«Er war eine Person, die zum Dorf gehörte»
14.01.2020 Baselbiet, GelterkindenIn unzähligen Stuben im Oberbaselbiet hängen Werke eines Gelterkinder Kunstmalers. Doch viele Bilder von Fritz Pümpin seien nicht ausfindig zu machen, wie dessen Sohn Volkmar Pümpin sagt. Ein Interview über Malerei, Mode – und einen brennenden Mantel.
Peter ...
In unzähligen Stuben im Oberbaselbiet hängen Werke eines Gelterkinder Kunstmalers. Doch viele Bilder von Fritz Pümpin seien nicht ausfindig zu machen, wie dessen Sohn Volkmar Pümpin sagt. Ein Interview über Malerei, Mode – und einen brennenden Mantel.
Peter Stauffer
Herr Pümpin, Ihr lauschiger Garten mit dem Plätschern des Wassers im kleinen Weiher wäre eine idyllische Vorlage für ein Bild des Kunstmalers Fritz Pümpin gewesen. Wie war Ihre Beziehung zu Ihrem Vater?
Volkmar Pümpin: Solange ich zu Hause war, hatten wir immer ein gutes Verhältnis. Er war humorvoll, aber auch emotional. Er war nicht nur Kunstmaler, sondern sehr vielseitig interessiert. Vor allen Dingen hat ihn die Archäologie gefesselt. Er hat in mir die Liebe zur Natur und das Interesse an wissenschaftlicher Forschung geweckt. Sein zeichnerisches Talent habe ich nicht geerbt, dafür aber sein neugieriges Beobachten und Beachten der Umgebung. Was ich geworden bin, nämlich Geologe, verdanke ich meinem Vater.
War er ein Familienmensch?
Ich habe ihn als wenig strengen Vater in Erinnerung. Seine Stärke in der Erziehung war, uns zu motivieren und uns für viele Dinge zu begeistern. Zwar fand er es gut, wenn wir uns zum Beispiel ans Klavier setzten, hat uns aber nicht dazu verknurrt, das Üben eine Stunde lang durchzuziehen. Es war eher die Mutter, die bestimmte, wie die Sache läuft.
Wenn ihn die Archäologie so gefesselt hat, wäre doch das entsprechende Studium ideal gewesen?
Das hätte er gerne getan, er durfte aber nicht. Man hat ihm verboten, die Matur zu machen. Er musste eine kaufmännische Lehre absolvieren, damit er später in der Lage sein würde, die grossväterliche Weinhandlung zu übernehmen. Er war also zuerst Kaufmann, aber nie glücklich dabei. Seinen Frieden fand er beim Malen und bei archäologischen Tätigkeiten.
Weiss man, wie viele Bilder er gemalt hat?
Im Buch «Fritz Pümpin» von 1975 haben wir 883 Bilder dokumentiert. Ich vermute mal, das ist rund die Hälfte der Werke meines Vaters.
Haben Sie als Kind sein Berühmtsein mitbekommen?
Ja, sicher, er war über das Oberbaselbiet hinaus bekannt. Auch sein markantes Wohnhaus an der Rickenbacherstrasse in Gelterkinden, im Volksmund das «Laubsägelihuus» (oder die «Laubsägelivilla»), war unübersehbar. Er war eine Person, die zum Dorf gehörte.
Malte er auch Bilder im Auftrag?
Geschätzt hat er Aufträge für Wandbilder. Eines findet sich in der Kaserne Liestal. Es ist die Schlacht von Bibracte, wo Caesar die Helvetier besiegte. Auch im General-Wille-Haus am Oberbölchen hängt ein Werk von ihm. Es handelt sich dabei um eine Befehlsausgabe von General Wille und Oberst von Sprecher während der Grenzbesetzung 1914 bis 1918. Den Entwurf meines Vaters im Massstab 1:1 habe ich dem Militärmuseum in der Festung Sankt Luziensteig geschenkt. Porträt-Aufträge hat mein Vater hingegen nicht sehr geliebt. Er wollte lieber selbst gestalten. Beim Malen der Porträtbilder hat er oft geflucht, besonders wenn die Modelle nicht ruhig sitzen konnten. Auch ich liebte es nicht, gemalt zu werden. Andere Väter schiessen Fotos, mein Vater hat mich mindestens zehnmal porträtiert. Das Stillsitzen war mir jedes Mal ein Gräuel.
