Gemeinde muss über die Bücher
21.02.2020 Baselbiet, Wittinsburg, Bezirk Sissach, NaturZonenplan muss erneut vor die «Gmäini»
Der Ende 2017 genehmigte Zonenplan von Wittinsburg muss nochmals vor die Gemeindeversammlung. Die Natur- und Landschaftsschutzkommission hatte verschiedene Punkte beanstandet. Das Gericht hiess die Beschwerden teilweise gut.
Michèle ...
Zonenplan muss erneut vor die «Gmäini»
Der Ende 2017 genehmigte Zonenplan von Wittinsburg muss nochmals vor die Gemeindeversammlung. Die Natur- und Landschaftsschutzkommission hatte verschiedene Punkte beanstandet. Das Gericht hiess die Beschwerden teilweise gut.
Michèle Degen
Ein Steinhaufen, zwei Böschungen, ein Streifen Wiese, eine Weide, eine Scheune, drei Bäume, die nicht mehr existieren, eine Feldscheune und ein Wildtierkorridor. Sie oder genauer gesagt ihr Schutz waren am Mittwochnachmittag Gegenstand einer Verhandlung des Kantonsgerichts. Beschwerdeführerin war die regierungsrätliche Natur- und Landschaftsschutzkommission (NLK). Beschwerdegegner einerseits die Einwohnergemeinde Wittinsburg, andererseits der Regierungsrat.
Die Einwohnergemeindeversammlung von Wittinsburg hatte im Dezember 2017 einen neuen Zonenplan sowie neue Zonenvorschriften genehmigt. Die NLK erhob Einsprache gegen diesen Entscheid und beanstandete verschiedene Punkte. Der Regierungsrat prüfte die Beschwerde und wies sie ab. Die Kommission zog sie weiter ans Gericht.
Mehr geschützte Fläche als zuvor
Konkret beanstandete die Kommission, dass die Gemeinde die eingangs genannten Naturobjekte, die bis anhin unter Objektschutz standen und somit verschiedenen Pflegevorgaben unterlagen, aus dem Plan gestrichen hatte. Sie sollten im Inventar verbleiben. Im Weiteren sollte eine Feldscheune neu unter Schutz gestellt werden. Als dritten Punkt beantragte die Kommission, die Landschaftsschutzzone müsse so weit ausgedehnt werden, dass der Wildtierkorridor im Gebiet Eichholde in der Nähe des Durchgangsplatzes für Fahrende sichergestellt sei und nicht durch bauliche Massnahmen zerstört werden kann.
Die Gemeinde hatte die Objekte, die unter Schutz standen, weil sie verschiedenen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum gaben, aus unterschiedlichen Gründen aus dem Zonenplan gestrichen. So seien die beiden Böschungen mittlerweile verwaldet und deshalb nicht mehr schützenswert. Ein Streifen Wiese wurde gestrichen, da es sich nicht mehr – wie noch 1993 – um eine Magerwiese handelt, als der letzte Zonenplan in Kraft trat. Die drei gestrichenen Bäume sowie der Steinhaufen existierten ebenfalls nicht mehr. Der Objektschutz einer Silberweide am Ufer des Homburgerbachs sei aufgehoben worden, da in diesem Bereich nun eine Uferschutzzone bestehe, der die Weide miteinbeziehe.
Zum Ausgleich für die gestrichenen und nicht mehr existenten Objekte habe man neue Flächen, Hecken und Bäume unter Schutz gestellt. Insgesamt sei die geschützte Fläche nun gar um 25 Prozent grösser als beim vorherigen Zonenplan, rechtfertigte der Gemeinderat seine Entscheidungen. Die regierungsrätlichen Rechtsvertreter argumentierten in dieselbe Richtung. Es habe eine ausreichende Ermessensabwägung seitens der Gemeinde stattgefunden. Zudem sei das ökologische Schutzniveau nun höher als zuvor. Der vorliegende Zonenplan sei deshalb zu genehmigen.
