«Lotto!» oder: das Glück aus dem Beutel
04.02.2020 Baselbiet, Vereine, Zunzgen, Kultur, Bezirk SissachVom Bangen und Hoffen auf die richtige Zahl
Um ihre Kasse aufzubessern, führen manche Dorfvereine Lottomatches durch. Die lockenden Gewinne sorgen bei den Teilnehmenden für einigen Nervenkitzel. Die «Volksstimme» hat den Spielerinnen und Spielern in Zunzgen beim Fiebern ...
Vom Bangen und Hoffen auf die richtige Zahl
Um ihre Kasse aufzubessern, führen manche Dorfvereine Lottomatches durch. Die lockenden Gewinne sorgen bei den Teilnehmenden für einigen Nervenkitzel. Die «Volksstimme» hat den Spielerinnen und Spielern in Zunzgen beim Fiebern zugeschaut.
Sander van Riemsdijk
Es heisst, dass die Teilnahme an einem Lottomatch bei vielen Menschen ein Maximum an Spannung auslöst. Lotto-Adrenalin pur also. Dies nicht nur beim älteren Teil der Bevölkerung. Wer sind die Leute, die stundenlang, auch wenn draussen die Sonne scheint, in einer Turnhalle ausharren und dort konzentriert auf die vor ihnen liegenden Karten mit Zahlen starren und mit einem Früchtekorb, Fleischwaren vom Metzger und anderen Preisen liebäugeln?
Wir haben am Sonntag anlässlich des Lottomatchs in Zunzgen Beat Ruch, Präsident des veranstaltenden Musikvereins Zunzgen gefragt. Er muss es wissen: Zusammen mit 15 Helferinnen und Helfern hat sein Verein bereits zum 45. Mal die alte Turnhalle zum Lottotempel gemacht. «Es sind Menschen, die das Glücksspiel anzieht und die zugleich Geselligkeit suchen», sagt Ruch. Aber nicht nur. «Es hat auch halbe Profis darunter. Angefressen vom Glücksspiel. Und diese vertrauen nur auf ihre eigenen mitgebrachten Spielkarten.» Kein harmloser Zeitvertreib also. Ruth Angehrn ist in Zunzgen für die Preise verantwortlich und damit matchentscheidend. Denn wer schöne Preise anbietet, hat auch Kundschaft. Ein kurzer Blick in den Saal: Viele Spielerinnen und Spieler sind älteren Jahrgangs. Aber auch junge Leute fordern das Lottoglück heraus.
Gelegentlich geht ein Raunen und Stöhnen durch die Tischreihen und es gerät die Höchstkonzentration in Schieflage, wenn jemand beherzt «Lotto» in den Saal ruft. Einige weitere Spieler standen offensichtlich mit nur noch einer offenen Zahl vor der Pforte zum Lottoparadies. Der Naturalpreis, ein Korb mit Esswaren, wird dem glücklichen Sieger überreicht. Geldpreise sind per Gesetz verboten.
Einnahmen überlebenswichtig
Lottomatches sind bewilligungspflichtig, ein Verein darf pro Jahr maximal einen Anlass durchführen. Für den Musikverein Zunzgen ist das Lotto überlebenswichtig, sagt Vereinsmitglied Urs Beyeler «Wir sind darauf angewiesen.» Wie viel Geld jeweils in der Vereinskasse hängenbleibt, wollte er nicht verraten.
Unterdessen haben in der Halle 180 Personen an den Tischen Platz genommen. Volles Haus. Das sei nicht immer so, sagt Beat Ruch. «Eigentlich war das Interesse in den vergangenen Jahren eher etwas rückläufig.» Das sei aber nicht überall gleich. Die Lottomatches erfreuen sich insbesondere in den ländlichen Gebieten einer nicht nachlassenden Begeisterung, trotz Konkurrenz des Internets, das virtuell viele Möglichkeiten des Glücksspiels bietet.
Als helvetisches Brauchtum sind sie oft ein kulturelles Spiegelbild der Region. Schaut man auf den Baselbieter Veranstaltungskalender, stellt man fest, dass noch in vielen Dörfern Lottomatches durchgeführt werden. Baselland als Hochburg der ländlichen Lottospiels? «Ich glaube schon», sagt Beat Ruch, «im Baselbiet sind diese Events verbreitet.»
Der Gebieter über Sieg oder Niederlage, Glück oder Unglück ist Speaker Markus Bossart mit seiner sonoren Stimme. Vor ihm liegt ein Beutel mit 90 Zahlenmarken, aus dem er Zahl für Zahl zieht. Mit Gründlichkeit und fehlerlos, auch wenn ihm dies nicht immer alle glauben wollen. Schon bald ertönt die laute Aufforderung «Schüttle!».
Draussen geht ein nasser Wind, drinnen hat eine wohlige Wärme die Mehrzweckhalle erobert. Einige Spielstunden später, wenn das Tageslicht sich fast verabschiedet hat, machen sich die Spielerinnen und Spieler, mit oder ohne Preis, auf den Heimweg. Etwas verbindet Gewinner und Verlierer: Sie alle haben den Musikverein finanziell glücklich gemacht – und das Datum für den nächsten Lottomatch bereits in ihre Agenda eingetragen.