«Unabhängiger geht es nicht»
30.07.2019 Baselbiet, Rünenberg, PolitikWie tickt Thomas Tribelhorn, der neue Chef der Baselbieter Grünliberalen?
Ende Juni ist der Rünenberger Thomas Tribelhorn (49) zum neuen Präsidenten der Baselbieter Grünliberalen (glp) gewählt worden. Er will konsequent auf alternative Energien setzen.
David ...
Wie tickt Thomas Tribelhorn, der neue Chef der Baselbieter Grünliberalen?
Ende Juni ist der Rünenberger Thomas Tribelhorn (49) zum neuen Präsidenten der Baselbieter Grünliberalen (glp) gewählt worden. Er will konsequent auf alternative Energien setzen.
David Thommen
Herr Tribelhorn, die glp hat bei den Landratswahlen stagniert. Ist es nicht eine Strafaufgabe, Präsident einer wenig erfolgreichen Partei zu sein?
Thomas Tribelhorn: Eine Strafaufgabe ist es keinesfalls. Ich habe als Präsident die Chance, die Partei mitzugestalten und deren Entwicklung massgeblich zu beeinflussen. Natürlich hatten wir uns bei den Wahlen mehr erhofft als diese drei Sitze. Jetzt müssen wir in der Parteileitung Verantwortung übernehmen und dafür besorgt sein, dass es nächstes Mal besser herauskommt.
Die Baselbieter glp gilt als schwierige Partei. Es hat immer wieder Querelen und Machtkämpfe gegeben. Haben Sie die Eigenschaft, einigend zu wirken?
Ja. Mir sagt man im Beruf oder früher auch im Militär einiges diplomatisches Geschick nach. Mein Vorgänger Hector Herzig hat in seinen acht Jahren im Amt aber schon gute Voraussetzungen geschaffen. Er hat Ruhe in die Partei gebracht, es gibt auch einen Kodex, an den sich die Mitglieder halten müssen …
… und was steht in diesem Kodex?
Vor allem, dass man respektvoll miteinander umgeht, auch andere Meinungen akzeptiert und Streitigkeiten nicht in der Öffentlichkeit austrägt.
Braucht man für solche Selbstverständlichkeiten einen Kodex?
Wenn man schaut, wie es in anderen Parteien zuweilen zu und her geht, würde es denen auch nicht schaden, solche Regeln schriftlich festzuhalten. Menscheln tut es überall.
In Zürich laufen mittlerweile prominente Sozialdemokraten zur glp über. Sind die Grünliberalen im Kern auch ein bisschen rot?
Nein. Unser Hauptanliegen ist, dass wir uns für die Umwelt und für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen einsetzen. Das hat nichts mit «rot» zu tun. Dafür sollten sich alle Parteien mehr engagieren.
Viele Baselbieterinnen und Baselbieter wissen nicht so recht, wofür die glp eigentlich steht …
Wir setzen uns für Nachhaltigkeit in jedem Bereich ein, speziell aber für die erneuerbaren Energien und damit für eine CO2-Reduktion. Und dies mit möglichst marktwirtschaftlichen Instrumenten. Für uns stehen Lenkungsabgaben im Zentrum. Über den Preis wollen wir erreichen, dass die Menschen ihre zum Teil problematischen Verhaltensweisen ändern. Das Geld, das dadurch zusätzlich eingenommen wird, soll aber nicht als Steuern in die Staatskasse wandern, sondern beispielsweise über einen Pro-Kopf-Verteilschlüssel an die Allgemeinheit zurückfliessen.
Erziehung übers Portemonnaie?
Natürlich braucht es manchmal auch Gebote und Verbote, um Verhaltensweisen zu ändern. Ein gutes Beispiel ist das Baselbieter Energiegesetz: Es schreibt unter anderem vor, dass für die Erzeugung von Warmwasser zumindest zum Teil auch alternative Energie zum Einsatz kommen muss. Das halte ich für richtig.
Und künstlich verteuerte Flugtickets, Benzin und Heizöl?
Ja, das muss man machen.
Das tönt grün. Ist es aber auch liberal, einfach die Preise zu erhöhen? Das können zudem nicht alle zahlen.
Die Frage ist, wie man die Einnahmen aus einer Lenkungsabgabe zurückverteilt. Es kann sich finanziell auch lohnen, beispielsweise dank Beiträgen aus der Lenkungsabgabe beim Ersatz einer Heizung nicht mehr auf Öl zu setzen.
Sind grün und liberal nicht immer irgendwie ein Widerspruch?
Nein. Grünen Anliegen kann man immer auch mit Wirtschaftsinstrumenten zum Durchbruch verhelfen. Die Grünen – vor allem auf nationaler Ebene – setzen viel häufiger auf Verbote als wir. Sie agieren vergleichsweise interventionistisch. Wir wollen vor allem Anreize schaffen.
