Ein verhexter Platz – der «Häxenblätz»
29.08.2019 Bezirk Waldenburg, Bretzwil, NaturAndres Klein
Im östlichsten Teil des Bezirks Waldenburg in der Gemeinde Bretzwil liegt direkt an der Kantonsgrenze eine eigenartige Matte. Obwohl niemand dort mäht, kommt kein Wald auf. Einzelne Bäume beschatten zum Teil diese Blaugraswiese mit ihren vielen duftenden ...
Andres Klein
Im östlichsten Teil des Bezirks Waldenburg in der Gemeinde Bretzwil liegt direkt an der Kantonsgrenze eine eigenartige Matte. Obwohl niemand dort mäht, kommt kein Wald auf. Einzelne Bäume beschatten zum Teil diese Blaugraswiese mit ihren vielen duftenden Pflanzen wie Thymian, Dost und Wirbeldost.
Ein solcher Ort, an dem kein Wald wächst, obwohl niemand mäht, gibt und gab immer wieder Anlass zu Diskussionen. Früher war klar: Dieser Hang muss verhext sein! Dies führte dazu, dass der alte Name «hohen Rütj» ab circa 1700 zu «Häxenblätz» wurde. Vermutlich wurde die Fantasie der «Brätzbeler» auch davon angeregt, dass in etwa einem Kilometer Distanz ein Galgen stand, wo die Stadt Basel die hohe Gerichtsbarkeit ausübte. Ob aber an diesem Galgen bei Nunningen jemals eine Person hingerichtet wurde, ist nicht klar. Dokumente über Hexenverbrennungen existieren ebenfalls keine. Dafür ist eine Sage über diese Matte überliefert (siehe Kasten).
Der Bund beobachtet
Der Name «hohen Rütj» weist darauf hin, dass dort oben einmal Wald gerodet wurde, um Grasland zu gewinnen. Da der Hang extrem steil ist, wurde der Oberboden weggespült und der felsige Untergrund kam an die Oberfläche. Damit in einem so steilen, felsigen Südhang wieder Wald entstehen und sich eine Humusschicht aufbauen kann, braucht es mehrere Hundert Jahre. Der «Häxenblätz» ist somit eine Spätfolge von unsachgemässer Bewirtschaftung.
Die Blaugraswiese auf dem «Häxenplätz» ist im Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden (TWW) von nationaler Bedeutung aufgeführt und geschützt. Es ist eines von wenigen Objekten im Baselbiet, bei dem das Blaugras dominiert. Zurzeit haben 112 Trockenwiesen oder -weiden in unserem Kanton nationale Bedeutung. Auf den meisten von ihnen ist die Aufrechte Trespe die Hauptgrasart. Um sicherzustellen, dass diese Biotope sich im Sinne der Unterschutzstellung entwickeln, werden jährlich vom Bund zwei Gebiete etwas genauer unter die Lupe genommen. Dabei werden mit Luftbildern und Feldbegehungen die Stichproben überprüft und deren Zustand genau festgehalten. In diesem Jahr wird die oben genannte Wiese analysiert.
Da diese Daten noch nicht zugänglich sind, hat der Autor dieses Artikels diese Fläche besucht, um zu sehen, was dort an Pflanzen und Tieren gedeiht. Dabei konnten neben typischen Trockenwiesenarten auch viele verschiedene Tagfalter beobachtet werden. So wurden auf der Skabiosenblättrige Flockenblume viele Individuen des Grossen Ochsenauges gesichtet. Kaisermantel, Weisser Waldportier und der Gemeine Bläuling besuchten die Blüten von Edel-Gamander, Echter Betonie und der Wald-Witwenblume. Die Rundblättrige Glockenblume und der Salbeiblättrige Gamander waren bereits verblüht und das Echte Salomonssiegel zeigte seine Früchte und die typischen Verfärbungen auf den Blättern.
Besonders zu erwähnen ist, dass sich die Artzusammensetzung in den vergangenen 40 Jahren kaum verändert hat. So haben Hansruedi Hochueli 1985, Roland Lüthy 2017 und der Autor 2019 die gleichen Pflanzenarten gefunden. Unterschiede gab es lediglich bei Arten, die sehr schwach vertreten sind und leicht übersehen werden könnten.
Zum Schluss bleibt zu erwähnen, dass am «Häxenblätz» nicht nur die vielfältige Pflanzenund Insektenwelt besonders schön ist, sondern dass es einfach wunderbar ist, den Weitblick in die Juralandschaft in Ruhe zu geniessen.
Als Quelle für diesen Artikel diente unter anderem ein umfassender Artikel über den «Häxenblätz» von Daniel Scheidegger aus dem Jahr 1980 in den «Baselbieter Heimatblättern». Autor Andres Klein ist Biologe. Er verfasst in der «Volksstimme» die regelmässige Kolumne «Ahnig vo Botanik».
Die Sage
«Ber Bärg zwüsche Brätzbel und Nunnige heisst der Brang. Dört, won er scho gege Nunnige abegoht, isch e zimli grossi blutti Stell, der Häxeplätz. Uf der hindere Syte, satt am Holz, stoht der Gränzstei zwüsche Solethurn und Baselland.
Die olte Lüt hai verzellt, es syg alben e Galge dört gstande. Anderi säge, me haig d Häxe dört obe verbrennt. Underim Bärg, uf der Sandebeni, sy e paar Tanne binander gstande, under dene syg über d Häxe Gricht gholte worde.
Wo der Hänker emol znacht über das Fäld gangen isch, isch im e wyssi Frauegstalt erschine. Si het gegen im Häxeplätz uufe zeigt und gsait: ‹Die Stell dört obe sell für alli Zyte verfluecht sy, es sell druff kei Baum, kein Struuch meh wachsen und s Gras, wo wachs, well e kei Tier frässe.›
Anno 1893 isch e troches Jahr gsi. Wils fascht kei Fueter gee het, hai d Lüt vom Underbrang, vome Hof undedra, das Gras bim Häxeplätz abgmäjt und hais heigno, aber kei Chue haigs agrüert.»
Paul Suter und Eduard Strübin: «Baselbieter Sagen»; Quellen und Forschungen zur Geschichte von Baselland (14), Liestal 1976, Sage Nr. 775, Seite 300.