«Ein Geschäft mit Händen und Füssen»
12.12.2019 Baselbiet, Energie/Umwelt, Wirtschaft, SissachMartin Thommen wird Verwaltungsratspräsident der Elektra Baselland
Die Elektra Baselland befindet sich nicht nur wegen der Energiewende in einem Wandlungsprozess. Zwei Jahre nach der Geschäftsleitung erfährt auch der Verwaltungsrat eine personelle Neuausrichtung. Der 57-jährige ...
Martin Thommen wird Verwaltungsratspräsident der Elektra Baselland
Die Elektra Baselland befindet sich nicht nur wegen der Energiewende in einem Wandlungsprozess. Zwei Jahre nach der Geschäftsleitung erfährt auch der Verwaltungsrat eine personelle Neuausrichtung. Der 57-jährige Sissacher Martin Thommen soll Verwaltungsratspräsident werden.
Daniel Schaub
Manchmal hält das Leben überraschende Wendungen bereit. Im Fall des Sissachers Martin Thommen sind es gleich deren drei. Die jüngste davon: Im kommenden Sommer wird er, der erst seit vergangenem Juni im Verwaltungsrat der Elektra Baselland (EBL) Einsitz hat, Präsident des Gremiums werden. An der Delegiertenversammlung, die am 4. Juni 2020 – seinem 58. Geburtstag – stattfindet, wird die Stabsübergabe offiziell erfolgen.
Wenn er vom 1898 gegründeten und in Liestal beheimateten Baselbieter Energieanbieter spricht, kommt Thommen leicht ins Schwärmen. «Mich beeindruckt die innovative Kraft, die in der DNA dieses Unternehmens hinterlegt ist, aber auch das hervorragende Einvernehmen mit den rund 260 Delegierten, um das uns viele beneiden.» Und auf sich selbst bezogen stellt er fest, dass seine neue Tätigkeit «ein Geschäft mit Händen und Füssen» sei, etwas, das er aus der Finanzbranche, in der er seit über 37 Jahren tätig ist, weniger kennt.
Bankkarriere statt Studium
Martin Thommen ist in Bennwil aufgewachsen. Dort hat er die Grundschule besucht, ging später an die Sekundarschule nach Oberdorf und dann ans Gymnasium in Liestal, das er mit der Wirtschaftsmatur abschloss. Der Plan war, an der HSG in St. Gallen zu studieren, doch von der Schule hatte er erst einmal genug. Sein Lehrer empfahl ihm ein 18-monatiges Mittelschulpraktikum, das der damalige Bankverein anbot. Thommen durchlief verschiedene Abteilungen der Bank und fand Gefallen an der Finanzwelt. Und der Bankverein an ihm. Eine Festanstellung in der Generaldirektion wurde ihm angeboten, die er nach der Rekrutenschule antrat. Das geplante Studium konnte warten, Thommen kletterte innerhalb der Bank Stufe um Stufe nach oben. «Ich durfte eine schöne Karriere machen», resümiert er heute.
Doch dann kam die Finanzkrise und mit ihr eine scharfe Zäsur im Bankenwesen. «Es änderte sich vieles, die unternehmerische Freiheit war stark eingeschränkt.» Vor vier Jahren war Martin Thommen an einem Punkt angelangt, an dem er sich in seiner beruflichen Haut nicht mehr wohlfühlte. Er suchte nach neuen Herausforderungen und fand sie in der Jagd. In seiner Kindheit hatte er immer die Jäger in Bennwil bewundert, als sie ins Dorf zurückkehrten. Doch die Vorstellung, sich diesem damals noch elitären Kreis anzuschliessen, machte er sich nie. Die Zeiten hatten sich geändert, und als er sich freiwillig als Treiber meldete, fand er Gefallen an der Jägerei. Er legte die Jagdprüfung ab. Seither ist er Pächter eines Jagdreviers in Sissach. «Ich kann in der Jagd viele meiner Interessen vereinen: in der Natur sein, Tiere beobachten, hegen und natürlich auch schiessen.» Das war die Wendung Nummer 1 im Leben von Martin Thommen.
Ein Headhunter zur richtigen Zeit
Wendung Nummer 2 erfolgte im Jahr 2017. Ein Headhunter sprach ihn auf eine neue Position bei der Genfer Privatbank Lombard Odier an. Dort wurde ein «Head of Third Party Distribution» gesucht. Thommen griff zu. Seither bietet er Investment Fonds an Banken in Europa an, welche die Produkte dann an ihre Kunden weiterverkaufen. Sein Arbeitsort ist Zürich, er pendelt mit dem Zug. «Die Bank ist flexibel und sehr kundenorientiert, ich habe mehr unternehmerischen Spielraum und das gefällt mir.» Und das Institut hat sich nachhaltigen Zielen verschrieben, was Thommen nicht nur ein wichtiges Anliegen ist, sondern von ihm auch als unabdingbare Voraussetzung im heutigen wirtschaftlichen Umfeld sowohl aus regulatorischer, aus gesellschaftlicher, aber auch aus Sicht der Investoren betrachtet wird.
Und genau diese Notwendigkeit bildet die passende Brücke zu seinem Engagement bei der EBL. Die Elektrizitätsbranche steht gerade vor ihrer wohl grössten Herausforderung – innovative Projekte in den erneuerbaren Energien sind gefragt und mit ihnen entsprechende Partnerschafts- und Investitionsmodelle. Auch deshalb passt Thommen als Finanzexperte gut ins aktuelle Umfeld der EBL. «Das Know-how in diesem Bereich ist sehr wichtig. In der Geschäftsleitung gibt es das bereits, im Verwaltungsrat kann ich diese Lücke schliessen», sagt Thommen, der von Erich Geiser angesprochen worden war. Dieser scheidet aufgrund der Altersbeschränkung im kommenden Sommer als Verwaltungsratspräsident aus und wollte das Gremium frühzeitig neu aufstellen. Dass Thommen nach nur einem halben Jahr schon als designierter Verwaltungsratspräsident ausgerufen wurde, war so zunächst nicht geplant, aber «am Ende fiel die Wahl auf mich und ich freue mich sehr darüber», so der Sissacher.
Wichtige Zukunftsprojekte
Die EBL befindet sich im Rahmen ihrer «Strategie 2023» gerade in einem investitionsfreudigen Prozess. Sie ist beispielsweise an einer grossen Solarstromanlage in Spanien beteiligt und an verschiedenen Windparks in Deutschland. Ein bevorstehendes spannendes Projekt ist ein Geothermiekraftwerk im jurassischen Haute-Sorne, das nach dem abgebrochenen Versuch vor einigen Jahren in Basel den Nachweis für die Effizienz von Erdwärmenutzung erbringen soll. Im «Heimmarkt» steht die «Energieschiene Ergolztal» im Zentrum, die vom erstellten Grosswärmeverbund Pratteln bis nach Ormalingen reichen soll und die grosse Stärke der EBL – die Wärmeverbünde – zusätzlich stützen wird. Innovativ ist die EBL auch im Bereich der Elektromobilität unterwegs.
Wendung Nummer 3 ist gewiss die emotionalste im Leben von Martin Thommen. Ein Satz zur EBL allein verdeutlicht dies: «Wir sind einfach eine coole Bude.»