Kompensation ist nicht immer eine Lösung
Mit dem ursprünglichen Zonenplan habe sich die Gemeinde die Pflicht zu Wiederherstellung und Erhalt der geschützten Objekte auferlegt, argumentierte die NLK. Dieser Pflicht sei sie nicht ausreichend nachgekommen. Nur weil etwas nicht mehr existiere, könne man es nicht einfach als geschütztes Objekt streichen und irgendwo etwas anderes unter Schutz stellen. Das bedeute, dass die Verantwortlichen zu einem unliebsamen Objekt einfach keine Sorge tragen und sich des Problems entledigen könnten. Beim Steinhaufen am Waldrand hatte sich die Gemeinde zudem getäuscht: Dieser besteht nach wie vor.
Das Gericht gab zum Schluss allen Parteien teilweise recht. So müssen aufgrund der Pflicht zur Erhaltung und Wiederherstellung bis auf eine Böschung entlang der Känerkinderstrasse und der Silberweide alle Objekte wieder unter Schutz gestellt werden. In seiner Begründung stimmte sie der Natur- und Landschaftsschutzkommission zu, dass verschwundene Objekte nicht in jedem Fall einfach kompensiert werden können. Die Böschung muss nicht unter Schutz gestellt werden, da sie an einer Kantonsstrasse liegt und der Kanton damit für deren Bewirtschaftung zuständig ist. Der Kanton mäht die Böschung zweimal jährlich, führt jedoch das Schnittgut nicht ab. Dadurch werde die Böschung gedüngt und beschattet, führte die NLK aus. Der Artenreichtum der Böschung sei deshalb sehr zurückgegangen. Da die Gemeinde dem Kanton keine Auflagen machen kann, wies das Gericht die Beschwerde in diesem Punkt ab. Trotzdem bat der Vorsitzende Richter Niklaus Ruckstuhl die Gemeinde darum, mit dem Kanton einen Weg zu suchen, damit das Schnittgut abgeführt werden kann.
Wichtige Rechtssicherheit geschaffen
Der Schutz der Weide sei unter dem Uferschutz weiterhin gewährleistet. Sie müsse daher nicht wieder als Einzelobjekt geschützt sein. Bei der Feldscheune liege es im Ermessen der Gemeinde, ob sie diese unter Schutz stellen wolle oder nicht, urteilte das Gericht. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Grundlagen, um die Gemeinde zum Schutz zu verpflichten. Auch was den Wildtierkorridor angeht, wurde die Beschwerde abgewiesen.
«Es ist wichtig, dass es nun eine Rechtssicherheit gibt», sagt Ernst Lüthi, Interimspräsident der Natur- und Landschaftsschutzkommission. In vielen Gemeinden würden in den verschiedenen Planungsstufen eines neuen Zonenplans geschützte Objekte ohne ersichtliche Gründe gestrichen. Nun wisse die Kommission, dass es richtig sei, dies zu beanstanden und dass die Gemeiden nicht einen verschwundenen Baum durch eine neu geschützte Hecke kompensieren können. Die Kommission wolle den Gerichtsentscheid voraussichtlich nicht anfechten.
«Lehrreiche Verhandlung»
Nun muss sich Wittinsburg nochmals mit dem Zonenplan auseinandersetzen und diesen erneut der Gemeindeversammlung zur Genehmigung vorlegen. Das geschieht jedoch erst, nachdem das Urteil schriftlich vorliegt und somit rechtskräftig ist, und wenn die Einsprachefrist verstrichen ist. Weiterziehen will die Gemeinde das Verfahren nach heutigem Stand nicht. «Wir werden uns Gedanken darüber machen, wie wir die bestehende Pflicht zum Erhalt und zur Wiederherstellung der geschützten Objekte besser erfüllen können», sagt Gemeindepräsidentin Caroline Zürcher.
Es sei eine lehrreiche Verhandlung gewesen, sagt Zürcher. «Unsere Verhandlung war die erste dieser Art. Die teilweise Gutheissung der Beschwerde gibt nun gewisse Leitlinien vor, an die man sich in Zukunft halten kann.» Davon könnten andere Gemeinden, Planungsbüros, der Kanton bei der Vorprüfung und alle, die sich mit Zonenplänen beschäftigen künftig profitieren.