Ein Film zeigt den Mikrokosmos eines Lindenbaums
Ein 66-minütiger Einblick in eine Welt von Winzlingen: Die Vorführung des neusten Films über Insekten und Milben, aufgenommen und kommentiert von Urs Wyss, liess die Gäste im «Archiv» am Leimenweg die Zeit vergessen.
Peter ...
Ein Film zeigt den Mikrokosmos eines Lindenbaums
Ein 66-minütiger Einblick in eine Welt von Winzlingen: Die Vorführung des neusten Films über Insekten und Milben, aufgenommen und kommentiert von Urs Wyss, liess die Gäste im «Archiv» am Leimenweg die Zeit vergessen.
Peter Stauffer
Viele Autofahrer haben sich vermutlich schon einmal geärgert über den klebrigen «Niederschlag» auf ihrem Fahrzeug, falls sie das Auto während kürzerer oder längerer Zeit unter einer Linde geparkt hatten. Diesen Honigtau scheidet die Rotäugige Lindenzierlaus, Hauptbewohnerin der Linde, aus. Wie aus einer Kanone schleudert sie die Zuckerbläschen aus ihrem Hinterleib möglichst weit weg, damit sie ja nicht daran kleben bleibt. Fasziniert konnte das Publikum im «Archiv» in Wenslingen diesen Vorgang im Film «Geheimnisvoller Mikrokosmos im Lindenbaum» mitverfolgen.
Die Läuse, Milben und Wanzen, die in zwanzig- bis neunzigfacher Vergrösserung auf der Leinwand einen Einblick in ihr zum Teil dramatisches Leben geben, kommen einem wie Figuren aus einem Science-Fiction-Film vor. Überall, auch im verborgensten Winkel, regt sich Leben. Larven füllen sich ihre Bäuche oder häuten sich, Schlupfwespen legen ihre Eier in unfreiwillige «Gastwirte», Stinkwanzen mit ihren roten Augen schlüpfen aus ihren Eiern, Insekten paaren sich oder kämpfen darum, Raupen hinterlassen ihre Fressspuren oder bauen ihre kunstvollen Kokons. Fast ein wenig brutal sieht es aus, wenn Marienkäfer, räuberische Wanzen oder Larven von Schweb- und Florfliegen ihre Beute vertilgen.
Aufnahmen aus dem Labor
Urs Wyss, Professor an der Universität Kiel, nimmt in dem gezeigten Film die Zuschauer mit auf eine Entdeckungsreise durch eine von blossem Auge nicht oder kaum sichtbare Welt. Da es ausserordentlich umständlich und kaum realisierbar wäre, diese Aufnahmen mit dem Stereomikroskop an der Linde selber zu machen, sammelt Wyss seine Objekte vom Baum und bringt sie in sein Labor. Mit grossem technischem Aufwand und unglaublicher Geduld hält er das hochinteressante Geschehen fest. Seine Leidenschaft für die Welt der Winzlinge hilft ihm dabei. Sequenz um Sequenz entsteht so und wird von Wyss zu einem Ganzen zusammengefügt.
Den noch nicht vertonten wissenschaftlichen Film kommentierte er auf humorvolle und auch für Laien gut verständliche Art. Quasi als Dessert servierte der Professor zum Schluss noch einen Kurzfilm über das Sexualverhalten zweier Schlupfwespen-Brüder – er nennt sie Lutz und Fritz –, die um die Gunst ihrer Schwester werben, wobei der vermeintliche Verlierer schliesslich zum Sieger wird.
Unter dem Stichwort «Der alte Mann und die Linde» findet man im Internet eine Dokumentation über die Entstehung des Films «Geheimnisvoller Mikrokosmos im Lindenbaum».