Nächtlicher Verkehr im Dorf

  03.10.2019 Bezirk Waldenburg, Oberdorf

Stillschweigend hat im Juli in der Bar des ehemaligen Gasthofs Eidgenossen in Oberdorf ein «Puff» geöffnet. Täglich ausser sonntags bieten Frauen dort bis früh morgens ihre sexuellen Dienste an. Der Besitzer der Räumlichkeiten wusste offenbar nichts davon.

Sebastian Schanzer

Aufgefallen sind zunächst die vielen parkierten Autos beim «Eidgenossen» mit Nummernschildern aus anderen Kantonen oder sogar aus Deutschland. Denn das Restaurant in Oberdorf hat derzeit geschlossen, die goldenen Zeiten des Gasthofs liegen schon Jahre zurück. Schnell hat sich im Dorf herumgesprochen, wer für das erhöhte Besucher-Aufkommen verantwortlich ist: die «Rock Kontaktbar». Von Montag bis Samstag ab 18 Uhr können die Besucher seit Ende Juli «ein paar entspannte und heisse Stunden mit unseren Girls» erleben, wie auf einem Erotik-Anzeige-Portal zu lesen ist.

Hinter dem neuen Etablissement in Oberdorf steht eine ehemalige Betreiberin der Kontaktbar Burg in Liestal, Maria Alexandra Dinulescu. Der Betrieb in Liestal musste Anfang Jahr Konkurs anmelden, Dinulescu ist gemäss Handelsregister bereits 2018 ausgestiegen. Sie versucht ihr Glück nun im Oberbaselbiet. Für die «Volksstimme» war sie bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Auf Widerstand aus dem Dorf ist Dinulescu laut Gemeindepräsident Piero Grumelli bisher kaum gestossen – zumal sich das horizontale Gewerbe vor einigen Jahren schon einmal im «Eidgenossen» niedergelassen habe – für kurze Zeit nur. Grumelli hofft denn auch, der Betrieb werde bald wieder eingehen. «Ein Bordell in der Dorfmitte – das passt einfach nicht.» Aber es gelte auch in Oberdorf die freie Marktwirtschaft. Die Gemeinde wie auch der Kanton haben den Betrieb anstandslos bewilligt und Reklamationen von Anwohnern seien bisher nicht eingegangen.

«Wenige Einwohner haben lediglich wegen der ausländischen Nummernschilder nachgefragt», so Grumelli. Auch die Polizei musste bisher nicht wegen allfälliger Beschwerden ausrücken. Eine Polizeikontrolle vor Ort hat zudem ergeben: Alle Sexarbeiterinnen besitzen gültige Aufenthaltsund Arbeitsbewilligungen, wie Polizeisprecher Roland Walter bestätigt.

Betrieb «dezent und ruhig»
Ein bisschen traurig sei es aber schon, wenn in solch einer altehrwürdigen Gaststätte ein Bordell betrieben werde, sagt Roger Autenried, ein Anwohner. «Früher herrschte in der Bar und im Restaurant des Gasthofs ein lebendiger Betrieb, bei dem sich die Dorfbevölkerung traf. Das ‹Puff› bringt hingegen eher unangenehme Gesellschaft ins Dorf.» Insbesondere Zuhälter und «andere schräge Gestalten» im Umfeld eines solchen Betriebs machen dem Schreiner in dieser Hinsicht Sorgen. «Kaum spürbar» seien hingegen die Kunden der Kontaktbar. Der Bordellbetrieb laufe dezent und ruhig ab.

Im ersten Obergeschoss der Liegenschaft befinden sich privat genutzte Eigentumswohnungen. Zumindest eine Partei dürfte vom neuen Betrieb mehr mitbekommen, als ihr lieb ist. Ob sich das dort wohnhafte Ehepaar tatsächlich gestört fühlt, will es auf Anfrage nicht sagen.

Unangenehm ist die Geschichte allerdings dem Besitzer der Gasthof-Räumlichkeiten. Er erfuhr offenbar erst von der «Volksstimme», welche Klientel sich neuerdings an der Hauptstrasse 33 umtreibt. Er vermiete die Räume des Restaurationsbetriebs seit mehreren Jahren an einen Mieter aus Muttenz. Dieser habe die Bar nach einem Wasserschaden wieder instand gesetzt und nun zur Untermiete an die aktuelle Barbetreiberin weitergegeben. Er habe sein Einverständnis zum Barbetrieb gegeben, ohne zu wissen, dass dort auch erotische Dienste angeboten würden, sagt er.

 


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