Sie hören sich etwas an wie neuerdings Petra Gössi. Nervt Sie der jüngste grüne Schwenker, den die FDP gemacht hat?
Nein, das ist prinzipiell nicht negativ für uns. Ich habe auch eine freisinnige Vergangenheit und begrüsse solche Aussagen. Die Frage ist einfach, ob es sich nur um ein «Greenwashing» der FDP vor den Wahlen handelt, also, ob sich die Freisinnigen einfach ein modisches grünes Mäntelchen umhängen. Die FDP wird in der konkreten parlamentarischen Arbeit zeigen müssen, was von den Ankündigungen tatsächlich umgesetzt wird. Bei der parlamentarischen Beratung der Trinkwasser- und der Pestizidverbotsinitiative hat sich die FDP jedenfalls wieder nach dem alten Muster verhalten.
Und Sie befürworten diese Initiativen, die doch als ziemlich radikal empfunden werden?
Ich bin sicher für die Trinkwasserinitiative. Die glp hätte sich zwar Gegenvorschläge gewünscht, doch das wurde leider abgelehnt.
Wem stehen Sie näher, den Grünen oder den Liberalen?
Das kommt immer aufs Thema an. In Sachen Umweltschutz sind wir grün, in Sachen Wirtschaft liberal.
Dann werden wir konkreter: Wem werden Sie bei den Ständeratswahlen Ihre Stimme geben? Der grünen Maya Graf oder der liberalen Daniela Schneeberger? Oder doch dem SP-Kandidaten Eric Nussbaumer?
Wir als Partei werden niemanden unterstützen. Ich selber habe mich noch nicht entschieden, aber es läuft auf Eric Nussbaumer oder Maya Graf hinaus. Da für mich Energiefragen ganz zentral sind, hat vor allem Eric Nussbaumer, der sich stark für alternative Energien engagiert und ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist, meine Sympathie.
Ist die Zukunft rein elektrisch?
Ja, wenn man die aufkommende Wasserstofftechnologie ebenfalls dazu zählt. Die Speicherung bleibt allerdings in jedem Fall eine Herausforderung: Herkömmliche Batterien für die Stromspeicherung sind aus Umweltsicht immer noch etwas problematisch, vor allem wegen des Abbaus der Seltenen Erden. Setzt man mehr auf Wasserstoff, muss man ganz neue Infrastrukturen aufbauen, was sehr teuer wird.
Gerade mit Batterien handeln wir uns ein Umweltproblem ein.
Wir werden bald neue Batterien sehen. Es gibt schon solche, die hauptsächlich auf der Basis einer Kochsalzlösung oder Kochsalz/Nickel funktionieren. Diese werden heute noch nicht im industriellen Massstab produziert, doch das wird kommen. Eventuell wäre eine Anschubfinanzierung für innovative Firmen sinnvoll. Diese Batterie könnte gerade auch in der Schweiz produziert werden; wir sitzen hier ja auf grossen Mengen von Salz.
Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern wird mit alternativen Energien dennoch nicht zu schaffen sein …
Sagt wer? Das sehe ich anders. Und übrigens auch ETH-Professor Anton Gunzinger mit seiner Simulation des Schweizerischen Energiesystems. Ich empfehle sein Buch «Kraftwerk Schweiz – So gelingt die Energiewende». Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen: Wir haben in der Schweiz total 400 Quadratkilometer Dachflächen, davon sind 300 Quadratkilometer für die Erzeugung von Solarenergie prinzipiell geeignet. Um den Energiebedarf der Schweiz zu decken, würde schon eine Solarzellenfläche von 120 Quadratkilometern ausreichen. Wir müssten also keine grossen neuen Photovoltaik-Parks in die Landschaft stellen, sondern nur die vorhandene Infrastruktur nutzen.
Derart riesige Flächen mit Solarzellen wären unbezahlbar.
So viele neue Photovoltaik-Anlagen stellt man natürlich nicht von heute auf morgen hin, das braucht Jahre. Und klar, das ist auch nicht gratis. Aber ein Vergleich: Wir haben in der Schweiz auf einer Fläche von 530 Quadratkilometern Strassen. Das war auch teuer, wir haben es trotzdem gemacht, weil wir einen grossen Nutzen davon haben.
Nationalrat Thomas de Courten (SVP) hat kürzlich hier in der «Volksstimme» vorgerechnet, dass der Umbau der Energieversorgung bis 2050 rund 200 Milliarden Franken kosten wird – fast unbezahlbar.
