Neue drängen zwei Bürgerliche aus dem Rat
11.02.2020 Bezirk Sissach, Wahlen, SissachDaniel Stocker (FDP) und Fredi Binggeli (SVP) abgewählt – Gieri Blumenthal im Glück
Die Gemeinderatswahl in Sissach endete mit einer faustdicken Überraschung. Die neu Antretenden Roland Schmitter und Stephan Marti werden klar gewählt – auf Kosten der Vertreter von SVP und ...
Daniel Stocker (FDP) und Fredi Binggeli (SVP) abgewählt – Gieri Blumenthal im Glück
Die Gemeinderatswahl in Sissach endete mit einer faustdicken Überraschung. Die neu Antretenden Roland Schmitter und Stephan Marti werden klar gewählt – auf Kosten der Vertreter von SVP und FDP.
Christian Horisberger
Ehe die ersten Böen von «Sabine» am Sonntagabend übers Land fegten, sorgten Sissachs Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für frischen Wind im Gemeinderat: Sie wählten die beiden Herausforderer Roland Schmitter (parteilos) und Stephan Marti (Pro-Sissach) in die Exekutive – auf Kosten von Fredi Binggeli (SVP) und Daniel Stocker (FDP).
Das Podest sieht aus wie schon vor vier Jahren: Ganz zuoberst Gemeindepräsident Peter Buser (Stechpalme, 1417 Stimmen), dem die Kostenüberschreitung beim Umbau der Kunsteisbahn – das ist sein Dossier – offenbar nichts anhaben konnte. Zu seiner Rechten Sport-Chefin Beatrice Mahrer (parteilos, 1358), die einzige Frau im Bund. Bronze geht an Finanzchef Lars Mazzucchelli (SP, 1318). Kulturund Sicherheitschef Robert Bösiger (Stechpalme, 1231) verbessert sich gegenüber 2016 vom 6. auf den 4. Platz. Es folgen nahe beieinander Schmitter (1149) und Marti (1122).
Das Trio Gieri Blumenthal (parteilos, 974), Fredi Binggeli (970) und Daniel Stocker (964) folgt mit deutlichem Rückstand, aber innerhalb von zehn Stimmen. Die Wahl Blumenthals ist aus dieser Warte eher dem Zufall zuzuschreiben als einem klaren Wählerwillen. Jeder der drei hätte den Kopf aus der Schlinge ziehen können.
«Ich habe nur gewinnen können: die Wahl oder Freizeit», sagt Fredi Binggeli nach dem Wahlsonntag munter. Er sei nun «vogelfrei», könne reisen, ohne Rücksicht auf die Gemeinderatsarbeit nehmen zu müssen. Dennoch enttäuscht ihn das Scheitern: «Wenn jemand im Amt nichts tut oder Mist baut, ist eine Abwahl nachvollziehbar. Aber ich habe viel gerissen und bewegt, Veränderungen eingeleitet, auch in den Bereichen Nachhaltigkeit und Energie», sagt Binggeli. Das sei an der Urne nicht honoriert worden. «Von wegen Wahltag ist Zahltag ...»
Stocker und die Begegnungszone
Als wahrscheinlichsten Grund für die Schlappe nennt Binggeli seine Äusserung im Vorfeld der Wahl, dass er sich ein anderes Präsidium vorstellen könne. Möglicherweise habe ihn auch die weiterhin rollende grüne Welle Stimmen gekostet. Auch in anderen Gemeinden musste seine SVP Federn lassen. Binggeli ist ein Macher; direkt, redet nicht lange um den heissen Brei. Ist ihm seine direkte, auch fordernde Art zum Verhängnis geworden? Er glaubt das nicht. Er arbeite zielgerichtet und effizient, «wenn das jemandem nicht genehm gewesen wäre, hätte ich das zu spüren bekommen».
Als Ursache für die Abwahl Stockers ist des Öfteren das Stichwort Begegnungszone zu hören. Der Freisinnige, seit sieben Jahren im Amt, ist für das Dossier verantwortlich. Die Kritik für die nur zögerliche Verbesserung der Verkehrssituation im Zentrum fokussierte sich auf ihn. «Niemals ist das der Grund für meine Abwahl», ist Stocker überzeugt. Sehr viele Sissacher möchten in der Begegnungszone nichts ändern, sagt er. «Die anderen schreien bloss lauter.» Die Bürgerlichen – er und Binggeli – hätten in den vergangenen Jahren gute Arbeit im Gemeinderat geleistet, und sie hätten eine eigene Meinung. Stocker macht für seine und Binggelis Abwahl deshalb den politischen Trend im Kanton aus: grün anstelle von bürgerlich. Als Sportler – Stocker coacht Curling-Teams – akzeptiere er die Niederlage und schaue nach vorne. «Mir wird sicher nicht langweilig.»
Die beiden Abgewählten sind im Wahlkampf zusammen mit Stephan Marti aufgetreten. Dieser bedauert «aus bürgerlicher Sicht» deren Scheitern. Gründe dafür kann er keine nennen. «Wir hätten zusammen einiges bewegen können, das müssen wir nun anderweitig erreichen.»
Gemeindepräsident Peter Buser freut sich über sein starkes Ergebnis: Die Stimmbürger hätten jene Dinge, die er gut gemacht habe, offenbar höher gewichtet, als jene, für die er kritisiert worden ist: die Kommunikation zu den Mehrkosten bei der Kunsteisbahn beispielsweise. Die neu formierte Exekutive wertet der Präsident als den Wunsch der Wählerinnen und Wähler nach Bewegung im Gremium. Es sei auch eine Herausforderung an die Bisherigen, sich stärker ins Zeug zu legen und sich in eine andere Richtung zu bewegen. Er freue sich auf ein neues Team und neue Impulse. Das sei auch für ihn als Präsident eine Herausforderung – sofern er bestätigt wird. Damit ist zu rechnen: Die bestätigten Bisherigen haben keine Ambitionen aufs Präsidium, und die Neuen werden es sich zweimal überlegen, ob sie den Präsidenten angreifen wollen, nachdem er das Spitzenresultat gemacht hat.
Richtungswechsel fraglich
Roland Schmitter wertete seine für ihn überraschend klare Wahl und den Ausgang des Urnengangs insgesamt als «ein Statement der Bevölkerung, dass sie eine Veränderung will». Sissach habe nun eine «gute Mischung» im Gemeinderat, und er freue sich auf die Zusammenarbeit.
Auf dem Papier rückt der Gemeinderat nach dem Wahlsonntag nach links. Wie stark dies in der Praxis tatsächlich der Fall sein wird, muss abgewartet werden. Stephan Marti, der dem bürgerlichen Lager zuzuordnen ist, will im Gemeinderat mit Sachpolitik punkten. «Das wollen die Stimmbürger am Ende auch sehen.» Und der parteilose Schmitter will sich in keine Schublade stecken lassen. Er hält einzig fest, dass ihn neben seinem Fachgebiet Bau auch das Thema Nachhaltigkeit sehr reizen würde. Und er wolle sich dafür einsetzen, dass in der Begegnungszone nun «etwas geht».
Für die beiden Abgewählten gilt nun, sich trotz der Roten Karte der Bevölkerung bis Ende Juni ins Zeug zu legen. Dazu Binggeli: «Das ist eine lange Zeit, wenn man bei allem, was man anfasst, weiss, dass man es nicht zu Ende führen kann.»