionelle Sicherheitsleute auf Patrouille, die einen Beitrag dazu leisten sollen, dass Kinder unbehelligt ihren Schulweg bewältigen können.
Der KJVS wurde kürzlich aus der Taufe gehoben. Dem Vorstand gehören neben Präsident Müller Oliver Fischer aus Dulliken und Jurate Kalvyte, ebenfalls aus Niederdorf, an. Finanzieren will der Verein seine Patrouillen mit den Vereinsbeiträgen der Mitglieder, Sponsorengeldern sowie Einkünften aus eigenen Veranstaltungen, Leistungsvereinbarungen und Subventionen. Wobei Müller den Vereinsbeiträgen die grösste Bedeutung zumisst.
Damit verbunden sei analog zum TCS-Pannenschutz eine Versicherung für KJVS-Mitglieder in einer familiären Notlage. Müller nennt ein Beispiel: Erkrankt, verunfallt oder stirbt der Familienvater, steht der Verein der Mutter bei, um die Krise zu bewältigen, sei es auf psychologischer Ebene, mit der Begleitung auf Amtsgängen oder dem Fahren der Kinder zu Verwandten. Er selber habe diese Situation erlebt, als sein Stiefvater starb, sagt Müller. Seine Mutter sei damals völlig überfordert gewesen. Eine harte Prüfung für eine Familie.
Eltern haben Angst um Kinder
Auch das Engagement mit dem KJVS hat einen persönlichen Hintergrund: Müllers Tochter sei als 16-Jährige vor ihrer damaligen Schule von einem erwachsenen Mann angesprochen worden, der sie einlud, ihn zu begleiten. Ausserdem hat Müller festgestellt, dass viele Eltern, vor allem Mütter, ihre Kinder mittags von der Schule abholen. Als er sich bei diesen Müttern nach dem Grund erkundigte, habe er herausgehört, dass sie befürchteten, ihre Kinder würden Opfer von Mobbing und Prügel. Auch gehe im Dorf das Gerücht um, dass Erwachsene versucht hätten, an Schulkinder «heranzukommen». Dennoch habe er auf dem Schulweg noch nie einen Polizisten, Sozialarbeiter oder Lehrer gesehen.
Da entweder der Wille oder im Fall der Polizei die Kapazitäten fehlten, wurde Müller selber aktiv. Als früherer Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes weiss er um die abschreckende Wirkung von Sicherheitspatrouillen. «Da überlegt sich auch ein Schläger zweimal, ob er ein anderes Kind verprügeln soll», ist er überzeugt. «Das gibt potenziellen Opfern Sicherheit, gleichzeitig sind die Leute eine Anlaufstelle für die Schulkinder, wenn sie sich bedroht fühlen.» Müller will die Sicherheitsleute sowohl uniformiert als auch in zivil patrouillieren lassen. Wobei er nicht von uniformiert spricht, sondern von «beschriftet». Die Beschriftungen hat der Selbstständigerwerbende selber gestaltet und produziert. Auch eine Website hat er kreiert.
«Wir sind keine Bürgerwehr», betont der Vereinspräsident. Auf Patrouille würden aus rechtlichen Gründen ausschliesslich Profis geschickt, die der Verein speziell für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen zusätzlich schult. Seine Patrouillen, die nur die Schulwege, nicht aber Schulareale kontrollierten, versteht Müller nicht als Polizei-Ersatz, sondern als «Menschen, die unterstützen». «Wer mit der Einstellung loszieht, er sei ‹Polizist›, trete anders auf als einer, der sich sagt, er sei für Kinder da, die Hilfe brauchen.»
Vorbereitungen in Gemeinden laufen
Es sei auch nicht seine Absicht, einen Überwachungsstaat zu schaffen, so Müller. «Wenn sich jemand einmal danebenbenimmt, wird nicht gleich Alarm geschlagen», versichert er. Sollten die Patrouillen aber wiederholt dieselben Konfliktsituationen- und parteien antreffen, hält er es für sinnvoll, ein Gespräch zwischen den Beteiligten und deren Eltern zu initiieren oder Dritte, etwa Jugendarbeiter, beizuziehen.
Der Verein bereitet seine Tätigkeit nun vor. Müller und Fischer sind derzeit in Liestal, Pratteln und Muttenz unterwegs, um die Hauptströme der Schüler zu eruieren und in Gesprächen vor Ort – auch mit Jugendarbeitern – die «Knackpunkte» herauszufinden, wie Müller sagt. Polizei, Schulen und Gemeindebehörden informiere der Verein über seine Tätigkeit, ehe er die uniformierten Patrouillen losschickt. Die Einsätze würden parallel zum Spendenaufkommen hochgefahren und das Einzugsgebiet erweitert. Die Kantonsgrenzen seien dabei kein Hindernis. Den Namen Kinder- und Jugendschutz Schweiz haben die Gründer nicht zufällig gewählt.
Müller erzählt mit einer derartigen Überzeugung, dass man denken könnte, es sei die leichteste Sache der Welt, Mobbing, Gewalt und Drogen auf dem Schulweg unter Kontrolle zu bringen. Ob er sich nicht überschätze? Müller präzisiert: «Wir bilden uns nicht ein, alles besser zu machen.» Vielmehr wolle der Verein unterstützend zur Sicherheit der Schülerinnen und Schüler beitragen.
Im Übrigen tausche sich der Verein auch mit der Polizei über Hotspots aus. Die Stadtpolizei Liestal, mit der Müller in Kontakt steht, würde die Aktivitäten des Vereins begrüssen. Die Polizei Basel-Landschaft habe von den Aktivitäten des KJVS bislang keine Kenntnis, sagt Sprecher Adrian Gaugler auf Anfrage. Daher könne dazu auch noch keine fundierte Aussage gemacht werden.