Der Berufsregionalist
20.09.2019 Baselbiet, Porträt, Gemeinden, Politik, Bezirk SissachDer Fricktaler Gerry Thönen leitet die Geschäftsstelle des Vereins Region Oberbaselbiet
Der Vorstand des Vereins Region Oberbaselbiet hat Gerry Thönen aus Kaisten zum Leiter seiner Geschäftsstelle gewählt. Der Geburtshelfer des Vereins hat klare Visionen, setzt sich aber auch klare ...
Der Fricktaler Gerry Thönen leitet die Geschäftsstelle des Vereins Region Oberbaselbiet
Der Vorstand des Vereins Region Oberbaselbiet hat Gerry Thönen aus Kaisten zum Leiter seiner Geschäftsstelle gewählt. Der Geburtshelfer des Vereins hat klare Visionen, setzt sich aber auch klare Grenzen. Den Verein will er zur besten regionalen Organisation im Kanton machen.
Tobias Gfeller
Gerry Thönen wählt die Worte mit Bedacht, kann aber auch klar Kante zeigen. Als er im Sonntagmorgen-Talk «Persönlich» von Radio SRF 1 gefragt wurde, warum er nicht in die Politik einsteigen wolle, antwortete er, dafür sei er anatomisch nicht geschaffen: Er habe ein Rückgrat. Die Lacher im Publikum hatte er so auf seiner Seite. Die der betupften Politiker eher weniger. Die Aussage ist umso bemerkenswerter und mutiger, da Thönens Auftraggeber fast ausschliesslich Politiker sind.
Der Fricktaler leitet seit Ende August die neu geschaffene Geschäftsstelle des Vereins Region Oberbaselbiet. Dazu ist er Geschäftsführer der Regionalkonferenz Jura Ost, er begleitete die Planung und Vorbereitung für den Verein Liestal Frenkentäler plus und er ist als Gemeindeberater tätig.
Aktiv in die Politik einsteigen will Thönen nicht. Alle bisherigen Anfragen habe er ausgeschlagen, sagt er. Sei Credo sei es, Themen konstruktiv anzupacken, ohne sich einem Parteiendiktat unterwerfen zu müssen. Er steht für ein Miteinander und für gute Lösungen – und nicht für «Diskussionen über mögliche gute Lösungen».
Erst die Struktur, dann der Inhalt
Gute Lösungen will Gerry Thönen explizit fürs Oberbaselbiet. Seine Ziele sind ambitioniert. «Das Oberbaselbiet soll die am besten organisierte Baselbieter Region werden.» Der Verein solle ein «guter Dienstleister» für die Mitgliedergemeinden und ein guter Partner für die anderen Regionen und den Kanton sein. Um diese Ziele zu erreichen, müsse der Verein beziehungsweise die Region nun rasch zu Inhalten kommen. Denn anders als in anderen Regionen hat man im Oberbaselbiet nicht zuerst über Inhalte und erst dann über Strukturen diskutiert, sondern umgekehrt. «Wir müssen wissen, wohin wir als Region wollen, sonst verzetteln wir uns und kommen nicht vom Fleck», stellt Thönen klar. Nur so könne der Verein agieren und müsse nicht nur reagieren, wenn er sich beispielsweise im Rahmen von Vernehmlassungen zu Vorlagen äussert.
Gerry Thönen hat die Stelle voller Elan angetreten. Dass nicht alle 31 Gemeinden des Oberbaselbiets Mitglied des Vereins sind, ist für ihn kein Problem. «Die haben gewiss berechtigte Gründe, warum sie nicht dabei sind, so wie auch die Mehrheit der Oberbaselbieter Gemeinden gute Gründe für die Vereinsmitgliedschaft hat.» Der Geschäftsstellenleiter sieht es als vorteilhaft an, wenn mit einer «Allianz der Willigen» gearbeitet werden kann.
