Der Charme vergangener Zeiten
12.04.2019 Bezirk Sissach, SissachEin Bach fliesst schon längst nicht mehr. Mehr Durchhaltewillen beweist das Café Dozenbach. Noch immer wird im heimeligen Café Kaffee und Kuchen serviert. Seit sechs Jahren führt Anita Steiner das weiter, was die Familie Briggen vor 85 Jahren begonnen hat.
Heiner ...
Ein Bach fliesst schon längst nicht mehr. Mehr Durchhaltewillen beweist das Café Dozenbach. Noch immer wird im heimeligen Café Kaffee und Kuchen serviert. Seit sechs Jahren führt Anita Steiner das weiter, was die Familie Briggen vor 85 Jahren begonnen hat.
Heiner Oberer
Anita Steiner hatte einen Traum. Ein Traum von einem kleinen Café mit Sicht auf die Schneeberge. Und: Der Traum ist in Erfüllung gegangen. Zwar keine Schneeberge. Aber die Sissacher Fluh. Immerhin. Seit über sechs Jahren betreibt sie «Anita’s Café zum Dozenbach» in der ehemaligen Bäckerei-Konditorei Briggen in Sissach. «Der Blick auf die Fluh ist das eine», sagt sie. «Jeden Tag erfreue ich mich an der grossen Uhr der reformierten Kirche. Sie zeigt mir tagtäglich, wie vergänglich die Zeit ist.»
Der Bach, oder besser gesagt das Bächlein, nach dem das Café und das Quartier von der Dorfbrücke bis zur heutigen Schulstrasse mit Heidengässli benannt ist, ist schon längst verschwunden. Auch die Deutung des Namens Dozenbach lässt verschiedene Interpretationen zu. So schreibt Walter Schaub im Büchlein «Flurnamen von Sissach» in der 2. Auflage aus dem Jahr 1998 Folgendes über die Herkunft: «… bedeutet entweder dialektisch ‹hier am Bach› oder ‹tosender Bach›, vielleicht eine scherzhafte Bezeichnung.» Der Sissacher Architekt Robert Häfelfinger hingegen ist der Meinung, dass Dozenbach «vom Dorf zum Bach» bedeutet.
42 Jahre Brot und Gipfeli gebacken
Von einer weiteren Besonderheit der «Dozenbacher» weiss Besitzer Werner Briggen, der zusammen mit seiner Ehefrau Sigrid 42 Jahre die Bäckerei-Konditorei betrieben hat, zu erzählen. «Weil wir Gewerbetreibenden im ‹Dozenbach› nicht immer das Gefühl hatten, zum Dorf zu gehören, gründeten wir in den 70er-Jahren die IG West.» Speziell bei der alljährlichen Weihnachtsbeleuchtung im Dorf seien sie sich als Sissacher zweiter Wahl vorgekommen. Reichten doch die beleuchteten Weihnachtssterne nur bis zur Sonnenkreuzung. Zehn Jahre, bis ins Jahr 1985, ging im westlichen Teil des Dorfs das Dozenbach-Fest über die Bühne. In der in der Zwischenzeit abgerissenen Scheune neben der Garage Wicky servierte Bruno Attanasio italienische Spezialitäten. Die IG West ist Geschichte und es zeugt nur noch eine Dozenbach-Laterne von Zeiten, als im Westen noch aufbegehrt wurde.
Weiter zurück reicht die Geschichte der Bäckerei-Konditorei Briggen. Im Jahr 1934 erwerben Walter und Rosa Briggen-Näf die um 1875 erbaute Liegenschaft mit Bäckerei-Konditorei und Kaffeestübli von Gottlieb Armbruster an der Hauptstrasse 107 und eröffnen ihr eigenes Geschäft. Kein einfacher Entschluss in unruhigen Zeiten. Zudem gab es zu dieser Zeit schon acht Bäckereien in Sissach. Der Verkauf fand nicht nur im Laden statt. Mit dem Fahrrad und der Hutte am Rücken wurde die Kundschaft beliefert. Dank des Einsatzes von Rosa Briggen – ihr Ehemann wurde in den Militärdienst eingezogen – musste das Geschäft nicht geschlossen werden. Im Jahr 1970 übernimmt Werner Briggen, der älteste von drei Söhnen, mit seiner Ehefrau Sigrid das Geschäft. Nach 42 Jahren, im Jahr 2012, ist Schluss mit den beliebten Butterund Maisgipfeli. Die beiden treten in den Ruhestand.
1950er-Jahre-Interieur
Im März 2013 übernimmt Anita Steiner (54) das Café Dozenbach. Aufgewachsen neben einem Restaurant, steht die damals 15-Jährige hinter dem Buffet als Aushilfe und später als Servicefachangestellte. Der Liebe wegen verschlägt es die Safenwilerin nach Sissach, wo sie 20 Jahre auf einem Bauernhof lebt. In dieser Zeit verkauft sie einmal in der Woche an einem Marktstand Selbstgebackenes und Gemüse vom Hof. Dazwischen arbeitet sie immer wieder im Gastgewerbe. Da muss wohl auch der Gedanke gereift sein, etwas Eigenes zu eröffnen.
Mit der Schliessung der Konditorei-Bäckerei Briggen bietet sich ihr die Gelegenheit, das Café Dozenbach zu übernehmen. «Trotz intensiver Suche konnten wir keinen Käufer oder Mieter für die Bäckerei finden», sagt Werner Briggen. Mit Anita Steiner sei aber eine ideale Lösung gefunden worden, wenigstens das Café weiterzuführen.
Das Café verströmt den Charme der vergangenen Zeiten. Vielleicht ist es gerade das, was die Gäste lieben. Kein übermässiger Schnickschnack. 50er-Jahre-Interieur. Oder wie es ein Stammgast beschreibt: «Für mich ist das Café Dozenbach schlicht Kult.» Beliebt ist es bei den Handwerkern, die zum Znüni in Scharen herbeiströmen. Zweimal in der Woche serviert Steiner ein Mittagsmenü, das «regen Anklang findet». Zudem locken Kuchen aus Eigenproduktion. Im «Läädeli», dem ehemaligen Verkaufsladen, stehen selbst gemachte Konfitüren und Fruchtsirupe. Man spürt, dass sich die Wirtin in ihrem Reich wohlfühlt. Auch wenn kein Bach mehr rauscht und keine Schneeberge zu sehen sind.
Anita’s Café zum Dozenbach, Hauptstrasse 107, Sissach, 061 599 33 64.
Öffnungszeiten: www.anitas-cafe.com.