«Wir sollten von ‹unserer Universität› reden»
12.06.2019 Baselbiet, BildungJürg Gohl
Beat Oberlin, im kommenden Jahr lösen Sie Ueli Vischer als Präsident des Universitätsrats ab. Wo möchten Sie Akzente setzen?
Beat Oberlin: Jede Führungsperson setzt individuelle Schwerpunkte. Der Kurs unserer Universität wird aber ...
Jürg Gohl
Beat Oberlin, im kommenden Jahr lösen Sie Ueli Vischer als Präsident des Universitätsrats ab. Wo möchten Sie Akzente setzen?
Beat Oberlin: Jede Führungsperson setzt individuelle Schwerpunkte. Der Kurs unserer Universität wird aber durch die Strategie definiert. Wir planen in sehr langfristigen Zeiteinheiten, die aktuell gültige Strategie läuft noch bis 2021. Die in den letzten zwölf Monaten erarbeiteten strategischen Schwerpunkte für die Jahre 2022 bis 2030 sind zurzeit in der universitären Vernehmlassung.
Wie gross ist der Unterschied zwischen dem Politiker Vischer und dem Wirtschaftsmann Oberlin? Denken Sie vielleicht ökonomischer als er?
Alle Geschäfte, die wir behandeln und die vom Steuerzahler beglichen werden müssen, haben eine ökonomische Seite. Ueli Vischer war jahrelang ein erfolgreicher Finanzminister. Er präsidiert seit vielen Jahren die Messe Schweiz und hat andere Firmen geführt. Er bringt also wie ich einen sehr vielseitigen ökonomischen Erfahrungsschatz mit.
Die beiden Halbkantone hängen stark von der pharmazeutischen Industrie ab. Machen Sie sich Gedanken darüber, die Finanzen auf die Naturwissenschaften und Life Sciences zu fokussieren oder sogar vom Modell des vollen Angebots abzukehren?
Bereits heute fliessen rund drei Viertel unserer Mittel in den Bereich Life Sciences, der in unserer Region eine Sonderstellung einnimmt. Man kann aber die Fakultäten nicht gegeneinander ausspielen. Es ist wichtig, dass wir ein möglichst breites Spektrum abdecken. Wobei wir uns bereits heute als profilierte Volluniversität bezeichnen wollen, da wir nicht alles anbieten. Die ETH ist eine eidgenössische Hochschule, die im Vergleich zu uns einen völlig anderen Auftrag wahrzunehmen hat.
Müssen die Geisteswissenschaften nicht befürchten, zu kurz zu kommen?
Die Gesellschaft anerkennt, dass es essenziell ist, in Bildung, Kultur und Wirtschaft zu investieren. Wir brauchen die wissenschaftliche Begleitung der sich rasant verändernden Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft. Wir werden immer auf gut ausgebildete Lehrer angewiesen sein. Natürlich steht an der Universität das Forschen im Vordergrund. Aber die Phil-I-Fächer sind für eine funktionierende, dynamische Gesellschaft nicht minder wichtig.
Welchen Einfluss können die beiden Basel als Hauptzahler auf die Uni nehmen?
Sie beteiligen sich hälftig an den Kosten. Wir unterbreiten den Kantonen unsere Strategie, aber sie geben uns nicht vor, was wir konkret zu tun haben. Die Autonomie der Universität steht an oberster Stelle.
Wie nehmen Sie die Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber der Uni wahr? Führt das Haus nicht ein isoliertes Eigenleben?
Sie geniesst ein hohes Ansehen. Dass zuweilen auch kontrovers über Inhalte des universitären Lebens diskutiert wird, zeigt doch die hohe Identifikation mit unserer Universität. Eines meiner Ziele ist es, zu erreichen, dass wir nicht mehr von «der Universität», sondern von «unserer Universität» sprechen. Natürlich müssen wir uns bemühen, das breit gefächerte Wissen, über das wir verfügen, noch mehr in die Gesellschaft zu tragen, damit alle stolz auf unsere Universität sind. Da sehe ich durchaus noch Potenzial. Wenn wir weiterhin top sein wollen, müssen wir die Elite ausbilden, aber nicht elitär sein.
Sie wollen top sein. Wie definieren Sie das? Forschungserfolge, renommierte Professoren? Die Uni liegt hinter den beiden ETH-Einrichtungen in der Schweiz an der Spitze und weltweit auf Rang 96.
Sicher spielen die Rankings eine Rolle. Eine wichtige Währung in der Welt der Universitäten sind aber auch die Publikationen in bedeutenden Journalen. Und schliesslich müssen wir bestrebt sein, die besten Professorinnen und Professoren nach Basel zu berufen. Das sind jedoch nur drei Aspekte von vielen. Unsere Aufgabe ist es auch, gut ausgebildete, motivierte Spitzenleute hervorzubringen, die in ihrem jeweiligen Beruf grosse Herausforderungen meistern können.
Unsere Universität musste im Herbst überraschend einen Rückgang der Studierendenzahlen auf total 13 157 Personen hinnehmen. Beunruhigt Sie das?
Wir reden von 1 Prozent. Aber Freude haben wir nicht daran. Unsere Infrastruktur ist auf 13 000 Studierende ausgelegt. Doch es läuft ein Wettbewerb um die Studenten. Wir müssen die Qualität hoch halten, um junge Leute anzuziehen.Weniger Studenten bedeutet auch weniger Geld von den Kantonen und vom Bund. Wenn die Zahl einmalig zurückgeht, lässt sich das verkraften. Wenn es aber zum Trend würde, wäre das für uns schlecht.