Die teils fundamentale Opposition gegen die regionale Zusammenarbeit kann Thönen hingegen nicht nachvollziehen. «Mir ist kein Fundamentalkritiker bekannt, der fundierte Erfahrung in der regionalen Zusammenarbeit vorweisen kann.» In anderen Kantonen gebe es genügend Beispiele, die zeigten, wie wertvoll regionale Zusammenarbeit sein könne.
«Nicht der grosse Zampano»
Trotz seiner klar definierten Ziele kennt Gerry Thönen seine Rolle und deren Grenzen genau. «Entscheidungen über Leistungsumfang und Inhalte werden vom Vorstand, also von den Gemeinden, getroffen.» Thönen führt aus, berät und organisiert. «Ich bin nicht der grosse Zampano, sondern sehe mich als Dienstleister im Hintergrund.» Er habe den Blick für das Ganze – für den Verein und die Region. Dabei sei es essenziell, dass sämtliche Mitgliedgemeinden und nicht nur jene, die im Vorstand vertreten sind, über die Geschicke des Vereins entscheiden können. Wie dieser Einbezug am besten gewährleistet werden kann, werde gegenwärtig im Vorstand beraten. Auch der Einbezug der Oberbaselbieter Landräte sei ein Thema.
Seit vielen Jahren ist Gerry Thönen in verschiedenen Funktionen im Regionalmanagement tätig. Nach seiner Ausbildung zum Drogisten erwarb er auf dem zweiten Bildungsweg die Matura und studierte Soziologie, politische Philosophie und Germanistik. Schon während des Studiums, das er sich als Krankenpfleger sowie als Ambulanz- und Leichenwagenfahrer finanzierte, interessierte er sich für regionalpolitische Fragestellungen.
Eher zufällig wurde er noch als Student Leiter der Infostelle Oberes Fricktal. Kurze Zeit später wurde er Geschäftsführer der Regionalplanung Oberes Fricktal mit 31 Mitgliedgemeinden und übernahm danach die Geschäftsführung des gesamtregionalen Verbands mit allen 41 Fricktaler Gemeinden. Für Thönen war früh klar: «Mit regionaler Planung und Dienstleistung kann man viel Gutes bewirken.» Es gebe einfach Aufgaben, wo mehrere Gemeinden im selben Boot sitzen und es nicht sinnvoll sei, wenn jede Gemeinde diese selber anpackt. «In Regionen müssen Interessen und Potenziale gebündelt werden», ist Thönen überzeugt.
Für übergeordnete Instanzen wie etwa die Kantone sei es das Einfachste, wenn die Gemeinden uneinig sind. «So können sie die eigenen Interessen gegen wenig Widerstand durchsetzen.» Es gehe auch darum, dass die Gemeinden voneinander profitieren. Gerade für kleinere Gemeinden sei dies aufgrund ihrer eingeschränkten Ressourcen wichtig. Besonderen Wert legt Gerry Thönen auf die Feststellung, dass mit der regionalen Zusammenarbeit keine vierte Staatsebene geschaffen werde. «Es ist eine funktionale und keine hierarchische Ebene.»
Neben seiner rund zwanzigjährigen Tätigkeit für das Fricktal war Thönen während 13 Jahren auch Geschäftsführer der Hochrheinkommission, bevor er sich wieder selbstständig machte und sein Büro in Laufenburg eröffnete. Seit vielen Jahren wohnt Gerry Thönen in Kaisten. Sowohl Laufenburg als auch Kaisten schlossen sich vor einiger Zeit mit Nachbargemeinden zusammen. Wünscht sich der Regionalentwickler solche Gemeindefusionen auch im Oberbaselbiet? «Ich wüsste nicht, mit welchem Recht ich so etwas wünschen sollte», antwortet er nach einer kurzen Denkpause. «Gute regionale Zusammenarbeit entlastet die einzelnen Gemeinden, mindert also den Fusionsdruck. Das ist das Ziel, das wir nun verfolgen müssen.»