Die Schöne mit Migrationshintergrund
26.04.2019 Baselbiet, Gesellschaft, NaturDie Geranie gilt als einheimisch, hat aber eine lange Integrationsgeschichte hinter sich
Die eingebürgerte Nationalblume, die Geranie, geniesst weiterhin grosse Beliebtheit. Sie schmückt mit ihrer einzigartigen Blütenpracht bald wieder die Balkone und Gärten.
Sander van ...
Die Geranie gilt als einheimisch, hat aber eine lange Integrationsgeschichte hinter sich
Die eingebürgerte Nationalblume, die Geranie, geniesst weiterhin grosse Beliebtheit. Sie schmückt mit ihrer einzigartigen Blütenpracht bald wieder die Balkone und Gärten.
Sander van Riemsdijk
Bald erstrahlen sie wieder in ihrer vollen Blütenpracht auf den Fensterbänken und Balkonen – die Pelargonien, im Volksmund auch Geranien genannt. Sie sind die beliebtesten Pflanzen der Schweizerinnen und Schweizer und sie zieren nicht nur in Kübeln, Blumenkästen oder Beeten die stattlichen Bauernhäuser und Chalets, sondern sie sind auch an den Ortstafeln eines Dorfs und in der Stadt in hängender oder stehender Wuchsform anzutreffen. Jeden Sommer überraschen uns die Pflanzen mit ihren interessanten und wunderschönen Blumen immer wieder als leuchtend komplementärfarbige Flora.
Die Geranie gilt zwar als einheimische Pflanze, ist jedoch eine exotische Blume mit Migrationshintergrund und nach einer bemerkenswerten längeren Integrationsgeschichte im Verlauf der Jahre zu einem wichtigen Teil unserer botanischen Kultur geworden. Nach Europa gebracht haben die Geranie die Niederländer im 17. Jahrhundert als damalige Kolonial- und Handelsmacht. Auf ihren Fahrten Richtung Indonesien legte die Holländisch-Ostindische Kompanie einen Zwischenhalt in Südafrika am Kap der Guten Hoffnung ein, um Vorräte zu laden. Der Deutsche Paul Hermann, der als Arzt auf den Schiffen mitfuhr, war ein ausgewiesener Pflanzenkenner und entdeckte am Fuss des Tafelbergs die Pelargonien. Er entschied sich trotz überlanger Schifffahrt, einige Pflanzen mit nach Holland zu nehmen, obwohl er ihnen eine geringe Überlebenschance gab.
Die Pflanzen waren so widerstandsfähig, dass sie die lange Fahrt mühelos überstanden. Im Jahr 1686 blühten im botanischen Garten in der holländischen Stadt Leiden bereits zehn verschiedene Pelargonien-Arten. Auch die Engländer interessierten sich für die Pflanzen und fingen im 18. Jahrhundert mit der Zucht an. Es war der Beginn einer beispiellosen botanischen Erfolgsgeschichte und eines Siegeszugs um die ganze Welt, der seine Fortsetzung bis ins heutige Jahrhundert findet. Die blühende Balkonblume fand um 1900 ihren Weg in den Süden nach Frankreich und Algerien, wo sie wegen ihres rosig-süsslichen Geruchs in der Parfümindustrie verwendet wurde. Schliesslich kamen die Pelargonien oder eben Geranien über Deutschland in die Schweiz und trugen so illustre Namen wie «Mrs. Pollock» oder «Kardinal».
Artenreiche Gattung
Diese beliebten Pflanzen als Geranien zu bezeichnen, ist botanisch eigentlich nicht korrekt. Sie gehören nämlich nicht der einheimischen Pflanzengattung Geranium an, sondern bilden wie die Pelargonien eine eigene Gattung. Die Geranie ist eine mehrjährige Staude und mit 380 bis 430 Arten die artenreichste Gattung der Pflanzenfamilie der Storchschnabelgewächse. Sie zeigen sich vom Frühjahr bis in den Herbst in vielen unterschiedlichen Farbtönen und ertragen dank ihrer Herkunft aus den südostafrikanischen Wüstengebieten grosse Hitze. In Zeiten des Klimawandels wundert es denn auch nicht, dass Geranien, die Wasser in den Wurzeln speichern und so längere Trockenperioden überstehen können, zunehmend auf dem Vormarsch sind.
Die pflegeleichten, robusten Geranien haben nichts von ihrer Beliebtheit eingebüsst, auch wenn dieser Eindruck aufgrund veränderter Bauweise in den letzten Jahren mit vielfach fehlendem Garten entstehen könnte. Dies entspreche jedoch nicht dem Trend, wie Vreni Mangold-Volkart, seit 2004 Präsidentin des Gartenbauvereins Sissach, auf Anfrage sagt. Als Reaktion auf diese bauliche Entwicklung sei das «Urban Gardening» (in der Stadt gärtnern) sehr beliebt geworden. In Töpfen und allen möglichen Gefässen wird der Blumenschmuck auf kleinstem Raum angebaut und verwandelt mit seinem Reichtum an Blüten- und Wuchsformen urbane Balkone und Terrassen im Handumdrehen in bunte Blumenparadiese und Wohlfühloasen.
Blume des Spiessers
Der Verkauf von Geranien beim Gartenbauverein hat sich gemäss Vreni Mangold stetig leicht gesteigert, beliebt sei heute die Mischung mit Sommerflor. Der Klassiker unter den Geranien sei die leuchtend rote stehende Geranie, gefolgt von den hängenden, einfach blühenden roten Hängegeranien. Für viele Pflanzenliebhaber sind die Geranien nicht nur das Symbol von Kraft, Widerstandsfähigkeit und Schönheit. Sie sorgen darüber hinaus für Sommerlaune und vermitteln das Gefühl von Heimat.
Andererseits gilt die Haltung von Geranien in bestimmten Kreisen als Inbegriff kleinbürgerlichen Spiessertums. Bereits sind die beliebten Pflanzen, die es zu einer Art Nationalblume geschafft haben, wieder auf den Blumenmärkten und in den Gartencentern anzutreffen und erstrahlen wie jedes Jahr schon bald an vielen Orten in ihrer voluminösen Blütenpracht.
Geranien- und Blumenmarkt: Samstag 27. April, 8 bis 12 Uhr, Primarschulplatz Sissach.