7 Milliarden pro Jahr tönt tatsächlich nach viel. Aber heute geben wir alleine für den Import von Erdöl und Erdgas rund 15 Milliarden Franken jährlich aus. Diese Energie verpufft. Investieren wir hingegen in Anlagen für erneuerbare Energie, dann kostet uns der Strom irgendwann kaum noch etwas – und wir müssen auch nichts mehr importieren. Damit machen wir uns unabhängig von den Erdöl produzierenden Ländern. Gerade die SVP betont die Unabhängigkeit der Schweiz ja immer sehr stark. Bei der Energie will sie aber offensichtlich abhängig vom Ausland bleiben; ein Widerspruch. Ich selber fahre ein Elektroauto, den Strom dafür produziere ich auf dem Dach unseres Hauses. Unabhängiger geht es nicht.
Im Winter wird es uns mit dem Solarstrom trotzdem nicht reichen.
Doch, das wird es. Voraussetzung ist, dass man unsere grössten «Batterien», die Stauseen, im Sommer füllt und nur im Winter nutzt. Biomasse – namentlich Gülle – hat auch noch viel Potenzial und eingeschränkt auch der Wind. Er weht gerade in Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint.
Ein Windkraftwerk bei Ihnen auf dem Rünenberg?
Damit hätte ich absolut kein Problem. Wenn man alternative Energie will, muss man so etwas in Kauf nehmen. Abgesehen davon finde ich Windräder optisch sehr schön.
Viel Umweltbelastung und höherer Ressourcenverschleiss entstehen durch Zuwanderung. Im Baselbiet wird derzeit gebaut wie seit dem Boom in den 1960er-Jahren nicht mehr. Wie stehen Sie dazu?
Das Wachstum ist aus wirtschaftlichen Gründen nötig, wir brauchen Arbeitskräfte. Und wenn man die Alterspyramide anschaut, sind wir ebenfalls auf die Zuwanderung angewiesen, damit unser Rentensystem finanzierbar bleibt. Wir müssen einfach verhindern, dass die Zersiedelung weiter voranschreitet. Und wichtig ist, dass sich die Zuwanderer bei uns integrieren und sich an unsere Gesetze und Gepflogenheiten halten. Wir brauchen Arbeitskräfte, die der Schweiz etwas bringen. Was wir nicht brauchen können, ist die Zuwanderung in die Sozialwerke.
Die glp fällt durch eine recht EUfreundliche Haltung auf. Wie stehen Sie zum Rahmenabkommen?
Ich bin kein begeisterter EU-Fan. Ich bin zwar für das Rahmenabkommen, halte es aber für richtig, dass der Bundesrat das Abkommen nachverhandeln und beispielsweise den Lohnschutz retten oder die Unionsbürgerrichtlinie ausschliessen will. Aber ohne Rahmenabkommen wird es langfristig nicht gehen. Ohne die Bilateralen sowieso nicht.
Wir führen dieses Interview recht früh am Morgen. Wenn Sie etwas weiterträumen dürften: Wo steht die glp unter Ihrer Führung in vier Jahren?
Ein Traum wäre natürlich ein Nationalratssitz schon in diesem Herbst. Dank unserer Listenverbindung mit den anderen Mitteparteien ist das nicht ganz unrealistisch. Und in der nächsten Legislaturperiode möchte ich die glp in Fraktionsstärke – also mindestens mit fünf Vertretern – im Landrat sitzen sehen.
Zur Person
tho. Thomas Tribelhorn (49) wurde Ende Juni zum neuen Präsidenten der glp Baselland gewählt. Er setzte sich gegen zwei Konkurrenten durch, die nun ebenfalls in der Parteiführung mitwirken.
In den 90er-Jahren war Tribelhorn bei den Jungfreisinnigen aktiv und zählte später, im Jahr 2007, zu den Gründungsmitgliedern der Baselbieter Grünliberalen. Nach Querelen in der Partei zog er sich wie zahlreiche andere Oberbaselbieter zwischenzeitlich aus der Parteiarbeit zurück. Es kam hinzu, dass Tribelhorn aus beruflichen Gründen mit seiner Familie für zwei Jahre nach Nordengland auswanderte.
Aufgewachsen ist der neue glp-Chef in Oberdorf, heute wohnt er in Rünenberg, wo er 2014 ein besonders nachhaltiges Haus mit vielen natürlichen Materialien baute. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von 14 bis 19 Jahren. Tribelhorn studierte an der Hochschule St. Gallen, war als Entwicklungsleiter bei der Stratec Medical tätig, wechselte später zur Roche und ist nun seit 2004 bei der Medizinaltechnikfirma Medartis tätig. Tribelhorn ist Mitglied der Geschäftsleitung.
Im März kandidierte er auf der Mitteliste von glp, CVP und BDP im Wahlkreis Waldenburg für den Landrat, verpasste den Einzug aber. Aktuell ist er auf der Nationalratsliste der glp zu finden.