Gemeinden schlucken bittere Pille
12.11.2019 Baselbiet, Finanzen, GemeindenSteuervorlage 17 trotz Einbussen unbestritten
Die Steuervorlage 17 bedeutet für die Baselbieter Gemeinden teils erhebliche Einbussen bei den Unternehmenssteuern. Dennoch wehren sich Gemeindevertreter nicht gegen die unvermeidbare Reform.
Christian ...
Steuervorlage 17 trotz Einbussen unbestritten
Die Steuervorlage 17 bedeutet für die Baselbieter Gemeinden teils erhebliche Einbussen bei den Unternehmenssteuern. Dennoch wehren sich Gemeindevertreter nicht gegen die unvermeidbare Reform.
Christian Horisberger
Die Mitteilung der Stadt Liestal hat aufhorchen lassen: Ursache fürs Budgetdefizit von 1,9 Millionen Franken im 2020 sei die Steuervorlage 17 (SV17). Diese beschere Liestal voraussichtlich ein Minus bei den Unternehmenssteuern im Umfang von netto knapp 2 Millionen Franken. Der Stadtrat sehe sich zu einer rigiden Ausgabenpolitik gezwungen.
Die SV17 geht für den Kanton wie auch für die Baselbieter Gemeinden ins Tuch. Die Finanz- und Kirchendirektion prognostiziert dem Kanton im Zeitraum von 2020 bis 2025 Steuerausfälle von insgesamt 155 Millionen Franken oder knapp 26 Millionen pro Jahr. Den Gemeinden stünden Steuermindereinnahmen von durchschnittlich elf Millionen ins Haus.
Die Gegner der SV17 – die SP Baselland und der VPOD beider Basel – sagen alleine Pratteln über die nächsten fünf Jahre einen Rückgang der Steuereinnahmen von 17,5 Millionen Franken voraus. Der Prattler Gemeinderat sah sich vorige Woche dazu veranlasst, die Darstellung des Nein-Komitees zu relativieren. Der Gemeinderat hielt fest, dass die vom Komitee publizierten Ertragsausfälle für die kommenden fünf Jahre «weder nachvollziehbar noch realistisch» seien. Im Gegenteil: Pratteln rechne aufgrund seiner eigenen Analyse bei einem Ja zur SV17 mit steigenden Steuereinnahmen. Aufgrund von Gesprächen mit ansässigen international tätigen Firmen müsse davon ausgegangen werden, dass diese bei einem Nein das Baselbiet verlassen werden. Vertreter der Gemeinden Reinach und Aesch sprechen sich wie Pratteln explizit für die SV17 aus. Der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden hatte die Steuervorlage in seiner Vernehmlassungsantwort befürwortet.
In den meisten Oberbaselbieter Gemeinden mit ihren geringen Anteilen von Unternehmenssteuern am gesamten Steuerkuchen hat die SV17 kaum Auswirkungen auf die Finanzen. «Da wir aber eher marginale Steuererträge von juristischen Personen haben, werden die Auswirkungen tendenziell eher gering bis vernachlässigbar sein», heisst es etwa aus Gelterkinden. Ausnahmen bilden Dörfer mit einem starken Gewerbe. Sissach zum Beispiel.
Sissach: minus 250 000 Franken
Mit einem Minus von mehr als 1,7 Millionen Franken (über fünf Jahre) schlägt die Reform in Sissach zu Buche – nach der Darstellung des Nein-Komitees. Ein Problem für den Gemeindehaushalt? Finanzchef Lars Mazzucchelli relativiert. Fürs kommende Jahr würden sich durch die SV17 die Einnahmen aus den Unternehmenssteuern in Sissach voraussichtlich um 475 000 Franken reduzieren. Allerdings kompensiere der Bund mit rund 230 000 Franken. So betrage die budgetierte Einbusse 250 000 Franken. Diese sei für den Gemeindehaushalt insofern verkraftbar, da mit 18 Millionen Franken mehr als 90 Prozent aller Steuereinnahmen der Gemeinde aufs Konto natürlicher Personen gehen.
Die genannten Ertragsausfälle stammen von der Website www.finanzloch.ch. Das Gegenkomitee «Nein zum Finanzloch im Baselbiet» hat dort einen Steuerausfallrechner installiert, von dem sich die Werte für jede einzelne Baselbieter Gemeinde ablesen lassen. Ein Gemeindevertreter spricht im diesem Zusammenhang von einem Blick in die Kristallkugel.
Das Nein-Komitee muss sich den Vorwurf gefallen lassen, entlastende Faktoren wie den Finanzausgleich oder die Anpassung der Dividendenbesteuerung in seinen Berechnungen nicht berücksichtigt zu haben. Ausserdem wird der Gesamtbetrag für die kommenden fünf Jahre publiziert, bis die stufenweise Anpassung der Steuersätze vollzogen ist, anstelle eines leichter nachzuvollziehenden Jahresdurchschnittswerts. Ruedi Brassel, Sprecher des Komitees, erklärt auf Anfrage, dass man zum Teil mit Annahmen operieren müsse, da der Kanton trotz mehrerer Vorstösse keine näheren Angaben zu den effektiven finanziellen Auswirkungen der SV17 geliefert habe.
Zahlenjonglage und Defizit hin oder her – Liestals Stadtpräsident Daniel Spinnler hütet sich, die SV17 zu verteufeln. Der Stadtrat habe bei der Bekanntgabe des Budgets nur deshalb explizit auf die SV17 als Treiber hingewiesen, um das hohe Defizit nach einigen deutlich besseren Abschlüssen zu plausibilisieren. «Eine Umsetzung der SV17 ist nötig, ob man will oder nicht.» Zudem werde der Finanzausgleich die Mindereinnahmen verzögert teilweise ausgleichen.