Mehr als nur Material für Körbe
20.02.2020 Bezirk Waldenburg, Oberdorf, ZiefenSonja Züllig ist Spezialistin für Weiden
Ökologisch wertvolle Gehölze bis biegsames Kulturgut: Unter diesem Titel referiert Sonja Züllig-Morf anlässlich der Generalversammlung des Natur- und Vogelschutzvereins Ziefen heute Abend über ihre Lieblingspflanze, die ...
Sonja Züllig ist Spezialistin für Weiden
Ökologisch wertvolle Gehölze bis biegsames Kulturgut: Unter diesem Titel referiert Sonja Züllig-Morf anlässlich der Generalversammlung des Natur- und Vogelschutzvereins Ziefen heute Abend über ihre Lieblingspflanze, die Weide.
Brigitt Buser
Auf der ehemaligen Hühnerfarm, oberhalb des Alters- und Pflegeheimes Gritt in Oberdorf, wohnen seit zwei Jahren Sonja Züllig-Morf und ihr Mann. Der Grund, warum es das Ehepaar aus der Ostschweiz ins Baselbiet verschlagen hat, ist die laufend zunehmende Sammlung von 400 Kulturformen der Weide, für die es am vormaligen Ort schlichtweg zu eng wurde. Die Liebe zu Weiden fand Züllig-Morf durch ihre Arbeit als Apothekerin in der Heilmittelindustrie. Bei der Suche nach botanischen Arten, deren Inhaltsstoffe sich für einen Aspirinersatz eignen, ging es unter anderem auch darum, diese anhand ihrer äusseren Merkmale zu unterscheiden, worauf sich Sonja Züllig-Morf vermehrt für die Kulturauslesen interessierte.
Aufgrund des hohen Gehalts an Phenolglycosiden wie Salicin und Salicin-Esterverbindungen wurde früher Weidenrinde als Arznei bei Fieber, Schmerzen und Entzündungen angewendet. Nachdem 1897 die synthetisch hergestellten Acetylsalicylsäure, bekannt unter dem Markennamen Aspirin, auf den Markt kam, verlor die Weidenrinde therapeutisch fast gänzlich an Bedeutung. Seit einiger Zeit erlebt sie nun aber in Form standardisierter Phytotherapeutika ein Revival.
Vielseitig einsetzbar
Zudem sind Weidentriebe äusserst biegsam, wodurch sie sich bestens zum Flechten eignen – in ungeschälter Form für Holzkörbe, Zaun- und Sichtschutzelemente, Kletterhilfen für Pflanzen oder als schlichtes Dekoelement. Mit geschälten Trieben entstehen neben dem «Chirsichratten» unterschiedliche Korbformen für den Haushalt. Anders als Kopfweiden, die bei der Weidenliebhaberin entlang des Bächleins gedeihen, wachsen die meisten Auslesen straff aufwärts in nah nebeneinander gepflanzten Bodenkulturen, wodurch sich die Triebe besser zum Flechten eignen.
«Neben Flechtweiden gibt es aber auch Auslesen, die man ausgezeichnet zum Binden verwenden kann», sagt Züllig-Morf. Davon profitiert vor allen der Rebbau, handelt es sich hier doch um ein biologisch abbaubares Produkt, das ziemlich genau ein Jahr haltbar ist. Werden im zeitigen Frühjahr die Rebstöcke neu gebunden, lässt sich das teilweise bereits verrottete Material einfach entfernen. «Kriterien für eine gute Auslese als Bindeweide sind: Schnitt frisch vom Stock, leichtes Verknoten, ohne dabei zu brechen. Nicht jede ansonsten gute Flechtsorte lässt sich im grünen Zustand derart verarbeiten», erklärt Züllig- Morf. «Die Triebe von Flechtweiden hingegen sollten unbedingt straff aufrecht sowie unverzweigt wachsen, wodurch sie sich besser flechten lassen, als solche von Kopfweiden, die im unteren Bereich bogig austreiben und oben Seitentriebe bilden.»
In erster Linie Sortengarten
Und nicht zu vergessen: Bei Weiden ist auch die frühe, pollen- und nektarreiche Blüte bei Bienen und somit auch Imkern sehr begehrt. «Natürlich verkaufe ich auch Triebe zur Bewurzelung, zum Flechten oder als Bindematerial und Auslesen mit grossen Kätzchen für die Imkerei an Private», so die Weidenexpertin weiter. «In erster Linie ist meine Weidensammlung aber ein Sortengarten, um als Forschungsprojekt nachzuverfolgen, ob sich unter den Neuankömmlingen auch weitere Auslesen befinden, die schon vor langer Zeit in der Schweiz kultiviert wurden und somit das Pro-Specie-Rara-Prädikat verdienen.» Für 300 Sorten hat es noch Platz.
Öffentlicher Vortrag «Welt der Weiden – ökologisch wertvolle Gehölze bis biegsames Kulturgut» von Sonja Züllig-Morf. Heute Donnerstag, 19.30 Uhr, im Mehrzweckraum Eienschulhaus Ziefen. Mehr Informationen unter salicetum.ch
Pioniergehölze
bbu. Die Schweiz verzeichnet rund 30 heimische Wildarten von Weiden. Als Pioniergehölze wurzeln sie auf Rohböden und vertragen keine Wurzelkonkurrenz von Nachbarpflanzen. Gemäss Studien und entgegen der landläufigen Meinung kreuzen Weiden in der freien Natur eher selten. Die von Menschenhand gezüchteten Flechtsorten zeigten sich über die Jahrzehnte auch nicht invasiv. Dennoch gehören Kulturpflanzen in Kulturen gepflanzt und nicht in die freie Landschaft.