Die Uhr der Pflanzen
15.11.2019 Bezirk Liestal, NaturBotanik-Professor hat erklärt, wie Blumen und Bäume ticken
Wie weiss der Löwenzahn, wann er zu blühen hat? Welche Bedingungen sind nötig, damit ein Baum im Frühjahr austreibt? Können Alpenpflanzen ihre Blüten unter Schnee bilden? Botanik-Professor Dr. Christian Körner lieferte die ...
Botanik-Professor hat erklärt, wie Blumen und Bäume ticken
Wie weiss der Löwenzahn, wann er zu blühen hat? Welche Bedingungen sind nötig, damit ein Baum im Frühjahr austreibt? Können Alpenpflanzen ihre Blüten unter Schnee bilden? Botanik-Professor Dr. Christian Körner lieferte die Antworten.
Gabriela Kaufmann
Damit die Fortpflanzung funktioniert und die Pflanze überlebt, müssen diese Prozesse zur richtigen Zeit stattfinden. Dies erklärte der Basler Botanik-Professor Dr. Christian Körner an einemVortragsabend der Naturforschenden Gesellschaft Baselland in Liestal.
Das wechselnde Erscheinungsbild einer Pflanze im Verlauf der Jahreszeiten wird «Phänologie» genannt. Wichtige Einflussfaktoren auf die Phänologie sind vor allem die Tageslänge und die Temperatur. Über die Tageslänge kennt die Pflanze quasi das Datum. Das «Wissen», wann es Zeit ist, sei entscheidend fürs Überleben, so der Professor. Im Winter, wenn das Thermometer kaum über null Grad ansteigt, ist die Pflanze unempfindlich. Aus der Summe der erlebten Temperaturen knapp über null Grad «erfährt» die Pflanze, ob der Winter schon da war (um nicht im Herbst auszutreiben).
Stimmt dann im Frühjahr die Tageslänge und ist es warm genug, beginnt sie auszutreiben. Jetzt wird sie anfällig für Frost. Die früh austreibenden Arten sind dabei frosthärter als «Spätzünder». Bei exotischen Arten kann es auch schon mal zu Verirrungen kommen. Es wurden bereits japanische Kirschblüten beobachtet, die im Winter austrieben, um kurz darauf zu erfrieren. Dank der gestaffelten Blütezeit bleiben aber meist einige ruhende Knospen übrig, die dann zur «richtigen Zeit» aufgehen.
Purpur im Schnee
Von den raffinierten Überlebensstrategien sei er immer wieder fasziniert, sagte Körner. Er nahm das Kleine Alpenglöckchen als Beispiel, das in der Lage ist, seine purpurfarbene Blütenglocke durch den Schnee zu bohren. Das ist möglich, weil Blüte und Blütenstiel bereits unter dem Schnee fix-fertig sind und nur darauf warten, sich aufzurichten. Scheint dann die Sonne auf dünnen Frühsommerschnee, fängt die Blüte die Wärmestrahlung auf und wirft sie zurück, sodass ein kleiner Kanal im schmelzenden Schnee entsteht, in dem sie sich blitzschnell aufrichtet, um «ans Tageslicht zu schmelzen».
Ist es nun möglich, dass die Pflanzen wegen des Klimawandels ihre Uhren einfach anpassen? Körner verneinte. «Diese Uhr ist im Erbgut verankert und kann nicht einfach von heute auf morgen umgestellt werden. Dafür benötigt die Pflanze mehrere Generationen.»
Ein Zuhörer warf die Frage auf, ob es denn nicht sinnvoll wäre, unsere Wälder mit Bäumen aus der Mittelmeerregion aufzuforsten. Auch das sei keine Lösung, so der Referent. Zwar würde es im Sommer immer wärmer, doch das Frostrisiko im Frühjahr bleibt und die Pflanzen, die zu früh austreiben, riskieren Frostschäden.Vielmehr gelte es, heimische Baumarten zu fördern, die mit dem erwarteten Klima etwas besser klarkommen. Zum Beispiel die Eiche, die mit sehr tiefen Wurzeln besser mit Trockenheit im Sommer zurechtkommt.
Ein kleiner Trost für all jene, die in der tristen Winterzeit kaum den Frühling abwarten können: Die Pflanzen stehen bereits in den Startlöchern mit ihren Blatt- und Blütenknospen. Sie warten nur darauf, wenn im Frühjahr die Temperaturen steigen und die Tage die für sie richtige Länge haben, um auszutreiben und zu blühen.