Zwischen Kirchgemeinden und Kanton
10.05.2019 Baselbiet, KircheDie Stiftung Kirchengut ist die Schnittstelle zwischen Staat und reformierter Kirche
33 Kirchen, 28 Pfarrhäuser und zahlreiche Nebengebäude im Oberbaselbiet sind Eigentum der Stiftung Kirchengut. Sie verwaltet die Gebäude und stellt sie den Kirchgemeinden zur Verfügung. Mit deren ...
Die Stiftung Kirchengut ist die Schnittstelle zwischen Staat und reformierter Kirche
33 Kirchen, 28 Pfarrhäuser und zahlreiche Nebengebäude im Oberbaselbiet sind Eigentum der Stiftung Kirchengut. Sie verwaltet die Gebäude und stellt sie den Kirchgemeinden zur Verfügung. Mit deren sinkender Mitgliederzahl wird die Aufgabe der Stiftung zunehmend komplexer.
Michèle Degen
Eigentlich möchte die Stiftung Kirchengut lieber im Hintergrund agieren, sagt Martin Innerbichler, Verwalter der Stiftung. Das gelingt ihr jedoch je länger, desto weniger. Viel zu wichtig ist ihre Rolle bei den reformierten Kirchen und Pfarrhäusern des Baselbiets. Und so erscheint sie eben doch in der Öffentlichkeit: im Zusammenhang mit den Pfarrhäusern in Rothenfluh, Sissach und Bennwil sowie dem «Chilchacher» in Tenniken und in vielen weiteren Gemeinden. Denn der Stiftung gehören 33 reformierte Kirchen und 28 Pfarrhäuser im Kanton. Ihr Zweck ist es, die Gebäude in gutem Zustand zu erhalten und sie den evangelisch-reformierten Kirchgemeinden gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Ihre übrigen Vermögensbestandteile bewirtschaftet sie nach kaufmännischen Grundsätzen.
Mit ihren Tätigkeiten macht sich die Stiftung, die aus einem siebenköpfigen Stiftungsrat, dem Verwalter sowie einer weiteren Mitarbeiterin besteht, bei den Kirchgemeinden nicht nur Freunde. Etwa in Tenniken, wo sie den «Chilchacher» im Baurecht abgeben will. Aufgrund des kommunalen Richtplans wäre es möglich, auf dem Grundstück Mehrfamilienhäuser zu bauen. Das war ursprünglich von der Stiftung auch so vorgesehen. Das Vorhaben stiess jedoch auf Widerstand bei Einwohnern, welche die Dorfkultur in Gefahr sehen. Die Baurechtszinsen möchte die Stiftung in ihre Kirchen und Pfarrhäuser investieren. Umso mehr erstaunt, dass eine der Hauptgegnerinnen des Projekts die Präsidentin der dortigen Kirchenpflege ist (die «Volksstimme» berichtete). Das Geld kommt schliesslich auch ihrer Kirche zugute.
«Das zeigt den schweren Stand der Stiftung», sagt Verwalter Martin Innerbichler. Im konkreten Fall habe man von Anfang an die Karten offen auf den Tisch gelegt und versucht, alle Beteiligten miteinzubeziehen. Auch die Interessen des Natur- und Vogelschutzvereins habe man beachtet. Der Vowurf der Projektgegner, die Bevölkerung sei nicht miteinbezogen worden, habe deshalb die Mitglieder des Stiftungsrats getroffen, sagt Innerbichler. Die Tenniker Kirchenpflegepräsidentin begründet ihren Widerstand damit, dass es ihr nur um die allfälligen Dimensionen und Auswirkungen des Projekts gehe und es keine wesentliche Rolle spiele, ob das Land der Stiftung Kirchengut oder jemand anderem gehöre.
Ein Drittel aus Vermögensbestand
Die Stiftung finanziert sich mehrheitlich durch die Abgaben, welche die Kirchgemeinden für die Nutzung der Gebäude bezahlen. Weitere Einnahmen zu generieren wird für sie immer wichtiger. Mit der sinkenden Mitgliederzahl haben die Kirchgemeinden immer mehr Mühe, diese «Miete» zu stemmen. Die Höhe der Abgabe legt der Kirchenrat fest. Die Pauschale deckt zusammen mit Baubeiträgen der Kirchgemeinden zwei Drittel der jährlich anfallenden Kosten.