Haben Sie ein Lieblingsbild?
Es gibt mehrere Gemälde, die für mich eine besondere Bedeutung haben und von denen ich sagen kann, dass es meine Lieblingsbilder sind. Dazu gehört sicher «Ebenrainallee im Herbst». Es dünkt mich traurig. Dieses Sujet verwende ich heute noch jeweils bei Beileidskarten. Zu den besonderen Werken gehört auch das relativ grosse Gemälde «Im Garten». Es zeigt meine Mutter und ihre Schwester sitzend im vollen Grün unter einer Buche. Beide Bilder sind in meinem Besitz.
Sind die Bilder Ihres Vaters heute gefragt?
Es ist so, dass die Galeristen, vor allem diejenigen in New York und Miami, sagen, was das Publikum will. Sie bestimmen den Trend. Dazu erklären Kunsthistoriker die Bilder mit Psychologie und weiss der Kuckuck mit was noch. Sie «bestimmen», was Kunst ist. Gegenständliche Malerei, wie die Bilder von Fritz Pümpin, ist im Moment «out», aber das kann sich wieder ändern.
Wissen Sie, wo alle Bilder sind?
Mein Vater hat zwar pedantisch eine Liste aller verkauften Bilder mit Käufernamen und Verkaufspreis geführt. Diese Liste ist im Besitz der Fritz-Pümpin-Stiftung. Aber es gibt mehrere Bilder, von denen wir gerne wüssten, wo sie sind. Es betrifft dies vor allem Bilder, die in seiner Aktivdienstzeit entstanden sind. Ein Bild, dessen Standort uns nicht bekannt ist, zeigt den Übertritt der Elsässerkinder in die Schweiz bei Flüh im Winter 1944/45. Es zeigt, wie französische Soldaten die Kinder dem Roten Kreuz übergeben. Zentral ist die Figur der obersten Krankenschwester der Schweiz, Frau Paravicini. Vielleicht hilft dieses Interview ja beim Auffinden des Werks.
Die Stiftung ist im Besitz einer Liste. Wieso weiss man nicht, wo die Bilder sind?
Wenn man die Verkaufsliste durchgeht, stösst man auf viele nicht mehr bekannte Namen. Die Leute sind gestorben, die Bilder kamen vielleicht wieder auf den Markt, wurden vererbt oder gingen im Nachlass irgendwie unter. Andere Bilder, die in einem Büro oder sonst in einem Raum durch den «Benutzer» aufgehängt wurden, verschwanden bei dessen Pensionierung in irgendwelchen Kanälen. Dazu ein Beispiel: Man wusste, dass die Firma Warteck ein Bild vom Eisweiher in Gelterkinden besass. Diese Firma gibt es nicht mehr. Ich erkundigte mich bei der Nachfolgegruppe Warteck-Immobilien danach. Es war nicht mehr auffindbar.
Kauft die Stiftung Bilder zurück?
Sehr wenige. Es sei denn, sie stellen etwas ganz Wichtiges oder Aussergewöhnliches dar oder symbolisieren eine besondere Station in Fritz Pümpins Leben. Dazu gehört zum Beispiel das Bild «Bau des Bunkers bei der Hülftenschanz». Dieses Bild war vom Kanton Baselland einst General Guisan geschenkt worden. Auf verschlungenen Wegen gelangte es vor etwa zwanzig Jahren zu einem Auktionshaus in Luzern. Mein Bruder und ich haben das Bild auktioniert. Nun hängt es als Leihgabe in der Kaserne Liestal.
Wie lange hat er an einem Bild gemalt?
Ganz unterschiedlich. Wenn ihm etwas gefallen hat oder wenn er von etwas fasziniert war, konnte er sich darin verbeissen und es verging kaum ein Tag, bis das Bild fertig war. Andere Bilder wiederum machten ihm Mühe, dann unterbrach er seine Arbeit immer wieder, und es dauerte lange. Er hat oft an Ort und Stelle eine Skizze angefertigt und dann das Ganze zu Hause in Öl fertig gemalt.
Gibt es ein besonderes Bild, das man hervorheben müsste?
