«Die Digitalisierung ist nicht nur ein Glück»
04.10.2019 Bezirk Sissach, GelterkindenDie Reisebranche befindet sich im Umbruch. Sina Brunner von der «Ferieninsel» erklärt, warum sich der Gang ins Reisebüro trotz Online-Angeboten noch lohnen kann.
Sabri Dogan
Von ehemals 3400 stationären Reisebüros hat in den vergangenen 20 Jahren nur circa die ...
Die Reisebranche befindet sich im Umbruch. Sina Brunner von der «Ferieninsel» erklärt, warum sich der Gang ins Reisebüro trotz Online-Angeboten noch lohnen kann.
Sabri Dogan
Von ehemals 3400 stationären Reisebüros hat in den vergangenen 20 Jahren nur circa die Hälfte überlebt. Die Digitalisierung hat vielen Geschäften den Garaus gemacht. Nach der Insolvenz des grossen Reiseanbieters Thomas Cook befürchtet man in der Branche weniger Wettbewerb und höhere Preise. Der Klimawandel führt derweil zu einem Umdenken beim Reisen und der Individualismus in unserer Gesellschaft treibt die Reisebüros zu mehr Kreativität. Der Ausbau des Services und neue Trends nach Abenteuern und Unentdecktem werden die nächsten Jahre prägen. Die «Volksstimme» hat beim Reisebüro Ferieninsel in Gelterkinden nachgefragt.
Frau Brunner, darf man heute reisen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?
Sina Brunner: Auf jeden Fall. Tourismus hat eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Wir lernen neue Kulturen kennen, sehen neue Länder und Orte. Das hilft uns, von unserem Alltag abzutauchen. All dies öffnet uns neue Horizonte und dient unserem Wohl.
Der enorme CO2-Ausstoss durch das Fliegen steht aber mit der Erwärmung unserer Erde stark in Kritik.
Reisen kann man in verschiedenen Formen. In Europa mit dem Zug, und nicht immer muss man weit reisen. Es gibt wunderschöne Orte in Europa. Ich selbst gehe seit Jahren nach Andalusien und die wunderschönen Sonnenuntergänge und das Relaxen erfreuen mich immer wieder.
Was empfehlen Sie Globetrottern, die es weiter wegzieht, und die das Flugzeug benutzen?
Wir arbeiten seit Längerem schon mit der Organisation myclimate.org. Mit einem Berechnungstool kann man den CO2-Ausstoss berechnen und mit einem tollen Projekt in der Schweiz oder anderswo die Belastung durch das Reisen kompensieren. Dieses Angebot wird von unseren Kunden bereits gut genutzt. Dabei werden unterschiedlichste Projekte auch in Schwellenländern unterstützt.Vom Aufforsten in Nicaragua bis zum effizienten Kochen für arme Kenianer, die immer noch mit Brennholz kochen, ist für alle etwas dabei.
Wird Reisen teurer? Thomas Cooks Insolvenz hat ein grosses Stück an Wettbewerb weggenommen.
Die Entwicklung ist noch nicht absehbar. Ich glaube nicht daran. Es gibt immer noch genug Wettbewerb.
Welche Konsequenzen hatte die Insolvenz für Ihr Reisebüro? Haben Sie Ihre Ferien in Spanien abbrechen müssen?
Nein, das nicht, aber ich musste meine Ferien etwas kürzen. Es gab schon mehr Arbeit, bedingt durch die Insolvenz. Unsere Kunden hatten Glück. Durch die Digitalisierung haben sehr viele Reisebüros aufgeben müssen. Und jetzt merken zumindest die Nutzer von Neckermann und Thomas Cook, dass die Digitalisierung nicht nur ein Glück sein kann, sondern auch ein Fluch. Durch die Insolvenz waren viele beunruhigt, ob sie ihre Ferien antreten können. Unseren Kunden konnten wir gute Ersatzlösungen anbieten. Da zahlt es sich aus, den persönlichen Berater oder die Beraterin zu haben. Und durch die Reisegarantie, die jedes gute Reisebüro anbietet, ist man vor Verlusten und Problemen geschützt.
Was rechtfertigt einen Gang zu Ihrem Reisebüro? Sind Sie nicht teurer als die Angebote im Netz?
Heute werden immer mehr individuelle Reisen gewünscht. Wir kennen die verschiedensten Anbieter und können deshalb praktisch alle Wünsche erfüllen. Bei uns entfällt die zeitraubende Suche und wir wissen, wo es die richtigen Angebote gibt. Wir können auf Kundenwünsche eingehen und Vorteile und Nachteile aufzeigen. Zudem sind Reisen aus dem Internet nicht immer günstiger. In diesem Herbst sind in unserem Reisebüro Last-Minute-Reisen gefragt. Diese müssen aber nicht unbedingt günstiger sein. Heute spart man mehr, indem man Gebrauch vom Frühbucherrabatt im Reisebüro macht.
Begriffe wie Health Holidays oder Mass-Adventure werden als Trend im 2020 vorausgesagt. Was möchte der Oberbaselbieter in Ihrem Reisebüro?
Unsere Kunden sind eher traditionell. Unsere Trends im 2020 zeigen mehr woanders hin. Die griechischen Inseln, Mallorca, Spanien oder Sardinien sind für nächstes Jahr eher angesagt. Sardinien zum Beispiel: endlose, schöne Strände und Buchten. Glasklares Wasser. Verschiedene Landschaften laden dort auch zum Entdecken ein. Und es ist mit einem Flug von nur eineinhalb Stunden fast um die Ecke.
In den vergangenen Jahren wurden Orte wie die Antarktis oder Grönland angeboten, wo der Massentourismus noch nicht war. Was halten Sie von dieser Tendenz? Immerhin wird bald auch eine Reise ins Weltall möglich sein.
Auf den Malediven gibt es zum Beispiel Restaurants unter Wasser. Romantisches Dinieren inmitten der Fischwelt kann sicherlich schön sein, aber brauchen wir Unterwasserhotels? Diese Reisen sind nicht gerade günstig und ohnehin kein Massenreiseziel.
Übernachten in Iglus am Polarmeer, um die Nordlichter zu sehen. Klingt doch verlockend.
Die Kreativität zieht auch in der Reisebranche ein. Es gibt immer mehr solche Angebote. Jeder muss selbst entscheiden, was er sucht und Nordlichter sind eine Augenweide. Aber Bubble Hotels? Wohnen in einer durchsichtigen Unterkunft aus Plastik? Muss das sein? Da haben Health Holidays mehr Sinn für mich. Sei es eine Ayurveda-Kur in Indien oder ein Fitnesscamp auf Mallorca. Wir stellen dann individuelle Angebote zusammen, die sich der Kunde wünscht. Das ist mir einiges sympathischer.
Zur Person
sd. Sina Brunner arbeitet seit 9 Jahren als Beraterin im Reisebüro Ferieninsel in Gelterkinden. Die 29-Jährige folgt dem Motto: «Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.» Sie ist unter anderem spezialisiert auf Reisen in die USA, Badeferien oder Kluburlaub. Mit ihrer Kollegin berät sie Kundinnen und Kunden aus dem Oberbaselbiet.