Das übrige Drittel der Kosten wird über die Einnahmen der übrigen Vermögensbestandteile gedeckt. Also zum Beispiel über Grundstücke, die im Baurecht vergeben werden, wie es auch im «Chilchacher» geplant ist. Zum Beispiel das Gelände neben dem Pfarrhaus in Rothenfluh, auf dem sich ein Sportplatz befindet, gehört ebenfalls der Stiftung. Einen Grossteil ihrer Grundstücke hat die Stiftung so vergeben. Weitere Einnahmen generiert die Stiftung durch ein Vermögensverwaltungsmandat: Die Stiftung hat eine Summe von rund 5 Millionen Franken in Form von Obligationen und weiteren Wertpapieren. Dies ist gleichzeitig der Notgroschen der Stiftung. Sollte das Geld einmal knapp werden, macht sie die Papiere flüssig.
Konflikte sind die Ausnahme
Die Stiftung steckt ihre Einkünfte in die Renovation und Instandhaltung der Pfarrhäuser und Kirchen. Bei anfallenden Arbeiten müssen die Kirchgemeinden jeweils die Hälfte der Kosten übernehmen. Auch damit eckt die Stiftung teilweise bei Kirchenpflegemitgliedern an. «Es kommt vor, dass den Leuten nicht einleuchtet, weshalb sie nun für die Renovation in einem Haus, für das sie ja mit der jährlichen Pauschale eine Art Miete bezahlen, die Hälfte der Baukosten übernehmen müssen», sagt Innerbichler. Doch dienten die Renovationen der Erhaltung der Kirchengüter. «Manchmal muss man eben der Böse sein», sagt Innerbichler, der seit 2005 für die Stiftung arbeitet. Er kommt ursprünglich aus der Forst- und Holzwirtschaft und hat sich im Immobilienbereich weitergebildet.
Die Rolle des «Übeltäters» habe die Stiftung nun auch beim «Chilchacher» in Tenniken. Könne man solche Einnahmequellen nicht nutzen, müsse man das Geld aber irgendwo anders beschaffen. Führt man diese Gedankenkette weiter, lande man bei den einzelnen Kirchensteuerzahlern, die mehr bezahlen müssten.
Konflikte wie der in Tenniken seien aber die Ausnahme, sagt Innerbichler. Sein Alltag sei also nicht von ihnen geprägt, sondern von einer guten Zusammenarbeit mit Behördenmitgliedern.
Die Kirchgemeinden selbst versuchen ebenfalls, vorhandenes Potenzial wirtschaftlich zu nutzen. Da verschiedene Gemeinden leer stehende Pfarrhäuser haben und die Gemeinden diese nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht an die Stiftung zurückgeben können, möchten sie diese anderweitig nutzen und sie zum Beispiel Schulen zur Verfügung stellen. In vielen Fällen verhindern Bestimmungen oder Zonenvorschriften die Nutzung jedoch: Da sich die meisten Pfarrhäuser und Kirchen in der Zone für öffentliche Werke und Anlagen befinden, dürfen sie schon einmal nicht an Private vermietet werden. Gibt es eine Institution, die das Gebäude mieten will, muss zuerst die Kirchgemeinde und danach die Stiftung ihr Einverständnis geben. Sei das geschafft, komme vielleicht der Brandschutz oder eine andere Stelle und schreibe bestimmte Massnahmen vor, die sich aufgrund des Denkmalschutzes nicht umsetzen lassen, erklärt Innerbichler, wie solche Vorhaben häufig scheitern. Aktuell geschehen beim Pfarrhaus Sissach, in das eine Schule einziehen wollte. Mit einem neuen Dekret, das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet, sollen die Gemeinden ungenutzte Häuser künftig jedoch an die Stiftung zurückgeben können.