Ich glaube nicht. Seine Landschaftsbilder sind natürlich etwas sehr Wichtiges. Vor allem an ihnen sieht man, welche Entwicklung seine Malerei durchgemacht hat. Einige Bilder sind klar dem Expressionismus zuzuordnen. Durch den Einfluss unter anderem des Malers Cuno Amiet ist mein Vater ein Neoimpressionist geworden.
Unter den Bildern Ihres Vaters ist eine ganze Anzahl Kriegsbilder. Wie war seine Beziehung zum Militär?
Diese Beziehung hat ihn sehr geprägt. Seine Malerexistenz wurde durch seinen Dienst in der Grenzbrigade auf ein solides Fundament gestellt. Sein Kommandant hat bald das Talent in Fritz Pümpin erkannt und liess ihn nicht Bunker bewachen, sondern hat ihn immer dorthin geschickt, wo etwas los war, mit dem Auftrag, das Geschehen festzuhalten. Unzählige Bilder geben Zeugnis von dieser Zeit. Durch die Skizzen und Zeichnungen, die dabei entstanden sind, wurde er berühmt und bekannt.
Die Vornamen von Ihnen und Ihrem Bruder, Volkmar und Cuno, sind nicht gerade häufig. Was war der Grund für diese Namensgebung?
Cuno Amiet war ein guter, väterlicher Freund meines Vaters. Die beiden haben oft zusammen gemalt. Wohl aus Bewunderung und Ehrerbietung Amiet gegenüber wurde mein Bruder Cuno getauft. Mein Vorname, Volkmar, ist dem musikalischen Interesse meines Vaters zu verdanken. In Zürich lebte und arbeitete damals der bekannte Dirigent und Komponist Volkmar Andreae. Die musikalische Begabung meines Vaters belegt unter anderem seine Mitwirkung als Geiger in der Orchestergesellschaft Gelterkinden, die er im Übrigen mitbegründete.
Können Sie zum Abschluss ein charakteristisches «Müschterli» von Ihrem Vater erzählen?
Mein Vater hatte unter anderem einen guten Freund und Archäologiekollegen in Basel, Professor Roland Bay. Dieser war Zahnarzt. In einem Winter ging ich einmal mit meinem Vater zur Kontrolle. Das Fräulein nahm meinem Vater den Mantel ab, hängte diesen im Vorraum auf und schickte uns ins Wartezimmer. Dort stiess der Zahnarzt zu uns und plauderte mit meinem Vater. Plötzlich stürzte die Empfangsdame herein und rief: «Es brennt, es brennt!» Mein Vater hatte vor dem Betreten der Praxis seine Tabakpfeife in die Manteltasche gesteckt. Da diese noch brannte, fing der Mantel Feuer. Das Ganze verlief glimpflich – ausser dem Gestank und einem Loch im Mantel entstand kein Schaden. Man sagte übrigens von meinem Vater, dass er morgens mit dem Stumpen aufgewacht sei und nachts mit der Pfeife ins Bett ging.
Serie «Ich und mein Pümpin»
vs. Die «Volksstimme» macht sich auf die Suche nach dem Vermächtnis des Gelterkinder Kunstmalers Fritz Pümpin. In einer kleinen Serie zeigen Menschen ihren «Lieblings-Pümpin» und erklären, weshalb es ihnen genau dieses Bild angetan hat. Das Interview mit Fritz Pümpins Sohn Volkmar bildet den Auftakt. In der Ausgabe vom Donnerstag wird Volkmar Pümpin zudem seinen «Lieblings-Pümpin» vorstellen. Die weiteren Beiträge erscheinen in loser Folge.
Hängt bei Ihnen, einer verwandten oder bekannten Person ebenfalls ein Gemälde von Fritz Pümpin? Gerne erfährt die Redaktion von Ihrem «Lieblings-Pümpin» und seiner Geschichte.
Genauere Informationen erhalten Sie bei Kontaktaufnahme über redaktion@volksstimme.ch
Zur Person
vs. Volkmar Friedrich Pümpin ist der ältere der beiden Söhne des Kunstmalers Fritz Pümpin (1901–1972). Volkmar (geboren 1937) und Cuno (1939) wuchsen mit Vater Fritz und Mutter Rösli in Gelterkinden auf. Die Söhne engagieren sich im Stiftungsrat der Fritz-Pümpin-Stiftung in Gelterkinden, die das künstlerische und archäologische Schaffen des Kunstmalers bewahren will. Volkmar Pümpin wohnt in Arlesheim.